Nach von Brand in Moria: 1500 in Kiel auf der Straße für die sofortige Evakuierung

Nach dem verheerenden Brand im Geflüchtetenlager Moria gingen am Mittwochabend (09.09.2020) bis zu 1500 Menschen spontan in Kiel auf die Straße um gegen das menschenverachtende europäische Migrationsregime und für eine sichere Unterbringung der Geflüchteten zu demonstrieren.
Mit Transparenten, Fahnen, lauten Parolen und vereinzelten pyrotechnischen Einlagen ging es von der CDU-Zentrale am Sophienblatt durch die Innenstadt, vorbei an der SPD und zurück zum Bahnhof, wo die Demonstration mit einer Kundgebung abgeschlossen wurde. Vor den jeweiligen Parteizentralen wurde deutlich gemacht, dass die Katastrophe von Moria weder Zufall noch ein rein griechisches Versagen darstellt, sondern dass das Feuer, welches Moria zerstörte, seit Jahren von der Regierungen der EU gelegt wird. Da können die lokalen Parteiableger auch noch so viel darauf hinweisen und sich inszenieren, dass sie seit Jahren alles für eine Aufnahme von Geflüchteten geben und es einzig Horst Seehofer ist, der eine Aufnahme von weiteren Geflüchteten in Deutschland blockiert. Wenn Parteihierarchien greifen, Machtposten oder eine Regierungsbeteiligung winken oder behauptet werden müssen, fügt man sich doch den „Sachzwängen“ dieses brutalen Grenzregimes.

In Redebeiträgen wiesen die Seebrücke Kiel, netzwerk antirassistische aktion [nara] kiel, ZBBS e.V., das Kollektiv afrodeutscher Frauen, die Autonome Antifa-Koordination Kiel und die Antifaschistische Jugend Kiel auf die seit langem bekannte katastrophale Situation in Moria hin: In dem Lager, das ursprünglich für 3.000 Personen ausgelegt war, lebten bis Dienstagabend mehr als 13.000 Menschen. In Zeiten der Corona-Pandemie mussten Tausende in Zelten oder im Freien schlafen, es fehlte an ausreichend sanitären Anlagen oder hygienischer Versorgung und für Nahrung mussten die Menschen oft stundenlang anstehen. Es war klar, dass es unter diesen miserablen Bedingungen zu Infektion mit Covid-19 kommen wird, doch anstatt spätestens mit der Bestätigung der ersten Fälle die seit langem erhobene Forderung einer sofortigen Evakuierung des Lagers zu folgen, wurde Moria unter Quarantäne gestellt. Die Botschaft der ausführenden Organe der EU-Abschottungspolitik vor Ort war abermals deutlich: Lieber lassen wir euch hier am Rande Europas verrecken, als Euch Eure Bewegungsfreiheit zurückzugeben oder Euch zumindest Möglichkeiten einer menschenwürdigen Unterbringung zu schaffen. Die letzte Nacht in Moria war somit ein weiterer erschütternder Höhepunkt der Brutalität der europäischen Migrationspolitik, die maßgeblich aus Deutschland angeleitet wird.

Die Demonstration ist aufgrund der hohen Teilnehmer*innenzahl trotz kurzfristiger Mobilisierung als positiv zu bewerten und dennoch stellt sich die Frage „Wie weiter?“, wenn seit Jahren antirassistische Proteste von der parlamentarischen Politik ignoriert und konterkariert werden. Wer sind potentielle Bezugspunkte, Ansprechpartner*innen und Verbündete in diesem Kampf und wer nicht? Welches sind die geeigneten und notwendigen Mittel um den ständig eskalierenden rassistischen Normalzustand zu stören?

Daran anschließend stellte die Autonome Antifa-Koordination Kiel in einem Redebeiträge auf der Abschlusskundgebung fest: „Es wird immer wieder deutlich, nicht zuletzt an den europäischen Grenzen: Die EU ist kein progressives Projekt, wie von den bürgerlichen Liberalen so gerne behauptet wird. Die EU ist als neoliberales Projekt zur Stärkung der Kapitalinteressen ins Leben gerufen worden und als solche nützt sie dem Kapital, nicht den Menschen. Das menschenverachtende Grenzregime und die rassistisch-kapitalistisch Weltordnung, die Menschen ermordet und enormes Leid produziert, müssen zerstört werden, der Bestie ihr europäisches Herz entrissen werden. Unsere Antwort muss auch weiterhin sein, Solidarität mit den Verzweifelten und Vergessenen an den Außengrenzen der EU zu leisten, aber auch hier vor Ort den organisierten Widerstand gegen die Täter*innen und Profiteure dieses programmatisch-apokalyptischen Elendes voranzutreiben.“