Redebeitrag auf der Kundgebung gegen den Naziaufmarsch am 21.8.10 in Neumünster

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Neumünsteranerinnen und Neumünsteraner!

Als gäbe es keine anderen drängenden Dinge zu erledigen, müssen wir uns heute mal wieder um die Verhinderung eines widerlichen Aufmarschs rassistischer, nationalistischer und antisemitischer Horden kümmern. Als stünde es nicht eigentlich an, in Zeiten krisenhafter Zuspitzungen des kapitalistischen Irrsinns auf gesellschaftlicher wie auf ökologischer Ebene, angesichts mordender Bundeswehrtruppen in Afghanistan und vor Somalia oder des totalen Ausbaus des autoritären bundesrepublikanischen Überwachungsstaats, eine schlagkräftige emanzipatorische Linke zu organisieren, die dem weltweiten Normalzustand von Krieg, Katastrophe, Ausbeutung und Unterdrückung vielleicht doch noch eine schon lange überfällige vernünftige Perspektive entgegen setzen kann.

Nein, wir müssen heute mal wieder wertvolle Zeit dafür opfern, klarzustellen, was jeder halbwegs nachdenkende Mensch nicht erst seit der Zerschlagung Nazideutschlands vor über 65 Jahren wissen sollte: Dass es unter keinen Umständen hinzunehmen ist, wenn verhinderte neonazistische Massenmörder ihre widerliche Ideologie der Ausgrenzung und Vernichtung, ihren irrationalen Kult von Rasse, Volk und Nation auf die Straße tragen wollen. Und wir sind es Leid, uns als Antifaschist/-innen dafür rechtfertigen zu müssen, dass wir das tun, was doch eigentlich von einer deutschen Gesellschaft, die sich anmaßt zu behaupten, den Mord ihrer Großeltern an 60 000 000 Menschen aufgearbeitet zu haben, als das Mindeste zu erwarten wäre: Sich den neuen Nazis in den Weg zu stellen und sie fortzujagen, wo immer sie es wagen, sich blicken zu lassen. Das gilt heute, wo sie niemandem Geringeren als einem der Haupttäter des NS-Terrorstaates, dem Kriegsverbrecher und Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess ihre Ehre erweisen wollen – da hilft auch die lächerliche Verpackung des schon oft verklärten Preußenkönigs Friedrich Zwo nix -, genauso, wie in jeder alltägliche Situation sonst. Eigentlich.

Denn natürlich wird es heute mit hoher Wahrscheinlichkeit so laufen, wie so oft: Eine Minderheit von Antifaschist/-innen wird den Kopf hinhalten und Prügel durch den Polizeiknüppel riskieren, während eine übergroße Mehrheit den geschichtsrevisionistischen und ns-verherrlichenden Nazi-Aufmarsch ignorieren oder sich maximal über die unnötigen Verkehrsbehinderungen beklagen wird. Nachträglich werden dann zahlreiche Stimmen zu hören sein, die – je nachdem wie der Tag verlaufen ist -, wahlweise erleichtert sind, dass die Polizei alles im Griff hatte und alles ruhig geblieben ist oder aber welche, die schockiert feststellen, dass angeblich mal wieder ein neues Maß an so bezeichneter extremistischer Gewalt Neumünster überzogen habe, gegen das sich der arme Bürger und die leidtragende Polizei endlich zu wehren habe. Die eigentlich einzig relevante Frage hierzu, nämlich ob und unter welchen Umständen der Naziaufmarsch stattfinden konnte, wird in den Hintergrund rücken und durch die Frage nach unpolitischer Ruhe und Ordnung verdrängt.
Dazu wollen wir an dieser Stelle nochmals klarstellen: Nein, es ist nicht unser Ziel, dass alles möglichst ruhig bleibt wenn Dutzende oder gar Hunderte Nazis durch die Stadt ziehen – unser Ziel ist es, diesen wie jeden anderen widerlichen Naziaufmarsch unmöglich zu machen! Und ja, wir sehen den Einsatz aller dafür nötigen Mittel als legitim an!

Und genauso wie uns die Ignoranz und Selbstgefälligkeit der Ruhe- und Ordnungs-Fanatiker/-innen ankotzt, ist uns natürlich klar, welches Denkmuster es ist, das in ihren Köpfen wirkt: Wenn allerorts, von etablierter Politik bis in jedes noch so provinzielle Käseblatt, versucht wird, sich mit etwas, das sich „Extremismustheorie“ schimpft und gerne ein wissenschaftlicher Ansatz wäre, versucht wird, jegliches politisch-soziale Konfliktpotential zu erklären, ist es wenig verwunderlich, wenn Antifaschist/-innen gleichsam wie Nazis nur noch als Störenfriede der vorgeblich heilen bürgerlichen Welt gelten und ihr völlig gegensätzlicher politische Hintergrund ausgelöscht wird. Das Märchen vom Extremismus – übrigens entwickelt vom Verfassungsschutz – will uns mit seiner Logik auf Stammtischniveau nämlich weismachen, dass alles, von dem sich die selbsternannten bürgerliche Mitte gerade so bedroht fühlt, das selbe sei und schmeißt fröhlich ein buntes Potpouri von noch so unterschiedlichen Ideen in einen Extremismustopf, ganz egal wie grundverschieden das jeweilige politische Programm und seine Begründung bei Nazis, islamischen Fundamentalist/-innen oder halt Linken bekanntermaßen aussieht. Was dabei rauskommt, sind – abgesehen von der Undenkbarmachung jeglicher gesellschaftlicher Gegenentwürfe zum Bestehenden – z.B. Verbote antifaschistischer Gegendemos wie vor einer Woche in Bad Nenndorf und damit nicht zuletzt die Rehabilitierung nationalsozialistischer Ideologie als ein normaler politischer Ansatz unter vielen.

Und hier schließt sich der Kreis: Auch wenn vielen von uns der ständige Zwang, sich mit irgendwelchen Nazis herumschlagen zu müssen auf die die Nerven gehen mag, bleibt dies doch eine unverzichtbare politische Notwendigkeit – gerade weil das kleingeistige Niveau des Nazi- Weltbildes unterm Strich leider doch deutlich mehr Anschlusspunkte an die Logik einer derzeitigen Mehrheitsgesellschaft bietet, die sich willig an intellektuellen Tiefstleistungen wie der herrschaftssichernden Extremismustheorie orientiert. Umso mehr gilt dies bekanntlich in Krisenzeiten, in denen die bürgerliche Ruhe und Ordnung ob der unvermeidlich aufklaffenden vielseitigen sozialen Widersprüche höchstens noch auf dem Papier existieren kann und der Ruf nach emanzipationsfeindlichen Scheinlösungen absehbar ist. Unser Auftrag bleibt es daher, den Nazis samt ihrer menschenverachtenden Ideologie ihre Handlungsräume größtmöglich einzuschränken und dafür zu sorgen, dass „Nie wieder!“ auch „Nie wieder!“ bleibt. Das sind wir nicht nur unserem Verstand, sondern vor allem auch den Millionen Menschen schuldig, die damals wie heute Opfer der faschistischen Barbarei wurden und werden.

Es bleibt dabei: Nazis bekämpfen ist wie Müll raustragen – nervig, aber irgendwer muss es ja tun.
Und jetzt: Alle gemeinsam den Naziaufmarsch verhindern!

Neumünster: Situation vor dem Naziaufmarsch

Neonazis der NPD und aus dem Spektrum der „autonomen Nationalisten“ haben für Samstag den 21. August 2010 einen „Gedenkmarsch“ anlässlich des Todestags Friedrich des Großen in Neumünster angekündigt. Antifaschistische Gruppen aus Schleswig-Holstein gehen von einem Vorwand der Neonazis aus, unter diesem Deckmantel dem Hitler-Stellvertreter und Kriegsverbrecher Rudolf Hess ehren zu wollen – die Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch läuft auf Hochtouren. Ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand.
Der Auftaktort der Neonazis wurde vom Kleinflecken auf den Parkplatz zwischen Schleusberg und Wasbeker Straße verlegt, laut Ordnungamt aus Sicherheitsgründen, weil auf dem Kleinflecken aufgrund einer Baustelle, an der „zu viele Wurfgeschosse “ herumlägen. Angemeldet wurde die Neonazi-Demonstration von zwei Lübeckern, deren Namen allerdings im Moment nicht bekannt sind. Die Neonazis erwarten 150 Teilnehmer_innen und bewerben nach wie vor den Bahnhof um 11 Uhr als Sammelpunkt. Die Kundgebung in der Nähe des Kleinflecken soll um 11.15 Uhr beginnen, so dass davon auszugehen ist, dass einige Nazigruppen mit dem Zug nach Neumünster reisen wollen. Darauf stellt sich offensichtlich auch das Ordnungsamt und die Polizei ein. In einem Artikel im Holsteinischen Courier vom 18.8. heißt es bezüglich der um 9 Uhr am Bahnhof startenden antifaschistischen Gegenkundgebung: „Auflage für die Gegendemonstranten ist daher, dass der Busbahnhof und die Zugänge zum Bahnhof frei bleiben müssen“.
Die Neonazis wollen vom Kleinflecken aus über die Bahnhofstr. – Linienstraße – Wippendorfstraße – Goebenstraße – Roonstraße – Log In – Wasbeker Straße – Hansaring – Schleusberg zurück zum Kleinflecken marschieren. Die Route führt am Anfang in der Nähe des Bahnhofs und der AJZ vorbei und liegt dann zu einem großen Teil in Faldera, einem Viertel mit vielen (zu Teilen leer stehenden) Wohnblöcken. Auch einige bekannte Neumünsteraner Neonazis wohnen in dieser Gegend. Die Polizei hat angekündigt, den Verkehr auf den Hauptstraßen einseitig an der Nazidemo vorbei zu leiten. 
Von den Offiziellen der Stadt Neumünster kommen bisher wenig Reaktionen ob des erneuten Aufmarsches von Neonazis in einer Stadt, die nicht nur durch den bundesweit bekannten Nazi-Treffpunkt „Club 88“ (http://www.club88-schliessen.tk/) traurige Berühmtheit erlangt hat. Und auch die Lokalpresse sorgt sich offensichtlich mal wieder eher um die Störung von Ruhe und Ordnung, wenn der Holsteinische Courier seinen Artikel mit „Neonazis gegen Linke: Stadt genehmigt Demo“ betitelt, anstatt zu benennen, dass Neumünster immer noch ein Naziproblem hat.
Mittlerweile ist auch klar was von antifaschistischer Seite passieren wird: Die VVN-BdA und das Neumünsteraner Bündnis gegen Rechts haben ab 9 Uhr eine Gegenkundgebung auf dem Konrad-Adenauer-Platz vor dem Bahnhof angemeldet, welche nach wie vor erlaubt ist, jedoch der oben genannten Auflage seitens der Polizei unterliegt. Das Bündnis gegen Rechts ruft dabei gleichzeitig zur direkten Blockade des Naziaufmarsches auf. Dies soll auch um 9 Uhr auf der Kreuzung in der Bahnhofsstraße beginnen.
Vor Ort wird es einen Ermittlungsausschuss (EA) geben. Zur Verbreitung von Informationen zur aktuellen Situation wird es ein Infotelefon und einen twitter-Ticker (http://twitter.com/nms_nazifrei) geben. Antifaschistische Gruppen aus Schleswig-Holstein und Hamburg rufen zur gemeinsamen Zuganreise nach Neumünster auf. Achtet auf aktuelle Ankündigungen, die Abfahrtszeiten können sich noch ändern.
Am Nachmittag, im Anschluss an die Aktionen gegen den Naziaufmarsch wird die AJZ in der Friedrichstraße geöffnet haben. Hier gibt es warmes Essen und am Abend findet hier ein Antifa-Soli-Konzert statt.
Bei allem gilt: Informiert euch kurzfristig über den aktuellen Stand. Je nachdem was sich herausstellt, können sich die Abfahrtszeiten und/oder die Treffpunkte in Neumünster noch ändern. Bleibt flexibel, checkt regelmäßig http://www.antifa-kiel.org & http://antifanms.blogsport.de
[Aktuelle Infos und Aufruf]

Naziaufmarsch in Neumünster stoppen!

Für den 21. August kündigen Neonazis aus Schleswig-Holstein einen „Ehrenmarsch“ anlässlich des Todestages des Preußenkönigs Friedrich des Großen in Neumünster an. Dies stellt offensichtlich nur einen Vorwand dar, dem Hitler-Stellvertreter und Kriegsverbrecher Rudolf Hess zu gedenken.
Den angekündigten Aufmarsch in Neumünster bewerben sowohl der Landesverband der NPD, als auch ein aus dem Kreis der neonazistischen „Aktionsgruppen“ betriebenes Internetprojekt.

Die Nazis wollen am Samstag den 21.8. um 11 Uhr am Kleinflecken in Neumünster aufmarschieren.
Aufruf und aktuelle Infos

Antifaschistisch lesen!

In der aktuellen Ausgabe Nr. 125 von DerRechteRand – Magazin von und für AntifaschistInnen, dessen Kauf wir Euch hiermit ans Herz legen möchten, ist ein Artikel über Kiel mit dem Titel „Eskalationen an der Waterkant – Gezielte neonazistische Angriffe in Kiel“ erschienen.
Des weiteren gibt es eine Auswertung von Avanti – Projekt undogmatische Linke zu den erfolgreichen Aktionen gegen den Naziaufmarsch am 27.3.10 in Lübeck zu lesen, den ihr in unserem Textarchiv findet.

Zahlreiche Solidarität mit Claudiu C. bei Prozess gegen Kieler Neonazi

Heute, am 5. Juli 2010 fand vorm Kieler Amtsgericht der Prozess gegen den Kieler Neonazi, der am 18.4.2009 den Tänzer Claudiu C. niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt hatte, statt. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Neben einem immensen Polizeiaufgebot und etlichen Pressevertreter_innen begleiteten zahlreiche solidarische Antifaschist_innen und Angehörige von Claudiu C. den Prozess.
Bedeutend ist vor allem die Tatsache, dass der Neonazitäter Christopher R.laut Urteil „sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Faustschlag ersetzen“ muss, die Claudiu C. durch den Übergriff entstanden sind.
Auffällig war darüber hinaus, dass sowohl der bekannte Kieler NPD- und AG Kiel-Aktivist Peter von der Born, der als Zeuge aussagte, als auch der eigene Anwalt Christopher R.s Christian Bangert, der schon seit Langem als Kieler Neonazi-Verteidiger bekannt ist, den Angeklagten mehrmals bewusst und juristisch unnötig belasteten. Es war keine gemeinsame Prozessstrategie des Anwalts und seines Mandanten zu erkennen: Während Bangert Christopher R. zu einem der führenden AG Kiel-Aktivisten erklärte, versuchte  R. sich als Aussteiger aus der Szene darzustellen.
Bereits am vergangenen Freitag demonstrierten in Kiel bis zu 400 Menschen in Solidarität mit Claudiu C. und allen betroffenen rechter Gewalt. Hierzu und zur Begleitung des heutigen Prozesses hatte u.a. ein Bündnis aus Betroffenenen von faschistischer Gewalt in Kiel und antifaschistischen Initiativen aufgerufen.
>> Beiträge von LPG(A)Löwenzahn
>> Bericht von npd-blog.info
>> Pressespiegel auf www.altemeierei.de

400 Menschen auf Demonstration in Solidarität mit Claudiu C. und allen anderen Betroffenen rechter Gewalt

Zeitweise bis zu 400 Menschen haben sich am Freitag (2.7.10) an der Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit Claudiu C. und allen anderen Betroffenen rechter Gewalt! Schluss mit der Nazigewalt in Kiel – Weg mit der neonazistischen ‚Aktionsgruppe Kiel’!“ beteiligt, welche von einem Bündnis aus betroffenen Projekten und Menschen sowie Kieler antifaschistischen Initiativen getragen wurde.
>> Indymedia-Artikel
>> Redebeitrag der Autonomen Antifa-Koordination Kiel
>> Pressemitteilung des Demobündnisses
>> Pressespiegel auf www.altemeierei.de

Am kommenden Dienstag beginnt der Prozess gegen den Neonazi Christopher R., dem vorgeworfen wird am 18.4.09 den Tänzer Claudiu C. schwer verletzt zu haben.
>> Weitere Infos

Besucht die öffentlich stattfindende Hauptverhandlung am Amtsgericht Kiel, (Deliusstr. 22) am Dienstag, 6. Juli 2010 um 9.00 Uhr (Saal 7). Zeigt antifaschistische Solidarität mit Claudiu C.!


Weitere Infos beim Demobündnis: www.nonaziskiel.blogsport.de

Redebeitrag auf der Bündnis-Demo gegen Nazigewalt am 2.7.2010

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen!

Wir sind heute gemeinsam auf der Straße, um unserer Solidarität mit Claudiu C. öffentlich und unübersehbar Ausdruck zu verleihen. Claudiu wurde am 18. April 2009 vorm Kieler Opernhaus aus einer Horde von Neonazis heraus brutal niedergeschlagen, nachdem zuvor ein Angriffsversuch derselben Gruppe auf eine antifaschistische Kundgebung in der Innenstadt erfolgreich abgewehrt werden konnte. Claudiu wurde an diesem Tag lebensgefährlich verletzt und kann seitdem seinen Beruf als Tänzer nicht mehr ausüben. Am Dienstag findet die Gerichtsverhandlung gegen den Täter, den langjährigen Kieler Nazi-Aktivisten Christopher Rüdiger, statt. Wir wünschen Dir, Claudiu, von ganzem Herzen, dass das Ergebnis des anstehenden Prozesses in deinem Sinne sein wird und wollen Dir – nicht zuletzt mit der heutigen Demonstration – Kraft mit auf dem Weg geben, das Aufeinandertreffen mit dem Neonazitäter Christopher Rüdiger am Dienstag ohne größere Unannehmlichkeiten zu meistern und auch darüber hinaus, weiterhin einen Umgang mit dem Dir Angetanen zu finden.

Der Nazi-Übergriff auf Claudiu war nicht völlig willkürlich, er war – so die realistischen Einschätzungen – rassistisch motiviert. Claudiu passte wegen seiner Haarfarbe oder welcher Nebensächlichkeit auch immer in das Feindschema des Nazimobs. Der Übergriff passierte nicht etwa, weil der Neonazitäter Christopher Rüdiger verrückt ist oder er gar von Natur aus auf brutale Gewalt steht, sondern weil er einer Ideologie anhängt, die genau darauf abzielt:
Der rassistische, antisemitische und nationalistische Wahn des historischen wie des gegenwärtigen Nationalsozialismus wollte und will nichts anderes als Gewalt, Unterdrückung bis hin zur Vernichtung von Menschen, die sie aufgrund irgendwelcher irrational festgelegter, oftmals körperlicher Merkmale für minderwertig halten. Der Übergriff auf Claudiu war also keine x-beliebiger Fall von Gewaltausübung gegen Menschen, sondern er war Ziel eines grundfalsches Menschenbilds. Dieses grundfalsche Menschenbild der Nazis und aller anderen RassistInnen, welches immer wieder die Ursache von Übergriffen und anderer Gewalt ist, wie die Akteure, die es vertreten, gilt es deshalb zu bekämpfen – alltäglich und auf allen Ebenen.

Der Übergriff auf Claudiu war einer von vielen Fällen rechter Gewalt in Kiel in den letzten Jahren, wenn auch der wohl schwerwiegendste. Verantwortlich hierfür ist – wie bekannt – eine relativ kleine, politisch einflusslose aber schubweise – z.B. gegenwärtig – immer wieder recht aktive Neonaziszene, die sich organisatorisch aufteilt auf den lokalen NPD-Kreisverband und die eng mit ihm kooperierende sogenannte „Aktionsgruppe Kiel“. Während ersterer größtenteils aus teilweise langjährigen Parteisoldaten besteht, ist die „AG Kiel“ ein mehrheitlich aus jungen Neonazis zusammengesetzter Haufen mit hoher Fluktation, aber auch einigen wenigen tonangebenden Konstanten, der sich durch teilweise strategisch fragwürdigen Aktivismus und ein hohes Aggressionspotential auszeichnet. Die aktuelle Besetzung des AG Kiel-Umfelds rekrutiert sich schwerpunktmäßig aus Jugendlichen aus Kieler Vororten nördlich des Kanals. Sie werden von den wenigen verbliebenen älteren Neonazis offen angeleitet, die in den vergangenen 2-3 Jahren organisatorische und aktivistische Erfahrungen sammeln konnten.

Wenn wir die sich wiederholenden Fälle von neonazistischer Gewalt zurückdrängen wollen, müssen wir mit vereinten Kräften dafür sorgen, dass deren Ausgangspunkt, die Naziszene in Kiel und Umland , durch eine offensive alltägliche antifaschistische Praxis am wachsen gehindert und stattdessen zum Bröckeln gebracht wird. Zum größtmöglichen Schutz vor Naziaggressionen setzen wir auf eine breite antifaschistische Bewegung, d.h. auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Menschen, die in der Lage sind, aus einem emanzipatorischen Selbstverständnis heraus zu jeder Zeit und an jedem Ort selbstständig und selbstbewusst Nazis im Alltag zu widersprechen und zu widerstehen. Das beinhaltet die stetige Aufklärung über Naziaktivitäten und -strukturen genauso, wie der gemeinsame Ausdruck dieses Willens auf der Straße, wie wir ihn hier heute zum wiederholten Male mittels unserer Demo formulieren. Vor allem heißt das aber, alltäglich und spontan bereit zu sein, Verantwortung zu übernehmen und nicht auf Aufrufe organisierter AntifaschistInnen zu warten: Lasst nicht zu, dass Nazis ungestört in der Öffentlichkeit auftreten können! Verweigert und entsorgt ihren braunen Müll! Übertönt ihr widerliches Gerede! Reißt ihre Aufkleber ab! Übermalt ihre Parolen! Outet, bedrängt und vertreibt die dafür verantwortlichen Akteure! Habt ein Auge auf von Naziangriffen gefährdete Läden!

Leider sind wir uns darüber bewusst, dass wir durch ein solches Agieren die Nazis im besten Fall und nur phasenweise klein halten können, indem wir ihre Spielräume einschränken. Daran, dass eine kaputte, auf Ausbeutung, Unterdrückung und Konkurrenz basierenden Gesellschaft wie die der bürgerlich-kapitalistischen BRD auch immer kaputte Leute wie z.B. Nazis hervorbringt, werden wir auf diese Weise nichts ändern können. Dass es zu rassistischen Übergriffen, zu Angriffen auf Linke und zur Verbreitung von Vernichtungs- und Ausgrenzungsideologien kommt, werden wir innerhalb dieser Verhältnisse – die es nicht nur aus diesem Grund zu verändern gilt – leider niemals verhindern können. Wir können uns aber bemühen, damit den bestmöglichen Umgang finden. Neben bereits genanntem, schließt dies natürlich ganz zentral die praktische Solidarität mit Betroffenen von Nazigewalt mit ein. Diese Solidarität drücken wir heute – nicht zum ersten mal – symbolisch aus und am Dienstag werden wir Claudiu solidarisch im Gerichtssaal unterstützen.

Wir denken, dass die heutige Demonstration wie auch die zahlreichen vergangenen großen antifaschistischen Mobilisierungen gezeigt haben, dass wir in Kiel großes Potential haben, der Neonaziszene und ihrer Gewalt selbstbewusst und erfolgsversprechend entgegenzutreten, wie die seit vielen Jahren unzähligen erfolgreichen antifaschistischen Aktivitäten auch ganz praktisch unter Beweis gestellt haben. Dieses Potential gilt es weiterhin zu nutzen und auszubauen.


Also: Schließt Euch in Euren Umfeldern zusammen, bietet den Nazis mit Euren Mitteln auf Euren Ebenen die Stirn!

Stärkt die bestehenden antifaschistischen Strukturen in dieser Stadt!

Haltet täglich die Augen offen und reagiert auf rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Dreck jeglicher Art – überall!

Und niemals vergessen: Übt antifaschistische Solidarität – mit Claudiu und allen anderen betroffenen rechter Gewalt!

„Solidarität mit Claudiu C. und allen anderen Betroffenen rechter Gewalt!“ – Aufruf 2.7.2010 / Bündnisdemo Kiel

Solidarität mit Claudiu C. und allen anderen Betroffenen rechter Gewalt!

Schluss mit der Nazigewalt in Kiel – Weg mit der neonazistischen „Aktionsgruppe Kiel“!

Am 18.04.2009 versuchten ca. 30 Neonazis einen Infostand des „Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus Kiel“ in der Kieler Innenstadt anzugreifen, wobei es zu Auseinandersetzungen mit Nazigegner_innen kam. Am Rande des Geschehens wurde der vollkommen unbeteiligte Claudiu C. von dem Kieler Neonazi Christopher R. niedergeschlagen, wohl weil der als Tänzer beim Kieler Opernhaus arbeitende Mann aufgrund seiner Erscheinung in dessen „Feindschema“ passte. Der Täter R. ist ein langjähriger Aktivist der lokalen Neonazi-Szene, derzeit in der so genannten „Aktionsgruppe Kiel“ aktiv und trat bei der Kommunalwahl 2008 als Direktkandidat für die NPD an.

Der Tänzer Claudiu C. wurde von hinten angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Er ist infolge des Angriffes dauerhaft arbeitsunfähig und auf einem Ohr taub.

 

Der brutale Naziübergriff auf Claudiu C. reiht sich ein in eine bis heute andauernde Serie von Angriffen, Anschlägen und Überfällen durch Neonazis aus dem Umfeld von „Aktionsgruppe Kiel“ und NPD. In den vergangenen zwei Jahren richteten die Neonazis mehrere 10.000 Euro Sachschäden an, eine Vielzahl von Menschen wurde verletzt, einige schwer. Auf das linke Zentrum „Alte Meierei“ wurde von Unbekannten sogar scharf geschossen. Zuletzt flogen am 9.Mai Steine gegen Fenster u.a. eines Kinderzimmers des Wohnprojektes „Dampfziegelei“, in dem gerade ein vierjähriges Kind schlief. Gleichzeitig wurden auch beim Buchladen „Zapata“ zum wiederholten Male die Scheiben eingeworfen. Betroffen von der Gewalt Kieler Neonazis sind linke und alternative Einrichtungen, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund befinden sich in ihrem Visier.

 

Besonders hervorzuheben ist, dass sich die „Aktionsgruppe Kiel“ teilweise öffentlich im Internet zu ihren Gewalttaten bekennt und auch jetzt noch weitere ankündigt. Gleichzeitig treten zentrale Personen der Gruppe – Daniel Zöllner und Peter von der Born – offen mit ihren Namen und Fotos in Erscheinung. Trotzdem lässt die Kieler Polizei die Gruppe weitgehend in Ruhe: Bei der genannten Vielzahl schwerer rechter Übergriffe in Kiel ist bis heute lediglich Christopher R. gefasst!

Viele Menschen in Kiel waren und sind betroffen von rechter Gewalt. Bisher hat es Claudiu C. und andere getroffen, letztlich kann es jede_n treffen, der/die nicht in das beschränkte Weltbild der Neonazis passt.

 

Anlässlich des Gerichtsprozesses am 06.07.2010 wegen des Angriffs auf Claudiu C. rufen wir auf zur:
Demonstration am Freitag den 02.07.2010, 16:00 Uhr Kiel Hbf.

Die Polizei hat bei Gewalttaten mit rechtem Hintergrund in Kiel ganz offensichtlich kein Interesse an ernsthaften Ermittlungen der Täter_innen – oft wird sie überhaupt nicht tätig!

Die etablierte städtische Politik, namentlich auch Bürgermeister Torsten Albig, hält es offensichtlich nicht für nötig, sich endlich eindeutig öffentlich gegen die rechten Umtriebe in Kiel zu positionieren.

Es liegt also allein in unserer Hand! Lasst uns gemeinsam für ein antifaschistisches Klima in Kiel sorgen. Wir rufen alle Kieler_innen auf Stellung zu beziehen und aktiv zu werden, wenn Nazis Leib und Leben von Menschen in unserer Stadt bedrohen!

Besucht die öffentlich stattfindende Hauptverhandlung am Amtsgericht Kiel, Deliusstr. 22 am Di den 06.Juli 2010, 9:00 Uhr, Saal 7. Zeigt Solidarität mit dem verletzten Tänzer Claudiu C. – Wenn wir viele sind haben Neonazis keinen Platz im Zuschauerraum!

 

Unterzeichner_innen (Stand 23. Juli 2010):

Ratsfraktion DIE LINKE I Buchladen Zapata I Juso HSG I LinksAlternative Liste I Wohnungsgenossenschaft Dampfziegelei e.G I Verein Hansastraße 48 e.V. I Arbeits- und Aktionskreis kritischer Studierender I Uli Schippels, MdL DIE LINKE I Björn Thoroe, MdL DIE LINKE I Die Personalräte -Theater Kiel- AöR I GEW- Studis an der CAU I AStA der Uni Flensburg I Konzertgruppe Rebelti@s musicales I Rasmus Andresen, MdL Bündnis 90/Die Grünen I Luise Amtsberg, MdL Bündnis 90/Die Grünen I Gr*I*P* (Group in Progress)

 

Zur Demo rufen auf (Stand 23. Juli 2010):

marlene hates germany I Autonome Antifa-Koordination Kiel I Runder Tisch gegen Rassismus und Faschism

Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel ruft auf zur Demonstration am Freitag

Wir dokumentieren den Aufruf des Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel:

Aufruf zur Demonstration „Solidarität mit den Opfern Faschistischer Gewalt“

Der `Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus – Kiel´ ruft dazu auf sich an der Demonstration gegen faschistische Gewalt am 2.7.2010 um 16 Uhr ab dem Kieler Hauptbahnhof zu beteiligen.
In den vergangenen Jahren wurden durch Mitglieder und Anhänger der NPD und der faschistischen „Aktionsgruppe Kiel“ zunehmend gewalttätige Aktionen durchgeführt.
Das Einwerfen von Fensterscheiben des Wohnprojekts „Dampfziegelei e.V.“, des Kinderladens in der Hansastr. 48 sowie die wiederholten Übergriffe auf den Buchladen „Zapata“, zeigen, dass sich Faschisten in Kiel linke und demokratische Projekte als Zielscheibe für ihre Gewalttaten suchen. Unbekannte haben Anfang diesen Jahres auf ein Fenster des Wohn- und Kulturprojekts „Alte Meierei“ in Kiel geschossen.
Aus dem Kreis dieser Täter kommen auch diejenigen, die im April 2009 denTänzer Claudiu C. von den Städtischen Bühnen so schwer verletzt, dass er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann.
Wir rufen alle Nazi-GegnerInnen in Kiel zur Solidarität auf.
Und wir fragen erneut die politisch Verantwortlichen und die Strafverfolgungsbehörden unserer Stadt: Wie lange darf sich die „Aktionsgruppe Kiel“ noch öffentlich betätigen? Was unternimmt die Landeshauptstadt Kiel, um zur Zerschlagung faschistischer Strukturen beizutragen, zu denen auch die Hauptpartei des deutschen Faschismus, die NPD, gehört? Als ersten Schritt begrüßt der `Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus – Kiel´ die Resolution der Ratsfraktionen der Landeshauptstadt Kiel vom Mai 2009, in der es u.a. heißt:
„Mit Sorge beobachtet die Ratsversammlung der LH Stadt Kiel das verstärkte Auftreten rechtsextremer Gruppierungen mit politisch motivierten Gewalttaten im Kieler Stadtgebiet.(……) Die demokratischen Fraktionen und die Ratsfrau des SSW in der Ratsversammlung bekräftigen ihre Auffassung, dass gemeinsames Handeln kommunaler und staatlicher Institutionen mit den Bürgerinnen und Bürgern gefordert ist. Weder gewaltsame Übergriffe noch neonazistische und rechtsextreme Propaganda – auch nicht in Form von Fahnen oder Aufklebern – werden wir in unserer Stadt dulden.“
Wir fordern dazu auf dieser Resolution auch Taten folgen zu lassen, sich eindeutig gegen faschistische Aufmärsche und Kundgebungen, für das Entfernen und Unterbinden von faschistischer Propaganda in der Stadt und für die Unterstützung antifaschistischer Aktivitäten einzusetzen.
Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter des Anschlags auf Claudiu C. beginnt am 6.7. um 9 Uhr im Saal 7 des Amtsgerichts Kiel. Auch hier können BesucherInnen ihre Solidarität mit Claudiu C. durch ihre Anwesenheit zeigen.

Öffentliche Naziaktivitäten in Schleswig-Holstein

Am vergangenen Donnerstag und am Wochenende fanden mehrere öffentliche Aktionen von FaschistInnen in Schleswig-Holstein statt. Neben einer kleinen Kundgebung der NPD in Kiel, einem NPD-Infostand in Nortorf und einer DVU-Miniaktion in Lauenburg gab es auch eine größere Nazi-Aktion in Bargteheide nahe Hamburg, an der vor allem schleswig-holsteinische und hamburger Neonazis aus dem Spektrum der so genannten „autonomen Nationalisten“ teilnahmen.
Bereits am Donnerstagabend, 17. Juni kam es in Kiel zu einer Kundgebung von ungefähr 15 Neonazis aus dem Kreis der lokalen NPD und „Aktionsgruppe Kiel“. Die Neonazis tauchten gegen 19 Uhr in der Holstenstraße auf, hielten eine stationäre Kundgebung ab und verschwanden gegen 20 Uhr wieder in ihren Autos. Thema der Kundgebung neben beliebiger Nazi-Propaganda war der 17. Juni 1953 – dem Tag des ArbeiterInnenaufstands in der damaligen DDR. Während ihrer Aktion zogen sie den Unmut vieler Passant_innen auf sich und mit der Zeit trafen auch immer mehr Antifaschist_innen in der Innenstadt ein, zu nennenswerten Störungen der Nazi-Aktion kam es aber leider nicht mehr.
Am Samstag, 19. Juni, kam es dann zu drei weiteren faschistischen Aktionen in Schleswig-Holstein:  In Bargteheide plante die Neonazigruppierung „NaSo Stormarn“ einen Aufmarsch durchzuführen. Für diese Aktion mobilisierten die Nazis landesweit aber nicht öffentlich. Gegen 12 Uhr versammelten sich ca. 50 Neonazis am Bahnhof in Bargteheide, welche aus allen Teilen des Landes und aus Hamburg kamen, um von dort aus zum Marktplatz zu gehen. Kieler Neonazis der „Aktionsgruppe Kiel“, darunter Daniel Zöllner und Thomas Breit, waren hier genauso anwesend wie der Hamburger Neonazi Christian Worch, welcher später noch auf der DVU-Kundgebung in Lauenburg sprach. Die Neonazis hielten eine Kundgebung auf dem Marktplatz ab, ihre Selbstdarstellung war martialisch, viele waren schwarz gekleidet, mit Knüppeln bewaffnet und teilweise vermummt. Die ganze Aktion war angemeldet, wurde jedoch seitens der Polizei und der bürgerlichen Presse im Vorfeld konsequent verschwiegen. Trotzdem waren über 100 Nazigegner_innen in Bargteheide unterwegs. Örtliche Antifaschist_innen mobilisierten mit Flyern gegen die Kundgebung und die Nazis sahen sich immer wieder direkten Aktionen von autonomen Antifas ausgesetzt. Die Faschist_innen wurden mehrfach direkt, u.a. mit Flaschen und Steinen angegriffen, so dass ihr klandestin geplanter Auftritt wohl nicht zum gewünschten Erfolg werden konnte.
Angekündigt hingegen hatte sich die in Bedeutungslosigkeit versinkende DVU mit einer Kundgebung in Lauenburg. Doch auch hier wurden die diesmal nur mit lediglich 8 Teilnehmer_innen vertretenen Nazis gegen 15 Uhr von über 100 Nazigegner_innen empfangen. Die Kundgebung der DVU fand auf einem menschenleeren Platz statt, nur wenige Menschen dürften überhaupt etwas von dieser Aktion mitbekommen haben. Ähnlich sah es in Nortorf aus, wo ganze 6-10 Nazis aus Neumünster gegen 12 Uhr einen Infotisch der NPD aufbauten.