Lucha y fiesta ? que se vayan todos! Redebeitrag der Konzertgruppe rebelti@s musicales auf der antifaschistischen Meierei-Demo am 13.3.10 in Kiel

Hallo,
Wir sind nicht froh, dass wir immer wieder gegen faschistische Gewalt und
anti-antifaschistische Medien und Politik demonstrieren müssen. Trotzdem sind wir
aber auch sehr froh, dass wir heute so relativ locker demonstrieren können, dass wir
keine weiteren Verletzten oder sogar Toten zu beklagen haben.
Die Schüsse auf die Meierei zeigen uns einmal mehr: wir leben gefährlich, wenn wir
uns nicht dem freiheitlich-demokratisch verordneten Zwang unterwerfen, uns in den
Fernsehsessel zu setzen und ansonsten den Mund zu halten. Das Projekt Alte Meierei
ruft mit jedem Millimeter seines Daseins dazu auf, aufzustehen, den Mund aufzumachen
und sich selbst darum zu kümmern, dass schweigende Fernsehsessel irgendwann auf dem
Sperrmüllhaufen der Geschichte landen.
Aus diesem Grund war die Meierei schon immer Anziehungspunkt für dunkle Gestalten
wie Nazis, Ordnungshüter und Politiker, die allesamt bei Begriffen wie ‚Freiheit‘
und ‚Solidarität‘ oder einfach nur ’selber denken und selber machen‘, ganz schnell
rot anlaufen, Schaum vor dem Mund bilden und auf ihre jeweils eigene Art um sich
schlagen.

Die Meierei, wie auch der Zapata-Buchladen, die Hansastr.48, das Wohnprojekt am
Timmerberg, die Arbeitsloseninitiative, all diese Projekte eint, dass sie versuchen,
Alternativen zum gleichgeschalteten Fernsehsesseldasein aufzuzeigen, sie sind alle
Projekte gegen die herrschende Kultur von Vereinzelung und Oberflächlichkeit, gegen
die Ignoranz gegenüber allem, was nebenan passiert. All diese Projekte werden
angegriffen, weil sie öffentlich für ein solidarisches Miteinander und für ein
selbstbestimmtes Leben eintreten.

Die Neurotic Arseholes sangen einmal vor vielen Jahren: ?Wir wollen leben, ein
ganzes Leben lang – heute und jetzt und nicht irgendwann, damit der Tod uns auch
wirklich tot antreffen kann.? Nur, wie soll man leben, wenn überall um uns herum nur
Krieg und Gewalt, Rassismus, Sexismus und Unterdrückung aller Art toben, wenn immer
weniger Menschen auf der Welt die Chance haben, überhaupt nur daran zu denken, was
‚leben‘ eigentlich sein könnte? Wie soll mensch da noch leben können?

Wir versuchen es trotzdem! Wenn wir uns die Freude am Leben nicht verderben lassen,
sind wir auch in der Lage, zu spüren, was im Land und auf der Welt wirklich alles
faul ist. Wir als rebeltias, eine der Veranstaltungsgruppen in der Alten Meierei,
wollen mit unseren Aktivitäten dazu beitragen, dass wir alle das Leben und das
Feiern nicht verlernen, und gleichzeitig wollen wir ein Stückchen Raum für
Kommunikation und Austausch bieten.

Die Musik, Kultur und Geschichten, die Bands aus den verschiedenen Vierteln der Welt
zu uns bringen, zeigen uns, dass die Kämpfe um Freiheit, um eben dieses
selbstbestimmte Leben Alltag sind für viele viele Menschen rund um den Globus. Und
wir sehen auch, dass diese Kämpfe auf den verschiedenen Flecken der Welt so
unterschiedlich sind wie die Anzahl der Menschen, die sie führen. Ob Frankreich,
Kurdistan, oder Mexico, USA, Baskenland, oder Türkei, Katalonien, Palästina oder
Israel, Kopenhagen, Koblenz oder Kiel – es gibt keinen einen Weg zur Revolution,
aber es gibt einen gemeinsamen Weg, den wir mit vielen verschiedenen Menschen
zusammen gehen können.

Zusammen ist eine andere Welt möglich und bitter nötig. Zusammen können wir die
Verhältnisse zum Tanzen bringen, wenn wir die schweigende Mehrheit verlassen, unsere
Augen und Ohren öffnen, und laut sagen, was ist.

Lucha y fiesta ? que se vayan todos!

Feiern und kämpfen ? auf dass sie alle verschwinden!* *

Allerdings können wir mit den meisten Menschen diesen internationalen Austausch gar
nicht haben; viele Bands können wir in der Meierei nicht veranstalten. Und das
nicht nur, weil sie nicht die Mittel haben, hierher zu reisen. Es ist nach wie vor
so, dass vielen vielen Menschen auf der Erde das Recht verwehrt wird, sich frei zu
bewegen.

Die großen kapitalistischen Blöcke, allen voran die EU und die USA, sind schon lange
zu Festungen des Reichtums geworden, an deren Außengrenzen jedes Jahr Hunderte von
Menschen grausam zu Tode kommen. Menschen, die sich nichts weiter erhoffen, als ein
würdiges Leben zu finden. Um das hier noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die
Abschottungspolitik der EU bedeutet Massenmord! Nirgendwo zeigt die EU ihre
rassistische menschenverachtende Fratze so deutlich wie an seinen Außengrenzen.

Dass auch innerhalb der EU Flüchtlinge nicht sicher vor Staatsterror und Rassismus
sind, beweist auf erneute und sehr tragische Weise der Suizid von David aus
Georgien, der nach Deutschland geflüchtet war und vom Hamburger Senat in den
Abschiebeknast gesteckt wurde, anstatt ihm in seiner schwierigen Situation zu
helfen. Die öffentlichen Diskussionen um das Alter von David belegen dabei auf
widerliche Weise die gesellschaftliche Akzeptanz dieser mörderischen und
menschenverachtenden deutschen Asylpolitik.

Wenn wir sagen, wir wollen leben, dann meinen wir damit alle Menschen! Alle Menschen
haben das Recht zu leben, wie, wann und wo sie wollen. Deshalb rufen wir heute und
bis ans Ende der Tage dazu auf: Alle Grenzzäune einreißen, shut down fortress
Europe! Shut down every fortress! Alle Festungen einreißen! Hoch die internationale
Solidarität!

Auch die Alte Meierei hat nach den Schüssen viel internationale Solidarität
erfahren. Zum Beispiel sorgten Bands wie KOP und Obrint Pas dafür, dass Infos über
die Schüsse und ein Aufruf zur Solidarität auf zahlreichen Websites im spanischen
Staat veröffentlicht wurden. Eine Mail der baskischen Band Sagarroi, die wunderbar
die Zärtlichkeit internationaler Solidarität zusammenfasst, wollen wir euch nicht
vorenthalten.
?Eine dicke solidarische Umarmung für die Alte Meierei aus dem Baskenland. Unsere
Unterstützung gilt allen Menschen, die für die Freiheit und den Antifaschismus
arbeiten, für alle Menschen, die organisieren, teilnehmen, denken, sprechen,
arbeiten, singen, tanzen, arbeiten, zeichnen, lachen, arbeiten, weinen….um eine
Gegenkultur zu schaffen, eine leuchtende und heisse linke Alternative, gegen
diejenigen, die die ewige Dunkelheit der kalten Nächte des Winters predigen.?

Rein metereologisch betrachtet gehen die kalten Nächte des Winters langsam dem Ende
entgegen, diejenigen jedoch, die die ewige Dunkelheit predigen, verschwinden leider
nicht in den Gullis der Geschichte ? so wie zumindest temporär die Hundescheiße auf
Gaardens Straßen mit dem tauenden Schnee… Dass gerade der Naziterror in Kiel in
der letzten Zeit Ausmaße angenommen hat, die immer wieder Menschen an den Rand des
Todes bringen, zeigt uns allen, dass man jeder Erscheinungsform des Faschismus
absolut nicht einen einzigen Millimeter Platz geben darf. Nicht erst wenn Menschen
sterben, ist dieser Punkt erreicht!
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich alle antifaschistischen Aktionen, die in den
vergangenen Monaten Nazis aus der Anonymität geholt und den braunen Schlägern ihre
Grenzen aufgezeigt haben!
Wir begrüßen, dass heute soviele Menschen gegen diesen ganzen Scheiß auf der Straße
sind.
Wir begrüßen, dass Nazis auch mit ihrem ständigen Nacht- und Nebelterror in Kiel
keinen Fuß an Deck kriegen!
Und wir begrüßen, dass trotz der ganzen Heuchelei, Lügen und Schweigen von Kieler
Nachrichten, Politik und Polizei – dass trotzdem Kiel weiterhin eine
antifaschistische Hochburg bleiben wird!