Von Reichsbürgern und Ostpreußen – Ein Kieler Verein will deutsche Siedlungen in der russischen Enklave Kaliningrad gründen

Im Laufe dieser Woche haben Kieler Antifaschist*innen  am Südfriedhof  in weiträumig verbreiteten Flugblättern mehrfach die Anwohner*innen am Sitz des völkischen Kolonisierungsprojektes „Deutsch-Russisches Friedenswerk e.V.“ auf die revanchistischen Ambitionen ihrer Nachbar*innen im Königsweg 105 hingewiesen. Sein Vereinspräsident Godwin Bachmann aus Bredenbek ist zuletzt auch verstärkt im Umfeld der Proteste von Corona-Relativierer*innen aktiv geworden.

Der Verein

Eine neue Heimat für alle „frustierten“ Deutschen will der Kieler Verein „Deutsch-Russisches Friedenswerk e.V.“ in der russischen Enklave Kaliningrad gründen. Offizielles Vereinsziel ist die Ansiedlung von Deutschen in Kaliningrad und die „friedliche“ Verständigung von Deutschen und Russen. Auf der Website des Vereins findet sich neben romantisierten Beschreibungen zukünftiger Deutscher Siedlungen in „Ostpreußen“ wenig Konkretes. 5000ha Land will der Verein angeblich vor Ort kaufen. Die Unterstützung der Russischen Behörden sei den „fleißigen Deutschen“ sicher. Belegt ist lediglich eine Busreise 2018, bei der Interessent*innen für 750€ für elf Tage nach Kaliningrad reisen durften. Wer sich fragt, woher denn die Frustration der Verantwortlichen rührt, wird auf der Vereinswebsite fündig. In bester Reichsbürger-Manier wird von Fremdbestimmung und Bevölkerungsaustausch schwadroniert. Die Flucht ins reichsdeutsche Königsberg wäre da naheliegend.

Godwin Bachmann

Noch deutlicher wird die ideologische Ausrichtung des Vereins bei einem Blick auf die Vereinsvorsitzenden. Vereinspräsident ist Godwin Bachmann aus Bredenbek. Bachmann entstammt einem völkischen Neonazi-Clan. Sein 2013 verstorbener Vater Raimund Bachmann verlegt Ende der 90er Jahre den Lebensmittelpunkt der Familie von Österreich nach Sachsen-Anhalt und etabliert dort einen Treffpunkt für die örtliche Neonazis-Szene. Alle 12 Kinder werden von klein auf im Sinne einer völkisch-rassistischen Ideologie erzogen. Godwin Bachman bricht zwar mit der Familie, von seinem rechten Weltbild sagt er sich hingegen nicht los. Spätestens seit den 2000er Jahren ist er in der Reichsbürgerszene in Sachsen-Anhalt aktiv. Neuerdings tritt Bachmann auch als Redner bei Kundgebungen der rechtsoffenen „Querdenken“-Szene auf und hetzt gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.

Thomas Tischer

Bachmanns Stellvertreter ist Thomas Tischer aus Halle. Ähnlich wie jener ist Tischer seit Jahrzehnten in der Reichsbürgerszene aktiv. Mutmaßlich
haben beide sich über diese Verbindungen kennengelernt. War Tischer nach eigener Aussage früher vor allem in der NPD und bei den Republikanern aktiv, pflegt er neuerdings auch Kontakte zur AfD. An seiner militanten Gesinnung hat das wenig geändert. Gegenüber dem Undercover-Journalisten Tobias Ginsburg fantasiert Tischer vom bewaffneten Umsturz und der atomaren Vernichtung des Nahen Ostens. Brisant sind auch bei Tischer die Familienbande. Gegen seinen Sohn, Maximilian Tischer, wurde aufgrund seiner Position als Vertrauter des Rechtsterroristen Franco Albrecht ermittelt. Maximilian Tischer deckte Albrecht gegenüber den gemeinsamen Vorgesetzten bei der Bundeswehr. Auch wusste er nachweislich von dem Waffenversteck Albrechts am Wiener Flughafen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei Tischer Junior Todeslisten mit politischen Gegnern*innen gefunden. Genau wie Albrecht war auch er Mitglied der rechten Chatgruppen um André Schmitt (alias Hannibal), die sich später zum Skandal um die Gruppe „Nordkreuz“ ausweiteten. Heute arbeitet Maximilian Tischer als Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Jan Nolte im Bundestag. Tür and Tür mit Personen, die er noch vor wenigen Monaten auf seine Todeslisten setzte.

Dass das „Deutsch-Russische Friedenswerk“ seinem Namen gerecht wird, darf demnach also bezweifelt werden. Die Rückgewinnung ehemaliger osteuropäischer Gebiete gehört seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zum Repertoire deutscher Neonazis. Über Jahrzehnte wurde die Mähr der deutschen Opfer von zahlreichen Vertriebenenverbänden gepflegt und seit dem Ende der DDR sind eine Vielzahl rechter Siedlungsprojekte entstanden. Das prominenteste Beispiel ist das 1993 vom Rechtsterroristen Manfred Roeder gegründet „Deutsch-Russische
Gemeinschaftswerk“.