Täter von Henstedt-Ulzburg zu Haftstrafe verurteilt

Etwa 70 Antifaschist*innen begleiteten am Donnerstag (21.12.23) bei Wind und Wetter mit einer Kundgebung das Urteil im Tatort HU-Prozess am Landgericht Kiel. Am Mittag wurde der Täter der rechten und rassistischen Auto-Attacke, Melvin Sch., wegen schwerer Körperverletzung nach Jugendstrafrecht zu 3 Jahren Haft, Schmerzensgeldforderungen und Führerscheinentzug verurteilt.

Vor der Urteilsverkündung wurden vorm Gerichtsgebäude verschiedene Redebeiträge abgehalten, die den im Juli begonnenen Prozess, die Solidaritätsarbeit sowie bleibenede politische Herausforderungen reflektierten. 2 der vom Angriff am Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg im Oktober 2020 betroffenen Nebenkläger*innen dankten den Unterstützer*innen für ihre kontinuierliche Solidarität, betonten aber auch, dass die psychischen, physischen und politischen Folgen der Tat für sie mit dem Gerichtsurteil nicht aufgehoben sind, somit auch die Solidarität und der antifaschistische Kampf fortgesetzt werden müssen. Ähnlich argumentierten weitere Redner*innen der Initiative „Segeberg bleibt bunt“, des Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel sowie des Bündnis „Tatort Henstedt-Ulzburg“. Die gesellschaftliche Rechtsentwicklung, deren Speerspitze die AfD ist, begünstigt den rechten und rassistischen Terror und muss daher auf allen Ebenen bekämpft werden.

Am frühen Nachmittag endete der Prozess, zumindest in 1. Instanz, mit dem Urteil und seiner Begründung. Während es eine juristische Beurteilung des konkreten Strafmaß nicht vornehmen will, kritisiert das Solidaritätsbündnis die durch das Gericht nur schwammig erfolgte politische Einordnung des Tatgeschehens. Der Täter und seine 3 Begleiter seien zwar durch ihr rechtes Weltbild motiviert gewesen, am Tattag nach Henstedt-Ulzburg zu fahren und sich am Rande der Anti-AfD-Kundgebung aufzuhalten, die Tat selbst sei aber aus der Gemengelage unmittelbar vor der Amokfahrt zu erklären. An dieser Stelle folgte das Gericht implizit der widersprüchlichen Notwehrkonstruktion des Täteranwalts, die einen vorherigen Angriff auf die rechten Provokateure behauptete. Ob der Prozess in Revision bzw. Berufung geht, steht derzeit noch aus.

Bereits am Montag, 11.12.2023 hatten gut 30 Antifaschist*innen an der morgendlichen Kundgebung zum 20. Verhandlungstag teilgenommen. Nach zweimaliger Verschiebung waren an diesem Tag im bis auf den letzten Platz des Besucher*innenbereichs besetzten Gerichtssaal die Plädoyers gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihren Ausführungen aufgrund des Tötungsversuchs 3,5 Jahre Haft für den angeklagten Täter Melvin Sch.. Die Nebenklagevertretung betonte anschließend ausführlich die politische Dimension der Tat und unterstrich die deutlich gewordene rechte und rassistische Gesinnung von Melvin Sch. mindestens zum Tatzeitpunkt: „Die Tat war keine Überreaktion, keine Kurzschlusshandlung, sondern sie basiert auf der Entscheidung des Angeklagten, hier mehrere Menschen, die er als politische Gegner*innen und in einem Fall als Schwarze Frau wahrnahm, zu überfahren.“ (RA Björn Elberling) Täteranwalt Hummel bagatellisierte die damalige AfD-Mitgliedschaft seines Mandanten sowie die zahlreichen anderen Indizien, hielt an dm Mythos der Notwehrsituation fest und forderte schließlich Freispruch.