Rassistischer Ausfall bei Corona-Demo in Kiel

Der selbsternannte Corona-„Widerstand“ von Kiel hatte am Samstag erstmals seit mehreren Wochen wieder Zulauf. Zirka 60 Sozialdarwinist*innen und Verschwörungsgläubige versammelten sich am Nachmittag an einer improvisierten Bühne am Asmus-Bremer-Platz. Die Verdopplung der Teilnehmer*innen im Vergleich zur vorigen Woche mag zwar auch mit dem Wegfall entsprechender Parallelveranstaltungen in anderen Schleswig-Holsteinischen Städten und der Beteiligung auswärtiger Demonstrant*innen wegen einer Rede des abgehalfterten Stargasts „Dr. Weber“ zusammenhängen, führte aber zu einem merklichen Motivationsschub bei Kleinkünstler Björn Dinklage und seinen Mitstreiter*innen.

Dieser fühlte sich dadurch offenbar ermutigt, in Rage auch vor offen rassistischen Ausfällen nicht zurückzuschrecken: Als Dinklage abermals voller Neid auf die Mobilisierungserfolge der Black Lives Matter-Bewegung auch in vielen deutschen Städten blickte und sich durch angeblich exklusive schikanöse Hygieneauflagen für seine eigenen Kundgebungen schikaniert sah, entlarvte er sich mit den Worten „Ja, black lives matter, aber deutsche Leben matter mehr!“. Dies löste lautstarken Widerspruch der etwa 25 Antifaschist*innen aus, die die reaktionäre Märchenstunde auch diesmal mit Gegenprotest begleitenen.

Erstmals beteiligten sich auch Angehörige einer neuen „Bürgerinitiative 5G-freies Kiel“ an dem obskuristischen Sammelsurium und diskreditierten sich damit umgehend als auch nur ansatzweise ernstzunehmende Stimme in einer offenen Diskussion um vermeintliche oder reale Gesundheitsgefahren von Mobilfunkstrahlung. Auch der Versuch einer Rednerin, die Zahl von Coronatoten mit der Dichte von 5G-Masten zu erklären, bestärkte dieses Urteil.

Insgesamt hat die Hoffnung, dass die Kieler Kundgebungen von irrationalen und rechtsoffenen Gegner*innen gesellschaftlicher Solidarität wie bereits in vielen anderen Städten zeitnah einschlafen könnten, an diesem Wochenende einen Dämpfer erhalten. Zwar ist nicht zu erwarten, dass die Organisator*innen ihr Mobilisierungspotenzial über den zweistelligen Bereich jemals werden steigern können, allerdings haben sich mittlerweile auf einem niedrigen Niveau gefestigte Strukturen mitsamt einzelner motivierter Aktivposten sowie benötigter Infrastruktur gefunden, die durchaus in der Lage sein könnten, den wöchentlichen Zirkus im schlechteren Fall noch eine Weile am Laufen zu halten. Um stattdessen einen baldigen Niedergang der verschwörungsideologischen Proteste in der Landeshauptstadt zu beschleunigen, wird auch weiterhin antifaschistische Initiative gefragt sein. In Anbetracht der ebenfalls zu beobachtenden Zunahme von fragwürdigen Gestalten im Umfeld der Kundgebungen, die offenbar versuchen, Gegendemonstrant*innen einzuschüchtern, sollten sich Antifaschist*innen auch damit befassen, wie sich die Gegenaktionen zuküntig stärker aufstellen können.