„Mandi-Comic“ gegen Schwarz-Rot-Geil

Der Verfassungsschutz NRW hat 2005 den ersten von insgesamt drei Comics unter dem Titel „Andi“ herausgegeben. In den Comics wird die heile Welt von Andi und seinen Freund_innen durch „Rechtsextremisten“, „Islamisten“ und im dritten Comic durch „Linksextremisten“ bedroht. Am Ende siegt aber stets die Freundschaft der Hauptpersonen gegen die Extremisten. Die antifaschistische gruppe 5 aus Marburg hat anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2010 einen Comic mit dem Titel „Mandi“ herausgebracht.„Mandi“ ist eine Antwort auf die „Andi-Comics“ des VSes.
Weitere Infos: http://mandi.blogsport.de

Bündnis-Demonstration „Solidarität mit Claudiu C. und allen anderen Betroffenen rechter Gewalt!“ in Kiel am 2. Juli

Am Dienstag, 6. Juli 2010 wird vor dem Amtsgericht Kiel ein Prozess gegen den Kieler Neonazi Christopher R. stattfinden. Hintergrund ist der brutale Angriff von R. auf den Tänzer des Kieler Opernhaus Claudiu C., der sich am 18. April des vergangenen Jahres aus einer Gruppe von 30 Neonazis heraus ereignete, nachdem diese Dank hundertfacher antifaschistischer Gegenwehr erfolglos versucht hatten, sowohl Kundgebungen in der Stadt durchzuführen, als auch einen Infostand des Runden Tischs gegen Rassismus und Faschismus Kiel anzugreifen.
Der Übergriff auf Claudiu C. stellt einen der heftigsten Angriffe in einer seit Längerem andauernden Reihe faschistischer Gewalt in Kiel dar, deren jüngste Beispiele die erneuten Angriffe auf das Wohnprojekt Dampfziegelei und den Buchladen Zapata am 9. Mai sind. Claudiu C. wurde am 18. April 2009 lebensgefährlich verletzt und ist infolge des Angriffes als Tänzer dauerhaft arbeitsunfähig und auf einem Ohr taub.
Anlässlich des bevorstehenden Prozesses gegen den langjährigen Naziaktivisten Christopher R. hat sich ein breites Bündnis zusammengefunden, das einmal mehr das Problem faschistischer Gewalt und anderer Naziaktivitäten in Kiel in die Öffentlichkeit tragen wird, um das polizeilich verordnete und durch die lokalen Medien weitestgehend durchgesetzte Schweigen hierzu in großen Teilen der städtischen Öffentlichkeit weiter auszuhöhlen.
Alle Antifaschist_innen in Kiel und darüber hinaus sind aufgerufen, sich in Solidarität mit Claudiu C. und allen anderen betroffenen faschistischer Gewalt an der Demonstration zu beteiligen und den Prozess zu begleiten! Darüber hinaus gilt es weiterhin, Verantwortung zu übernehmen und sich gegen die Nazis, ihre andauernden Umtriebe in dieser Stadt und ihre ideologischen Grundlagen des Rassismus, des Antisemitismus und des Nationalismus zu organisieren und gegen diese mit den jeweils zur Verfügung stehenden angemessenen Mitteln aktiv vorzugehen!


Freitag, 2. Juli 2010:

Demonstration: Solidarität mit Claudiu C. und allen anderen Betroffenen rechter Gewalt – Schluss mit der Nazigewalt in Kiel!
16 Uhr, Hauptbahnhof Kiel
Besucht die öffentlich stattfindende Hauptverhandlung am Amtsgericht Kiel, (Deliusstr. 22) am Dienstag, 6. Juli 2010 um 9.00 Uhr (Saal 7). Zeigt antifaschistische Solidarität mit Claudiu C.!

Weitere & aktuelle Infos auf der Seite des Demobündnisses: nonaziskiel.blogsport.de

Militante Antifa-Aktionen im Mai in Kiel

In den vergangenen Wochen sind verschiedene militante Antifa-Aktionen bekannt gemacht worden, die sich gegen Neonazis, aber auch gegen Geschichtsrevisionismus und Militarismus richteten.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai soll der Wagen des Kieler NPD-Ratsherrn Herman Gutsche besprüht und dessen Reifen zerstochen worden sein. Diese Information beruht bisher einzig auf bebilderten Darstellungen durch Kieler Neonazis im Internet, eine öffentliche Erklärung von Aktivist_innen blieb bisher aus. Ein Zusammenhang mit den verschiedenen lokalen Neonazi-Aktivitäten am Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus in diesem Jahr kann deshalb nur gemutmaßt werden.
In der Nacht vom 10. auf den 11. wurde das „Ehrenmal für die gefallenen Soldaten beider Weltkriege“ auf dem Kieler Nordfriedhof mit roter Farbe begossen, welches am Wochenende zuvor von Kieler Neonazis anlässlich des Tages der Befreiung geputzt worden war. In einer u.a. im Internet veröffentlichten Erklärung, die mit der Parole „Krieg und Faschismus sind kein Zuckerschlecken!“ endet, begründeteten die Aktivist_innen ihre Aktion damit, in Zeiten der zunehmenden Kriegsbeteiligung der Bundesrepublik Deutschland und der andauernden Bedrohung durch Faschist_innen, sie haben ein Zeichen „gegen den Militarismus und gegen den Kult gefallene Mörder zu achten und zu ehren“ setzen wollen.
In der Nacht vom 12. auf den 13.5.2010 sollen außerdem einem Bericht auf Indymedia Linksunten zufolge in Kiel-Hassee die Fensterscheiben einer Neonazi-Wohnung eingeworfen worden sein. Anlass dieser Aktion seien die jüngsten Neonaziangriffe auf linke/alternative Einrichtungen in Kiel vom 9. Mai gewesen.

Jüdisches Denkmal in Kiel beschmiert

Am 5.Juni machten sich einige Antifaschist_innen auf den Weg ein Denkmal am Schrevenpark zu reinigen, das vor einigen Tagen vermutlich von Nazis mit roter Farbe beschmiert wurde. Das Denkmal erinnert an die Synagoge am Schrevenpark, welche durch die Nazis in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. No­vember 1938 zerstört wurde. Nur das 1989 errichtete Denkmal erinnert noch an sie.

Am Denkmal angekommen stellten die Antifaschist_innen jedoch mit Freude fest, dass das Denkmal schon gereinigt wurde. Es wurde noch ein Schriftzug („JUDAS“) der mit Kreide gemalt wurde entdeckt und entfernt. Wichtig ist es auch in Zukunft Denkmäler und Gedenkstätten im Auge zu behalten um Schändungen vorzubeugen oder zu entfernen.

 

denkmal

Keine Zukunft für Nazis und ihre Propaganda

Unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ wollen Neonazis am 5. Juni 2010 in Hildesheim einen Aufmarsch durchführen und ihr rassistisches und nationalistisches Gedankengut auf die Straße tragen. In den letzten Tagen haben Neonazis in Kiel vermehrt Aufkleber und Plakate für diesen Naziaufmarsch verklebt.

Unter demselben Motto fand schon am 6. Juni 2009 in Pinneberg ein Aufmarsch statt. Mit dem geplanten Aufmarsch in Hildesheim soll daran angeknüpft und versucht werden, einen weiteren jährlichen Naziaufmarsch in Norddeutschland zu etablieren. Schon im letzten Jahr haben die Nazis angekündigt, ihren „Tag der deutschen Zukunft“ jährlich in einem anderen norddeutschen Bundesland durchzuführen. Nach Schleswig-Holstein ist nun Niedersachsen an der Reihe. AntifaschistInnen in Niedersachsen mobilisieren unter dem Motto „Keine Zukunft für Nazis! Den Naziaufmarsch in Hildesheim verhindern!“ gegen den Aufmarsch, außerdem gibt es ein Bündnis, welches zu Massenblockaden gegen den Naziaufmarsch aufruft.

 

Zu diesem Naziaufmarsch fand bereits am 23.4.10 eine Infoveranstaltung in Kiel mit dem Anmelder des Aufmarsches, dem langjährigen Naziaktivisten Dieter Riefling, statt. An dieser Veranstaltung nahmen ca. 50 Nazis aus ganz Schleswig-Holstein teil.

 

Die Plakate und Aufkleber sind vor allem im Kieler Norden in den Stadtteilen Wik und Holtenau und in den Stadtteilen Hassee/Russee aufgetaucht, ihre Lebensdauer ist allerdings offensichtlich begrenzt, da viele schon wieder abgekratzt wurden. Außerdem berichten AnwohnerInnen in diesen Stadtteilen immer wieder von faschistischen Schmiereien in Form von Hakenkreuzen und „Anti-Antifa“ Parolen an den Wänden.

 

lets fetz

 

Einfach mal freies Radio hören…!

Wir empfehlen einen Besuch bei unseren Freundinnen und Freunden von der LPG(A) Löwenzahn, der Radiosendung aus, für und gegen Schleswig-Holstein beim FSK Hamburg.
Es gibt Beiträge zur Bedeutung des 8. Mai, zur Nazi-Zeitung „Zuerst“ aus Martensrade (bei Kiel), und aus aktuellem Anlass Interviews mit den von Nazis angegriffenen Projekten Dampfziegelei und Buchladen Zapata.
Reinhören lohnt sich!

Wieder Naziangriffe auf linke und alternative Projekte in Kiel

Erneut wurden der linke Buchladen Zapata und das Wohnprojekt Dampfziegelei in der Wik in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai Ziele von faschistischen Angriffen. Die Dampfziegelei wurde mit sechs Steinen beworfen, die in zwei Zimmern, darunter ein Kinderzimmer, eines der Häuser landeten, beim Buchladen Zapata wurden drei Scheiben mit Steinen eingeworfen. Die Taten ergeigneten sich zwischen 23 und 24 Uhr.


Die erneuten Angriffe auf linke und alternative Projekte müssen im Zusammenhang mit den verschiedenen Aktivitäten Kieler Neonazis am Wochenende um den 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus gesehen werden. 

 

Wir schicken den Bewohner_innen der Dampfziegelei und den Betreiber_innen des Buchladen Zapata solidarische Grüße und wünschen ihnen viel Kraft und Mut! Wir rufen alle Antifaschist_innen dazu auf, sich solidarisch mit den betroffenen Projekten zu zeigen und sich auf ihren Ebenen den Naziaktivitäten in dieser Stadt verstärkt entgegegn zu stellen!

 

 

Wir dokumentieren die Pressemitteilungen vom Buchladen Zapata und der Dampfziegelei.


Kiel 09.05.2010: Der Buchladen Zapata wurde erneut Ziel eines nächtlichen Angriffs
Pressemitteilung des Buchladen Zapata


Noch nicht einmal sind alle Schäden des letzten Angriffs vom 18.02.2010 beseitigt, da fliegen weitere Steine in die Schaufensterscheiben im Jungfernstieg.

Am Abend des 09.05.2010 gegen 23 Uhr 30 durchbrachen drei große Steine, geworfen von drei Personen, die Scheiben. Die Gewalt des Wurfs zerbrach nicht nur Glas, sondern diesmal wurden auch Bücher und Lampen im Laden zerstört. Im Unterschied zum letzten Mal wurden die Täter von mehreren Personen gesehen, als sie sich schnell entfernten und in einem Auto wegfuhren, dessen Kennzeichen von einem der Zeugen erkannt und der Polizei mitgeteilt wurde. Gerüchten zufolge ist ein Wagen mit diesem Kennzeichen polizeilich bekannt als Fahrzeug aus der Nazi-Szene.
Nicht ganz zufällig am Tag nach dem Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 08.05.1945 geht eine neue Welle der Gewalt von der braunen Szene in Kiel aus. Auch im Wohnprojekt am Timmerberg richtete die Zerstörungswut der Nazis große Schäden an, wie im Buchladen größere, als es bisher jemals der Fall war. Die Entwicklung zeigt, dass sich die Nazis immer sicherer fühlen und mit immer stärkerem Gewaltpotential vorgehen: selbst vor Schüssen mit scharfer Waffe schreckten sie nicht zurück, als sie im Januar die Alte Meierei angriffen. Doch dieses Mal wiegten sie sich zu sehr in Sicherheit: die relativ frühe Uhrzeit, die Zeugen, die sofort die Polizei riefen, und der bekannte Wagen lassen schließen, dass sie nicht ungeschoren davonkommen werden.
Eine Einstellung der Ermittlungen kann sich die Staatsanwaltschaft in diesem Fall nicht leisten.
Die Häufung derartiger Vorkommnisse, die immer kürzeren Abstände dazwischen und das ansteigende Gewaltpotential sind Zeichen einer Entwicklung, der mehr als dringend und mit vereinten Kräften entgegengetreten werden muss. Nazis und ihre menschenverachtende „Weltanschauung“ haben in dieser Gesellschaft nichts zu suchen!
Kiel, 09.05.2010 (us)

 


Pressemitteilung des genossenschaftlichen Wohnprojekts Dampfziegelei eG zu den Vorfällen am 8. Mai und  in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2010

Pressemitteilung des Wohnprojekts Dampfziegelei


      Mehrere Steinwürfe auf Wohnprojekt am 9. Mai 2010 (Ziele: ein Kinderzimmer und eine Wohnküche)

       – Missglückte Nazikundgebung am 8. Mai 2010 

  – – – Neonaziprovokation am Timmerberg ebenfalls am 8. Mai 2010

 

Am 9. Mai 2010 gegen 23 Uhr wurden  mehrere Scheiben im Erdgeschoss eines der drei Wohnhäuser des Wohnprojektes Dampfziegelei  in Kiel-Wik eingeworfen. Die Bewohner der Wohnungen hörten das Klirren der Scheiben und liefen vor das Haus, um nach zu sehen, was passiert war.  Auch andere Bewohner der Dampfziegelei und Nachbarn haben das Klirren der Scheiben und wegrennende Personen gehört.

 

Drei Steine wurden in das Fenster eines Kinderzimmers geworfen, in dem ein vierjähriges Mädchen schlief. Ebenfalls drei Steine flogen in die hellerleuchteten Scheiben einer Wohnküche. Es kam glücklicherweise zu keinen Verletzungen. Die benachrichtigte Polizei traf ca. 10-15 Minuten später ein und nahm einige der geworfenen Steine mit. Es wurde Strafanzeige gestellt. In der gleichen Nacht wurden auch die Scheiben des Buchladens Zapata eingeworfen.

 

Diesen Vorfällen voraus ging  am Samstagmorgen eine antifaschistische Kundgebung, um an den 65. Jahrestag der Befreiung von der Herrschaft des deutschen Faschismus zu erinnern. Zeitgleich versammelten sich 15-17  Neonazis am Kieler Hauptbahnhof zu einer Kundgebung, die von ca. 60 Gegendemonstranten lautstark gestört wurde. Die Veranstaltung wurde gegen 12.30 Uhr abgebrochen.

Nachdem die Neonazis von der Polizei aus der Innenstadt geleitet wurden, zogen sie noch zum Holsteinstadion, durch die Wik und Holtenau, klebten Aufkleber mit rechtem Gedankengut und versuchten Auseinandersetzungen zu provozieren.

Am späten Samstagnachmittag zwischen 16 und 17 Uhr zog eine Gruppe von ca. 15 schwarzgekleidete Neonazis an den Häusern der  Dampfziegelei  vorbei. Erst  gingen sie still an den Häusern und an einem (im Garten arbeitenden) Bewohner vorüber. Kurz darauf fingen sie jedoch an nationalistische Kampflieder zu singen. Dies wurde als direkte Provokation empfunden. Die Gruppe ging weiter und fiel anderen Bewohnern & Nachbarn in einem Café eines nahegelegenen Einkaufszentrums auf. Es wurde die Polizei verständigt.

 

Die Steinwürfe auf die Dampfziegelei waren bereits der dritte Angriff dieser Art innerhalb der letzten zwei Jahre. Die Bewohner sehen die Vorfälle im direkten Zusammenhang mit wachsenden Übergriffen und Provokationen durch Neonazis im Raum Kiel. Neben der Dampfziegelei und dem Buchladen Zapata waren in jüngster Vergangenheit u.a. auch das Wohn- und Kulturprojekt Hansastraße 48, die Alte Meierei, die Arbeitsloseninitiative in der Iltisstraße, das Kommunikationszentrum in der Schweffelstraße und Einzelpersonen betroffen. Dabei kam es neben zerschlagenen Scheiben auch zu schweren Körperverletzungen und Schüssen auf ein erleuchtetes Fenster.

 

Auffallend ist, dass der Polizei zwar nach eigenen Aussagen der Täterkreis gut bekannt ist, die Ermittlungen aber bislang keinen Erfolg hatten.

 

Kiel, 09.05.2010 (us)


>> Pressespiegel auf www.altemeierei.de

Redebeitrag von marlenehatesgermany zum Tag der Befreiung, Antifa-Kundgebung Kiel 8.5.2010

Heute, am 8. Mai, erinnern wir dem Ende des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen. Mit dem militärischen Sieg gelang es den alliierten Armeen die deutsche Barbarei zu beendigen. Bei kaum einem anderen Datum, wie bei diesem, wird so viel um die geschichtspolitische Bedeutung gerungen. Dabei bewegt sich der Diskurs in erster Linie zwischen dem Begriff der „Befreiung“ und dem der „Niederlage“.

 

Mindestens seit der Rede des Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker ist der Begriff der „Befreiung“ ein weit in das bürgerliche Lager geläufiges Diktum, welches im Allgemeinen zwei Bedeutungsebenen erschließt: Zum einen wird damit keinesfalls der 8. Mai als „Tag der deutschen Niederlage“ bzw. als „nationaler Trauertag“ abgelöst, sondern die militärische Niederlage Nazideutschlands wird mit der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten und dem Beginn der kommunistischen Diktatur(en) in Osteuropa gleichgesetzt. Zum anderen wird eine allgemeine Kollektivschuld der Deutschen abgewehrt, indem man zwischen den eigentlichen Täter_innen des Nationalsozialismus – den Nazis und ihrer Helfer_innen – auf der einen Seite und den vermeintlich unschuldigen Deutschen auf der anderen unterscheidet. Diese Deutung des 8. Mai passt in eine Geschichtsideologie, die nur zu gerne Täter_innen-Opfer-Konstellationen einebnet und die Geschichte zu einem allgemeinen Standortvorteil macht.

 

Nicht erst seit Jörg Friedrichs „Der Brand“ und den ZDF-Historienschnulzen „Dresden“ und „Die Gustloff“ ist die Debatte um deutsche Opfer im Zweiten Weltkrieg beinahe allgegenwärtig. Seit den 1950er Jahren findet das statt, was Ralph Giordano „die Verwandlung der Opfer deutscher Aggression in Schuldner der Geschichte und der Angehörigen der Täternation in ihre Gläubiger“ nennt. Nicht die Verbrechen während des deutschen Vernichtungskriegs und der Shoah stehen im Mittelpunkt der bundesrepublikanischen Nachkriegsdiskurse, sondern die Aufzählung eigener Verluste, die oft in einer Art Multiplikationswettkampf verdoppelt oder verdreifacht wurden. Erst mit dem Generationenwechsel fand auch der historische Rahmen eine Erwähnung. Dabei ist jedoch immer das gleiche Muster einer Geschichtsklitterung zu beobachten: Die Kausalzusammenhänge werden ausgeklammert. Die Bombardierung deutscher Städte und der Notwendigkeit einer deutschen Niederlage werden nicht im Hintergrund der Organisation der Deutschen in einer bedingungslos-treuen Volksgemeinschaft und dem unbedingten Vernichtungswillen der selbigen gegenüber den europäischen Jüdinnen und Juden gesehen. Die deutsche Geschichte von 1933-1945 wird so zu einer Abfolge von Geschichten bzw. „Geschichtchen“, in denen die JH-Flakhelferin zur Zeitzeugin verharmlost wird und bei Guido Knopp eine Filmsequenz vor der Shoah-Überlebenden ihre „Erlebnisse“ berichten darf. Die Gewalt wird so ahistorisch und kontextunabhängig. Es wird suggeriert, dass es keinen Unterschied zwischen deutschen Opfern und den Opfern der Deutschen geben würde. Damit einhergehend wird die Shoah und der Zweite Weltkrieg nicht etwa zu einem Spezifikum deutscher Geschichte erklärt, sondern es findet eine Veräußerung eigener Schuld statt, eine Europäisierung der Verbrechen

 

Geschichtsbilder haben immer etwas konstitutives, nicht erst in ihrer kulturindustriellen Verarbeitung entfalten sie ihre legitimierende Wirkung für das Gegenwärtige. Die Erwähnung nazistischer Verbrechen in öffentlichen Gedenkfeiern muss so immer als Pendant für die scheinbare „geläuterte, bessere Nation“ nach 1945 herhalten und so die vermeintlich moralische Überlegenheit der postnazistischen Gesellschaft sichern. Daraus ergibt sich, dass der 8.Mai schon längst zu einem „Nationalfeiertag“ der Deutschen verkommen ist. In der Forderung einer Begehung desselben als „Tag der Befreiung“ geht die Linke folglich gegen Positionen vor, die es in dieser Form nicht mehr gibt. Sie geht sogar von dem vollkommenen Irrsinn aus, dass es in Deutschland überhaupt etwas zu Feiern gäbe, außer das endgültige Aus für diese Nation. Ein solches fand jedoch am 8.Mai 1945 nicht statt, sondern war zusammen mit der alliierten Reeducation der Ausgangspunkt für alle neuen Weltmachtbestrebungen. So wurde aus der „Niederlage“ eine „Befreiung“ für die Angehörigen der Täter_innennation.

 

Jedoch ist der 8. Mai auch ein Tag der Befreiung! Und zwar für die Insassen der Konzentrationslager und Gefängnisse, für die Widerständigen in ganz Europa, für die unter der deutschen Okkupation Leidenden und nicht zuletzt für die Kämpfer_innen der alliierten Armeen und die Partisan_innen. Eine deutsche Befreiung gab es an diesem Tag nicht. Deutschland wurde militärisch zerschlagen – und das ist auch gut so. Doch führt uns diese Ambivalenz dazu, statt für ein Feiern des 8. Mais als „Tag der Befreiung“ einzutreten Adornos kategorischen Imperativ, alles Denken und Handel so einzurichten, dass sich Auschwitz nicht wiederhole, ernstzunehmen. Dies bedeutet, die deutsche Geschichte als Denkmal zu nehmen für Barbarei und den Zivilisationsbruch Auschwitz. Sich von dieser Geschichte zu „befreien“ wäre ein erster Schritt zurück in diese Geschichte.

Für den Kommunismus!

marlenehatesgermany, 8.Mai 2010

Antifa-Kundgebung und erfolgreiche Aktionen gegen Neonazis am Tag der Befreiung in Kiel

Am 08.05.2010 jährte sich der Tag der Befreiung von der Herrschaft des deutschen Faschismus durch die Kämpfer_innen der Anti-Hitler-Koalition zum 65. Mal. Anlässlich dieses Ereignisses waren heute zwischen 10 und 14 Uhr über 150 Antifaschist_innen in der Kieler Innenstadt auf der Straße aktiv. Neben der antifaschistischen Kundgebung „Feiern. Gedenken. Antifaschistisch kämpfen.“ auf dem Asmus Bremer-Platz, zu der die Autonome Antifa-Koordination Kiel aufgerufen hatte, fand auf dem Bahnhofsvorplatz eine geschichtsverdrehende Kundgebung von Neonazis statt, für die kurzfristig zu Gegenaktivitäten mobilisiert wurde.

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Bereits vor 11 Uhr versammelten sich etwa 50 Antifaschist_innen auf dem Asmus-Bremer-Platz, wo die antifaschistische Kundgebung pünktlich begann. Zeitgleich hatten sich bereits 50 weitere Antifaschist_innen auf dem Bahnhofsvorplatz eingefunden, um die Neonazis dort mit Gegenprotest zu empfangen. Um 11 Uhr postierten sich schließlich 17 Neonazis an einer Bahnhofsmauer, darunter auch der NPD-Landesvorsitzende Jens Lütke. Umzingelt und isoliert von mittlerweile etwa 100 Antifaschist_innen, gingen ihre geschichtsrevisionistischen Hetzreden in lautstarken Unmutsbekundungen, Sprechchören und Megaphondurchsagen unter. Um 12 Uhr beendeten die Neonazis ihre Kundgebung, ohne auch nur einen Menschen erreicht zu haben.
Die Antifa-Kundgebung wurde parallel zu den Aktionen gegen die Neonazis aufrecht erhalten, das inhaltliche Programm begann jedoch erst gegen 12.30 Uhr, nachdem die Gegenprotestler_innen vom Bahnhof geschlossen mit einer lautstarken Spontandemo zum Asmus-Bremer-Platz gezogen waren und hier eintrafen. In verschiedenen Redebeiträgen wurde immer wieder die Bedeutung des 8. Mais 1945 als Tag der Befreiung für alle, die nicht dem nationalsozialistischen Weltbild entsprachen oder sich widersetzten, hervorgehoben und an die millionenfachen Opfer des Naziterrors erinnert. Zudem wurde mehrfach kritisiert, dass sich die gesellschaftlichen Bedingungen, die den Nationalsozialismus möglich machten, sich im Nachkriegsdeutschland nicht grundlegend verändert haben und es von daher im Hier und Jetzt nötig ist, offenen Neonazismus zu bekämpfen und für die gesellschaftliche Emanzipation von jeder Form der Ausbeutung und Unterdrückung einzutreten. Desweiteren wurden die unterschiedlichen Kräfte, die an der Zerschlagung Nazideutschlands beteiligt waren, mit verschiedenen historischen Liedern des antifaschistischen Widerstands gewürdigt und ihrer Opfer gedacht. Um 13.30 Uhr endete die Kundgebung.
Die Neonazis versuchten zudem noch kurzfristig am Holstein-Stadion Flugblätter zu verteilen, entfernten sich aber zügig, nachdem etwa 30 Holstein Kiel-Fans spontan ihren Spielbesuch unterbrachen, um ihnen ihre Unerwünschtheit zu demonstrieren.
Unterm Strich ist der heutige Tag aus antifaschistischer Perspektive als erfolgreich zu bewerten. Mit der Kundgebung konnte in der Kieler Innenstadt der Tag der Befreiung würdig begangen werden. Die Nazi-Veranstaltung war von außen nicht wahrnehmbar, was dem gesteckten Tagesziel entsprach.
Nachmittags fanden auf dem Eichhoffriedhof außerdem eine antifaschistische Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus und ein Workshoptag zur Bedeutung des 8. Mai in der „Hansastr. 48“ statt.
Redebeiträge
>> Autonome Antifa-Koordination Kiel
>> Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
>> marlenehatesgermany Kiel
>> Avanti – Projekt undogmatische Linke Kiel

>> Aufruf

>> Vorab-Radiointerview mit LPG(A)Löwenzahn (FSK Hamburg)
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Redebeitrag zum Tag der Befreiung, Antifa-Kundgebung in Kiel am 8.5.2010

Liebe Kieler und Kielerinnen,
liebe Antifaschisten und Antifaschistinnen!
Wir haben uns hier heute in der Kieler Innenstadt versammelt, um an eines der zentralsten Ereignisse der Zeitgeschichte zu erinnern: Denn vor genau 65 Jahren, am 8. Mai 1945 kapitulierte das nationalsozialistische Deutsche Reich bedingungslos vor den Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Deutschland war endlich von den Truppen der Anti-Hitler-Koalition eingenommen, nachdem dem deutschen Vernichtungskrieg in ganz Europa und dem industriellen Massenmord in den Konzentrationslagern der Nazis Abermillionen Menschen zum Opfer gefallen waren. Die Herrschaft des Nationalsozialismus war am 8. Mai 1945 nach 12 Jahren des Terrors gegen Juden und Jüdinnen, die Bevölkerung Osteuropas, politische GegnerInnen, insbesondere KommunistInnen und SozialdemokratInnen, Sinti und Roma, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“ und alle anderen, die nicht dem nationalsozialistischen Weltbild entsprachen oder sich widersetzten, zerschlagen. Der 8. Mai 1945 war für alle Menschen, die noch von der Mord- und Unterdrückungsmaschinerie Nazideutschlands bedroht waren und für alle, die in Gegnerschaft zu ihr standen, ein Tag der Befreiung. Wie viele Menschen weltweit sagen auch wir heute, am 65. Jahrestag der Befreiung: Spasibo – Thank you – Merci – Danke und verneigen uns respektvoll vor den KämpferInnen der Anti-Hitler-Streitkräfte, den antifaschistischen PartisanInnen, den Aufständischen im Warschauer Ghetto, dem Häftlingswiderstand in den Konzentrationslagern, den UntergrundaktivistInnen der antifaschistischen Minderheit in Nazideutschland und allen anderen, die mit vereinten Kräften die deutsche Kapitulation herbeigeführt haben. Doch war diese mindeste Geste, die wir für Selbstverständlich halten, der bloße Dank gegenüber den Befreiern oder gar das Ziehen der naheliegenden politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen aus dem deutschen Massenmord infolge des 8. Mai 1945 eine Selbstverständlichkeit im Nachkriegs-Deutschland? Mitnichten! Und erst recht nicht in Schleswig-Holstein. Ein Blick in die Geschichte der postfaschistischen BRD und insbesondere ihres nördlichsten Bundeslandes verdeutlicht dies.

 

Schleswig-Holstein wurde Anfang Mai als eine der letzten verbliebenen Bastionen Nazideutschlands von britischen Truppen befreit. Lübeck erreichten diese am 2. Mai, der kriegswichtige Marinestandort Kiel folgte zwei Tage später kampflos. Mit der Kapitulation am 8. Mai war der NS-Mustergau Schleswig Holstein, wo die NSDAP schon überdurchschnittlich früh überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse erreichte, nahezu unter alliierter Kontrolle – mit Ausnahme Flensburg-Mürwiks, wo sich die nationalsozialistische Regierung Dönitzs noch zwei Wochen verschanzt hielt.
Mit ihr, darunter auch der Hauptorganisator der Shoa Heinrich Himmler, kamen in den letzten Kriegswochen zahlreiche Nazigrößen und Karrieristen in den Norden. Sie ließen sich, teils unter neuer Identität, nieder oder versuchten, von hier aus ihre Flucht zu organisieren. Ebenso siedelten gegen und nach Ende des Krieges über eine Million Flüchtlinge aus den ehemals zu Deutschland gehörenden und heutigen polnischen und russischen Gebieten in Osteuropa nach Schleswig-Holstein über. Teils um den Vergeltungsmaßnahmen der Roten Armee zu entgehen, teils weil es die infolge des Krieges veränderten Grenzverläufe erforderten.
Mit dem 8. Mai war zwar auch in Schleswig-Holstein die politische Herrschaft der NSDAP und ihres Staates vorüber, dennoch sollte sich die brisante Mischung aus hier sesshaft gewordenen Eliten Nazideutschlands, zum Revanchismus und Geschichtsrevisionismus neigenden Umgesiedelten und der Bevölkerung der langjährigen Nazihochburg auch nach 1945 nachhaltig auf die politische Kultur zwischen Nord- und Ostsee auswirken. Dass diese alles andere als durch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der uneingeschränkten deutschen Schuld an Massenmord und Krieg geprägt sein sollte, zeigte sich an vielerlei Beispielen: Nicht nur im Landtagswahlergebnis 1950, bei dem der NS-relativierende „Block der Heimatvertiebenen und Entrechteten“23,4% der Stimmen erlangte – dieser ging übrigens später in der CDU auf! – oder in der Tatsache, dass die sodann gebildete Landesregierung fast ausschließlich aus ehemaligen NSDAP-Mitgliedern bestand; sondern auch darin, dass Massenmörder wie der Leiter des NS-Euthanasieprogramms Werner Heyde gedeckelt von der schleswig-holsteinischen Elite unter dem Phantasienamen Sawade weiter Karriere als Arzt machen konnten, während die Opfer des Naziterrors vielfach vergeblich um ihre Entschädigungsansprüche kämpfen mussten. Dass alte Nazifunktionäre auch in der postfaschistischen BRD wieder in den Spitzenpositionen saßen, war keine schleswig-holsteinische Besonderheit. Wie offen und unwidersprochen dies geschah, dagegen schon. Unter solchen Voraussetzungen verwundert es wenig, dass eine Auseinandersetzung mit der eigenen Nazivergangenheit auf der offiziellen Ebene, insbesondere im konservativen Lager, bis in die 1980er nicht stattfand. Bis dahin übte man sich in entsprechenden Kreisen darin, die Schuld der Deutschen zu relativieren und maximal auf eine kleine verbrecherische Naziclique zu reduzieren und das vermeintliche Leid so bezeichneter „deutscher Opfer“ zu betrauern. Als Lehre aus dem NS wurde vielerorts ausgerechnet die unbedingte Verfassungstreue und – ganz im Sinne der Demagogie des Kalten Krieges und seiner Totalitarismustheorie – das Weiterkultivieren des nationalsozialistischen Antikommunismus in Form der ideologischen und damit undifferenzierten Hetze gegen die realsozialistischen Staaten des Ostblocks und alles Linke verstanden. Die Absurdität dieser Schlussfolgerung verdeutlichte sich in der Tatsache, dass ehemalige antifaschistische Verfolgte, vor allem KommunistInnen, nur wenige Jahre nach Ende der Naziherrschaft insbesondere im Zuge des KPD-Verbots 1956 wieder von massiver staatlicher Repression betroffen waren; nicht selten durchgeführt von den zahlreichen im Amt gebliebenen ehemaligen Nazirichtern. Der 8. Mai 1945 wurde dagegen in weiten Teilen des politischen Mainstreams, gerade auch in Schleswig-Holstein, noch lange als „Niederlage“ oder „Katastrophe“ bewertet. In diesem Sinne bekämpfte die etablierte Politik noch Anfang der 1980er offen antifaschistische Geschichtsinitiativen, die endlich mit der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein begannen. Hört man sich die gegenwärtigen Verlautbarungen von offizieller Seite an, fällt auf, dass sich das Vokabular des herrschenden Diskurses zum 8. Mai ohne Zweifel gewandelt hat. Spätestens mit der Rückkehr Deutschlands auf die Bühne internationaler Großmächte nach der Wiedervereinigung setze sich diese Tendenz durch. Auch an der schleswig-holsteinischen Provinz ist dies nicht vorbei gegangen. Die Kriegsschuld der Deutschen, die Singularität der Shoa und die Verwicklung überwiegender Teile der deutschen Bevölkerung in die NS-Mordmaschine sind im Gegensatz zu konservativen Verlautbarungen aus den 1980ern zumindest als Worthülsen weitestgehend im politischen Mainstream anerkannt. Paradoxerweise erfüllen sie damit aber zugleich den Zweck, sich nicht den logischen Konsequenzen aus diesen unumstritten richtigen Erkenntnissen zu stellen. Man gibt sich im wiedererstarkten Deutschland 2010 als selbsternannte „geläuterte Nation“, die aus ihrer Vergangenheit gelernt habe und gerade deshalb eine besondere Verantwortung in der Welt trage: Der rot-grüne Angriffskrieg der Bundeswehr auf Jugoslawien, mit dem 1999 erstmals seit 1945 deutsche Machtinteressen auf dem Balkan durchgebombt wurden, wie auch die darauf folgenden deutschen Kriegseinsätze, wurden mit der Begründung nicht trotz, sondern wegen Auschwitz, propagandistisch möglich. Und nicht zuletzt sieht sich die möchtegern-geläuterte Bundesrepublik gerade deshalb in der Berechtigung, nun endlich einen Schlussstrich unter seine Nazigeschichte ziehen zu können, wieder Stolz auf den schwarz-rot-gelben Wimpel sein zu dürfen und der angeblich „vergessenen deutschen Opfer“ zu gedenken. Und ganz in diesem Sinne wird erinnerungspolitisch der Fokus dieser Tage vor allem auf die Abrechnung mit der so bezeichneten „zweiten deutschen Diktatur“, womit dann die realsozialistische DDR gemeint sein soll, gelenkt. Dass gerade aktuell verstärkt auch wieder der altbekannte deutsche Antikommunismus in Form der Ideologie des „Antiextremismus“ aufgefrischt zurück auf die Tagesordnung des herrschenden Diskurses geschmissen wird, macht den Akt des Verdrängens der mörderischen deutschen Geschichte durch die Hintertür perfekt. Wir als Antifaschist/-innen sehen keinen Anlass und keine Berechtigung dafür, uns auch nur ansatzweise in den Chor der möchtegern-geläuterten Schlussstrichzieher einzureihen. Die Vernichtung des Faschismus und seiner Wurzeln bleibt unser Ziel! Aus unserem Bezug auf den 8. Mai 1945 leiten wir zentrale Verpflichtungen für das hier und jetzt ab. Die unumstrittene Pflichtübung ist selbstverständlich der unversöhnliche Kampf gegen den offenen Neonazismus. Insofern erinnern wir uns gerne an das vergangene Jahr zurück, als 200 AntifaschistInnen am 8. Mai 2009 genau hier erfolgreich einen geschichtsverdrehenden Propagandastand von einem Häuflein Neonazis erfolgreich zum vorzeitigen Abbruch zwangen.
Eine viel aufwändigere Verpflichtung antifaschistischer Kämpfe allerdings resultiert aus dem Umstand, dass am 8. Mai 1945 zwar die Herrschaftsstrukturen des NS-Staates beseitigt wurden, ein umfassendes gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Grundlagen des Nationalsozialismus, eine breite Auseinandersetzung mit ihnen und die daraus zu ziehenden Konsequenzen, dagegen bis heute ausgeblieben sind.
Auf lokaler Ebene schlägt sich dieses Versäumnis – das sein am Rande erwähnt – nicht zuletzt auch in der unerträglichen Berichterstattung der allseits bekannten Kieler Nachtrichten über besagte Aktion nieder, die – wir zitieren den unglaublichen Originalwortlaut – von einem „Infostand der Rechten“, „auf dem etliche Informationsblätter lagen“ weil „vor 64 Jahren […] am 8. Mai der Zweite Weltkrieg [endete]“, auf den „Mitglieder des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus versuchten, mit Lautsprecherdurchsagen […] aufmerksam zu machen“ (!) (KN-online, 8.5.09)“ schwafelte. Für uns ist unbestreitbar: Es war eben höchstens am Rande die magische „Verführungskraft“ einer mystischen „teuflischen Machtclique“, die den NS möglich machte, sondern in allererster Linie der völkische Antisemitismus, der Rassismus, der chauvinistische Nationalismus, der Hang zum Autoritarismus und Militarismus, der Untertanengeist und der Hass auf gesellschaftliche Befreiung und Gleichheit, die allesamt seit Konstruktion der Nation im 19. Jahrhundert fest in der Identität der Deutschen verankert sind. All diese ideologischen Grundlagen ermöglichten, dass eine deutsche Mehrheitsbevölkerung den Nationalsozialismus trug und seine Beseitigung militärisch von außen durchgesetzt werden musste. Diese Elemente wachsen auch heute noch unvermeidbar in der Mitte der bürgerlich-kapitalistischen BRD-Gesellschaft: Unumgänglich basiert diese wie gehabt auf Unterdrückung und Ausbeutung, die Schuld an diesem unbewusst selbstverschuldeten Elend schreibt sie jedoch, anstatt den irrationalen Verhältnissen, laufend vermeintlich außerhalb der Gesellschaft stehenden Feindbildkonstruktionen zu; seien diese nun „faule Arbeitslose“, „linke ExtremistInnen“ „terroristische Muslime“, „unkontrollierte afrikanische Flüchtlingsströme“ oder „das raffende Kapital von der us-amerikanischen Ostküste“.
Die in kürzester Zeit entwickelbare potentielle Vernichtungskraft bürgerlich-kapitalistischer Gesellschaften gegen diese immer wieder herbeihalluzinierten Feindbilder ist und bleibt, gerade in Zeiten kapitalistischer Krisen wie der gegenwärtigen, eine reelle Bedrohung für die Menschlichkeit. Den 8. Mai zu feiern heißt für uns: Das Gedenken an den millionenfachen Massenmord Nazideutschlands wach halten, den Kampf gegen alle neofaschistischen Strukturen im Hier und Jetzt unnachgiebig fort führen und mit Nachdruck an der emanzipatorischen Überwindung bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse und ihres Vernichtungspotentials arbeiten! Nicht nur am 8. Mai: Feiern – Gedenken – Antifaschistisch kämpfen! Für die Fortführung der Befreiung der Menschheit vom Faschismus mitsamt seiner Wurzeln!