Redebeitrag des Vorbereitungskreis 13.3. auf der antifaschistischen Meierei-Demo am 13.3.10 in Kiel

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten – liebe Kielerinnen und Kieler! Wir haben uns hier zusammengefunden, um heute gemeinsam unter der Motto „YOU’LL NEVER WALK ALONE! Solidarität mit der Alten Meierei und allen Betroffenen faschistischer Gewalt! Nazistrukturen in Kiel und andernorts zerschlagen – linke Gegenkultur stärken!“ zu demonstrieren. Der Anlass, der uns auf die Straße treibt, sind zwei scharfe Schüsse, die in der Nacht zum 20. Januar dieses Jahres auf ein beleuchtetes Fenster des linken Wohn- und Kulturprojektes Alte Meierei abgefeuert wurden. Nur dem Glück ist es zu verdanken, dass die Person die sich zeitgleich im Raum aufhielt, nicht zu Schaden gekommen ist. Wir gehen davon aus, dass die TäterInnen der Naziszene entstammen: Nicht zuletzt deshalb, weil die Alte Meierei als Symbol antifaschistischer und linker Praxis in Kiel seit ihrer Existenz immer wieder Angriffen durch ihre GegnerInnen ausgesetzt war, die sich gegen das emanzipatorische Selbstverständnis der Meierei richteten. Nicht nur denen durch Auflagen und Verbote seitens städtischer Behörden und der Lokalpolitik, sondern eben auch gezielten, direkten Angriffen durch FaschistInnen. Ihre Geschichte reicht bis in die frühen 1990er zurück und von Gewaltmobs vorm Haus, über Attacken gegen Meierei-BesucherInnen auf dem Nachhauseweg bis hin zu einem missglückten Brandanschlag. Die Schüsse diesen Januar sehen wir in dieser Reihe und damit als weitere Stufe der Eskalation von Angriffen auf die Alte Meierei. Der Hintergrund der Schüsse auf die Meierei ist aber noch weitergehender. So sind diese nicht urplötzlich gefallen, sondern geschehen in einer Reihe von faschistischen Angriffen auch auf andere linke oder alternative Projekte und Menschen in Kiel, die in dieser Häufung seit mittlerweile zwei Jahren andauern. Das jüngste Beispiel solcher nächtlichen Naziangriffe in Kiel sind die vor wenigen Wochen wiederholt eingeschlagenen Scheiben beim Buchladen Zapata.

Wir sind heute auf der Straße, um den Betroffenen faschistischer Gewalt unsere Solidarität auszudrücken und einmal mehr deutlich zu machen, dass das Ziel der Nazis, damit antifaschistische, linke oder sonstige ihrem Weltbild widerstrebenden Strukturen zu schwächen, vergebens und alles andere als erreicht worden ist. Im Gegenteil: Wir sind heute auch hier, um anzukündigen, dass die antifaschistische Bewegung in Kiel auch in Zukunft allen AntisemitInnen, RassistInnen und NationalistInnen ihr Leben erschweren wird und dass ihre öffentlichen Auftritte und Propaganda wie in den vergangenen Jahren auch, von uns weiterhin nicht geduldet werden.

Und wir lassen uns natürlich auch von Schüssen nicht einschüchtern, sondern werden jetzt erst recht eine lebhafte, vielfältige, widerständige linke Gegenkultur leben, in der Meierei und wo immer es uns passt.

Unsere heutige Demo richtet sich aber nicht nur gegen die FaschistInnen, sondern hat gleichfalls das weitergehende Ziel, diejenigen Teile der städtischen Öffentlichkeit anzugreifen, die den Nazis ihr Handeln erleichtern. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die lokale Monopolpresse der Kieler Nachrichten. Ihre, in guter deutscher Obrigkeitsgläubigkeit insbesondere an der Linie der Kieler Polizei orientierte Berichterstattung, verschweigt nicht nur eine Vielzahl der Naziaktivitäten in dieser Stadt, sondern verharmlost oder entpolitisiert diese in unerträglicher Weise. Nicht fehlen darf bei dieser Strategie, Naziaktivitäten und das glücklicherweise damit verbundene Konfliktpotential unter den Tisch zu kehren, deren elendige Gleichsetzung mit antifaschistischer Gegenwehr und linker Politik als sogenannten Extremismus. Dies ist freilich keine lokale Besonderheit, sondern politischer Mainstream im Sinne der für einen ernsthaften Erkenntnisgewinn völlig unbrauchbaren Extremismustheorie, die gerade aktuell weiter auf dem ideologischen Vormarsch ist. Diese „antiextremistische“ Logik, die hinter der mehrheitlichen KN-Berichterstattung des Totschweigens, Verharmlosens und Denunzierens steht, will politische Zusammenhänge von Auseinandersetzungen zwischen AntifaschistInnen und Nazis nicht erkennen und hat keinen Begriff von deren Notwendigkeit. Sie offenbart ihre fatalen Folgen dann, wenn auf die Alte Meierei scharf geschossen wird, aber die Stadt von keinem Aufschrei der Solidarität erfasst wird, die über vergleichsweise kleine Kreise hinaus geht.

Auch aus diesem Grund gehen wir heute einmal mehr auf die Straße: Wenn mächtige Teile der städtischen Öffentlichkeit in ihrer „antiextremistischen“ Verblendung keine Notwendigkeit darin sehen, die Bedrohung durch bewaffnete Nazis und ihre Angriffe zu thematisieren, müssen wir alle, für die dies eine politische Selbstverständlichkeit ist, auf die weiterhin aktuelle Notwendigkeit des antifaschistischen Kampfes beharren.
Wenn auf die Alte Meierei geschossen wird, werden wir die Kultur für die sie steht stärken, werden linke Zentren und von der Norm abweichende Lebensformen vor Angriffen, von wem auch immer sie kommen, schützen und ihre Infrastruktur nutzen und ausbauen. Wir werden weiter eine offensive antifaschistische Gegenkultur leben – in der Alten Meierei und überall sonst. Wir werden uns Nazis entgegenstellen und weiter ihre ideologischen Grundlagen angreifen. Wir lassen uns nicht von KN, Polizei und der Ideologie der handlungsunwilligen ExtremistInnen der Mitte denunzieren und werden linke Politik verteidigen. Wir werden an all dem, dem die Schüsse auf die Alte Meierei galten, festhalten und sehen uns genau deshalb in seiner Wichtigkeit bestärkt! Solidarität mit allen Betroffenen faschistischer Gewalt!

Nazistrukturen zerschlagen – Gegenkultur stärken!

Mit linken Zentren antifaschistisch in die Zukunft!