[Boostedt] Abgeschotteter RassistInnen-Pulk auf Dorferkundung

Ganze zwölf RassistInnen folgten am Samstag, 9. Januar 2016 der Social Media-Mobilisierung von „Schleswig-Holstein wehrt sich“ des notorischen Neonazi-Alleingängers Enrico Pridöl aus Neukirchen (Ostholstein) in die Gemeinde Boostedt, in der Hoffnung, im Ort Stimmung gegen die Bewohner_innen der dort ansässigen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende schüren zu können. Kurzfristig hatte auch das Neumünsteraner Bündnis gegen Rechts zu Gegenprotesten aufgerufen, an denen sich etwa 60 Boostedter_innen, Gewerkschafter_innen und Antifas aus den umliegenden Städten beteiligten.

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In drei Güppchen trafen die RassistInnen ab 12.15 Uhr am Boostedter Bahnhof ein, darunter neben dem angereisten Anmelder Pridöhl mitsamt seiner augenscheinlichen „Demoleitung“ bestehend aus Patrick Schallat aus Pinneberg und Sven Späthmann aus Neumünster auch vier mutmaßliche Boostedter Dorfnazis. Von dem wahrscheinlich größten Polizeiaufgebot in der Geschichte der Gemeinde, das mindestens eine Hundertschaft umfasste und offenbar vor allem zu Demo-Schulungszwecken abgestellt worden war, wurde die Trümmertruppe abgeschirmt von auf der anderen Straßenseite begleitenden Gegendemonstrant_innen einige hundert Meter auf dem Fußweg zum Parkplatz am Sportplatz eskortiert. Hier fand isoliert von jeder Öffentlichkeit und unter antifaschistischen Beschimpfungen die „Auftaktkundgebung“ statt, die den abstrusen Charakter der Veranstaltung nochmals offenbarte. So sprachen die Redner in Ermangelung einer Lautsprecheranlage unverstärkt zu ihren wenigen AnhängerInnen, durch das Fehlen jeglicher Transparente, Schilder, Fahnen oder Flugblätter war auch sonst kein politischer Ausdruck erkennbar.

Als die „Demo“ sich dann zum Erstaunen aller Anwesenden nichtsdestotrotz in Bewegung setzen wollte, entstand kurzerhand eine Blockade, die die RassistInnen etwa 20 Minuten am Losgehen hindern konnte. Durch einen Korridor gelang es der Polizei nach inniger Beratung mit Pridöhl und seinen Helfern schließlich, den rundherum polizeilich eingekesselten Wanderzirkus durch die Gegendemonstrant_innen zu schleusen. So ermöglichten die Beamten den RassistInnen tatsächlich, einen Teil der angemeldeten Wegstrecke als abgeschirmter Pulk zurückzulegen. Obwohl es die Polizei durch ihre in Relation massive Präsenz und mit Hilfe der weitläufigen Straßenführung des Dorfes, von Straßensperrungen und dem Einkesseln von Antifaschist_innen es zwischenzeitlich schaffte, RassistInnen und Gegendemonstrat_innen räumlich zu trennen, kam es auch in der anschließenden halben Stunde immer wieder zu Protesten und kleineren Blockaden. So endete der eigentümliche Aufzug gegen 14.30 Uhr auch unplanmäßig direkt am Bahnhof.

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Ein Teil der RassistInnen verließ das Geschehen mit der Bahn, ein anderer Teil wurde wiederum, nicht ohne Begleitung durch Antifas, polizeilich bewacht zu ihrem Auto gebracht. Das Boostedter Grüppchen verabschiedete sich stilecht mit einem Hitler-Gruß, der von den daneben stehenden Polizist_innen auch entgegen de Hrinweise durch Antifaschist_innen ignoriert wurde, in ein Wohnhaus im Stückenredder direkt am Bahnhof.

Objektiv betrachtet war auch diese Aktion in Boostedt, wie bereits im Vorfeld prognostiziert, ein weiterer schlechter Witz in der Geschichte der diletantischen Organisations-Fertigkeiten des Enrico Pridöhl: Seine vormaligen Kooperationspartner, mit denen er noch vor wenigen Wochen an der Durchführung des Naziaufmarsches in Neumünster beteiligt gewesen ist, ließen ihn, wie auch nahezu sämtliche andere rechte Strukturen und Personenkreise, im Stich und glänzten durch Abwesenheit. Er ist nicht annähernd in der Lage gewesen, für irgendeine Art von politischer Außenwirkung zu sorgen, wärend die spontanen Gegenaktivitäten ihr Anliegen sehr wohl an Anwohner_innen und Passant_innen vermitteln konnten. In Anbetracht des allgemeinen Realitätsverlusts, das dieses absurde Schauspiel abermals offenbarte, ist jedoch nicht auszuschließen, dass Pridöhl und seine wenigen Gefolgsleute auch diesen Auftritt subjektiv zu einem Erfolgserlebnis umdeuten. Dies wäre dann allerdings allein der verantwortlichen Polizeidirektion anzulasten, die weder Kosten noch Mühen scheute, dem Häufchen Elend mit einem gewaltigen Aufgebot den Weg für ihre sonderbare Dorfbegehung zu bahnen.

Damit sich ein solches Szenario nächste Wochen nicht wiederholen kann, wenn in Neumünster wieder eine wohl deutlich höhere Anzahl RassistInnen aufmarschieren will, sind alle Antifaschist_innen aus Schleswig Holstein und darüber hinaus mit Nachdruck dazu aufgerufen, sich an den dortigen Gegenaktivitäten zu beteiligen und zu einem Kräfteverhältnis mit anderen Handlungsoptionen beizutragen.


Fotos der RassistInnen | Fotos Gegenaktionen

Presse: SHZ | KN | Polizeipresse

Der isolierte Aktionismus des Enrico Pridöhl und andere Neujahrs-Pläne des rassistischen Lagers für Boostedt und Neumünster

Bereits für den 13. Dezember 2015 hatte der Neonazi-Aktivist Enrico Pridöhl aus Neunkirchen in Ostholstein eine rassistische Kundgebung unter dem Motto „Asylmissbrauch stoppen, Nein zur Merkel Politik“ in Boostedt bei Neumünster angekündigt, die er jedoch aufgrund mangelnder Unterstützung aus der Szene sowie fehlender Resonanz einige Tage vorher wieder abmelden musste. Nun ruft Pridöhl im Namen seiner Ein-Person-Initiative “Schleswig-Holstein wehrt sich” in sozialen Netzwerken abermals zu einer Hetz-Veranstaltung gegen Geflüchtete auf: Unter dem Motto “Wir sagen NEIN zu Überfremdung und zur Merkel Politik” mobilisiert er für Samstag, 9. Januar 2016 um 13 Uhr nach Boostedt – Rickling.


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Enrico Pridöhl („Schleswig-Holstein wehrt sich“) am 14.11.2015 in Neumünster / Mit dem Rücken zu ihm: Manfred Riemke
Die Gemeinde Boostedt ist ins Visier organisierter Rassist_innen geraten seitdem die ehemalige Rantzau-Kaserne dort zur provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung für derzeit etwa 2000 asylsuchende Menschen umfunktioniert worden ist. Mehrmals versuchten rechte Parteien und Initiativen von NPD über AfD bis zu selbsternannten “besorgten Bürgern” bereits nach dem Vorbild der aktuell unzähligen rassistischen Mobilisierungen im gesamten Bundesgebiet gegen die Geflüchteten Stimmung zu machen. Obwohl es zwischenzeitlich so schien, dass im Dorf bei einigen Anwohner_innen durchaus ein Nährboden für solcherlei Dynamiken vorhanden sei, verliefen sich die rassistischen Initiativen schlussendlich allesamt im Sande. Dies ist nicht zuletzt der starken Präsenz und Aktivität der vielen Flüchtlings-Unterstützer_innen in Boostedt zu verdanken, die den Hetzer_innen durch ihre kontinuierliche praktische Arbeit im Alltag das Wasser abgruben. Der letzte Versuch von Rassist_innen im Ort öffentlich aufzutreten, endete für sie in einem Desaster: Fünf Neonazis vom NPD Kreisverband Segeberg-Neumünster um Mark Michael Proch und Daniel Nordhorn sahen sich am 31. Oktober 2015 dem spontanen Protest von 150 Antifaschist_innen aus verschiedenen Spektren gegenüber und mussten tatenlos wieder einpacken.
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150 Antifaschist_innen gegen NPD-Auftritt am 30.10.2015 in Boostedt
Im Zuge des Aufmarschversuches von “Neumünster wehrt sich” am 14. November 2015 in Neumünster, als 80 Rassist_innen größtenteils aus dem Neonazi-Spektrum am Widerstand von über 300 Antifaschist_innen scheiterten, haben sich nun weitere Personalien aus dem schleswig-holsteinischen Neonazi-Sumpf der Hetze gegen Geflüchtete sowie auch der Ortschaft Boostedt angenommen – darunter auch ebenjener Enrico Pridöhl. Pridöhl kann als Sonderling der Szene bezeichnet werden, der in Vergangenheit bereits wiederholt durch Ankündigungen von Aktionen und Initiativen aufgefallen ist, die wenig bis keinen Rückhalt in der Szene genossen und insofern floppten. Derzeit versucht er sich offenbar sogar am Aufbau eines weiteren, offensichtlich zum Scheitern verurteilten Ego-Parteienprojektes namens „Zukunft für Deutschland“. Der Aufmarsch in Neumünster war insofern die bis dato wohl prominenteste Aktion, an deren Organisation Pridöhl bisher beteiligt gewesen ist. Dass dessen relative Größe wohl weniger Pridöhl als anderen Protagonisten von “Neumünster wehrt sich” um Manfred Riemke und Manuel Fiebinger geschuldet gewesen ist, offenbaren seine Anschluss-Initiativen in Boostedt nur allzu deutlich: Seine vorherigen Mitstreiter distanzierten sich im Namen von “Neumünster wehrt sich” öffentlich von den Mobilisierungen, andere Neonazis wie der Eutiner Sebastian Alexander Struve, der in Neumünster als Redner auftrat, kündigen unter Häme ihr ausdrückliches Nicht-Kommen am 9. Januar an. Es ist also davon auszugehen, dass Pridöhls abermalig angekündigter Auftritt in Boostedt, sollte er nicht ohnehin schon im Vorfeld wieder abgemeldet werden, auf sich allein gestellt eher dem dortigen armseligen NPD-Auftritt, als dem Demoversuch in Neumünster ähneln wird.

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Foto links: Manfred Riemke („Neumünster wehrt sich“) am 14.11.2015 in NMS / Foto rechts: Sebastian Alexander Struve (ehemals „AG Eutin“) als Redner am 14.11.2015 in NMS

Auch wenn also auch diesmal nicht von einer größeren rassistischen Mobilisierung nach Boostedt auszugehen ist und die Situation im Dorf derzeit für solcherlei Initiativen von auswärtigen Neonazis tendenziell auch wenig anschlussfähig zu sein scheint, sollten Antifaschist_innen die Ankündigung für den Tag im Auge behalten und ggf. spontan reagieren. Weiterhin gilt es, sich jedem Versuch von Rassist_innen, Stimmung gegen Geflüchtete zu machen, klar und deutlich entgegenzustellen. Noch mehr als für Pridöhls eigentümliche Experimente in Boostedt gilt dies für die weiterhin im Raume stehende, jedoch nach wie vor unkonkrete Androhung von Riemkes tendenziell ausstrahlungskräftigerer “Neumünster wehrt sich”-Initiative, im Januar 2016 eine Wiederholung des 14. November anzustreben. Darauf, dass diese fixe Idee nicht vom Tisch ist, verweisen entsprechenden Aufrufe zur logistischen Unterstützung zukünftiger Aufmärsche in sozialen Medien.
Dass zur Tat schreitender Rassismus auch in Schleswig-Holstein trotz im deutschlandweiten Vergleich weitestgehend ausgebliebener Hetzmobilisierungen eine nicht zu unterschätzende, permanent schwelende Bedrohung ist, zeigen die im Jahr 2015 offiziell auf 30 angestiegene Zahl von Anschlägen auf Unterkünfte von Geflüchteten im nördlichsten Bundesland. Ob diese Tendenz sich 2016 weiter zuspitzen wird oder sie zurückgedrängt werden kann, wird maßgeblich auch daran liegen, inwieweit es Antifaschist_innen und Antirassist_innen gelingt, den Hetzer_innen und potentiellen Brandstifter_innen die Räume zu nehmen. Dazu Bedarf es kontinuierlicher Beobachtung der Entwicklungen, Sensibilisierung der jeweils vor Ort betroffenen Öffentlichkeit, spontaner und entschlossener Handlungsfähigkeit und als Grundlage all dessen: verlässlicher Organisierung.

Keine Ruhe der AfD – rassistische Veranstaltung in Kiel gestört

Am vergangenen Montag, 14.12.2015 hatte der AfD-Kreisverband Kiel zu einer Veranstaltung geladen. Ihr Thema war als Wege aus der Asyl- und Flüchtlingskrise” angekündigt, bei der in üblich rassistischem Tenor die „denkbaren Mechanismen zur Eindämmung der Flüchtlingsströme” vorgestellt und diskutiert werden sollten. Schon im Vorfeld regte sich dagegen Widerstand, indem die Autonome Antifa-Koordination einen Offenen Brief an den ursprünglichen Veranstaltungsort, das Hotel Consul, veröffentlicht hatte. Das Schreiben informierte über die Hintergründe der geplanten Veranstaltung, die nationalistischen und rassistischen Positionen der AfD sowie ihrer Abspaltung ALFA und der Jugendorganisation „Junge Alternative“. Außerdem wurde angekündigt, im Falle der Aufrechterhaltung der Raumzusage an die AfD zu einer Protestkundgebung zu mobilisieren. Die Argumente gegen die AfD und ihre Positionen überzeugten das Hotel Consul offensichtlich, so dass die Veranstaltung kurzfristig abgesagt wurde.

Die AfD war hierdurch gezwungen worden, sich spontan neue Räumlichkeiten suchen zu müssen. Ein Versuch, der erfreulicherweise erfolglos blieb: Anscheinend wollte niemand den RechtspopulistInnen eine Bühne bieten. Daraufhin verlegte die Partei die Veranstaltung kurzerhand in die Räume ihrer Kieler Landesparteizentrale am Walkerdamm, was am Montagmorgen per Anzeige in den „Kieler Nachrichten“ öffentlich gemacht wurde.

Trotz kurzer Vorlaufszeit und miesen Wetters versammelten sich deshalb am Montagabend schließlich etwa 20 Antifaschist_innen und zogen zum Parteibüro der AfD, welches übrigens nach wie vor durch zerstörte Fensterscheiben zu glänzen weiß. Die Polizei war zwar vor dem Büro und im Umfeld massiv präsent, beschränkte sich aber auf die Sicherung des Büros und trat ansonsten nicht weiter in Erscheinung. Mittels Transparenten, Sprechchören wie „AfD: Rassistenpack – wir haben euch zum Kotzen satt“ und „Kein Mensch ist illegal – Bleiberecht überall“ sowie einem kurzen Redebeitrag, in dem die rassistischen Postionen der AfD, deren Überschneidungen zu Positionen von Neonazis, das Mitlaufen derselben auf AfD-Demos sowie die aggressive Stimmung gegenüber Geflüchteten in Deutschland thematisiert wurden, sorgten die anwesenden Antifaschist_innen nicht nur für die hektische Schließung der Bürofenster, sondern auch dafür, dass die Veranstaltung, an der ca. 30 Personen teilnahmen, nicht ungestört über die Bühne gehen konnte. Die Kälte vertrieb dankenswerterweise der Kaffee, der den Antifaschist_innen großzügigerweise von solidarischen Anwohner_innen serviert wurde. Nach einer halben Stunde und mit abschließenden Sprechchören wurde die Protestaktion beendet und die Anwesenden konnten sich unbehelligt auf den Weg nach Hause machen.

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Als Fazit bleibt festzuhalten, dass wieder einmal gezeigt werden konnte, dass die AfD, egal wo und wie sie öffentlich in Erscheinung tritt – seien es Infostände im Rahmen der sogenannten „Herbstoffensive“, ein geplanter Aufmarsch in Hamburg, ein „Kennenlerntreffen“ in Kiel oder die Veranstaltung am Montag – sie dies nicht ungestört und unbehelligt machen und zum Verbreiten ihrer rassistischen und nationalistischen Politik nutzen kann, sondern sie immer wieder Gefahr läuft, mit antifaschistischen Gegenaktionen konfrontiert zu werden. Auch in Zukunft rufen wir alle Antifaschist_innen und Antirassist_innen dazu auf, sich den Rechtspopulist_innen der AfD und allen anderen Rassist_innen wann immer es angebracht ist, in den Weg zu stellen und dafür zu sorgen, dass der kalte eisige Wind des antifaschistischen Widerstands ihnen auch in Zukunft direkt ins Gesicht blasen wird.

Kein Raum für rassistische Politik – AfD werden wiederholt Veranstaltungsräume in Kiel und SH gekündigt

Für kommenden Montag hat die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine öffentliche Veranstaltung unter dem Titel Wege aus der Asyl- und Flüchtlingskrise” angekündigt, bei der in üblich rassistischer Manier die „denkbaren Mechanismen zur Eindämmung der Flüchtlingsströme” vorgestellt und diskutiert werden sollen. Als Veranstaltungsort war das Hotel Consul vorgesehen. Das Hotel ist direkt neben dem AfD-Büro im Walkerdamm gelegen und in der Vergangenheit durchaus wiederholt Anlaufpunkt für ähnliches Klientel gewesen, beispielsweise für Treffen der Jugendorganisation der AfD „Junge Alternative“ oder eine Veranstaltung der AfD-Abspaltung „Allianz für Fortschritt und Aufbruch” (ALFA) unter dem Motto „Wir stoppen Merkel“, die erst am 24.11. dort stattfand.

Als Reaktion darauf wurde im Namen der Autonomen Antifa-Koordination Kiel ein Offener Brief (1) an das Hotel Consul verfasst in dem aufgeklärt wurde, für welche rassistischen und nationalistischen Parteien und Organisationen das Hotel regelmäßig seine Räume zur Verfügung stellt. Nachdrücklich wurde darum gebeten, die AfD für Montag wieder auszuladen und ihr auch in Zukunft keine Räume mehr zur Verfügung zur stellen. Zudem wurde eine antifaschistische Kundgebung in direkter Nähe zum Hotel angekündigt, sollte die AfD-Veranstaltung dennoch wie geplant stattfinden. Die zugetragenen Informationen und Argumente gegen die rassistischen Mieter_innen haben die Verantwortlichen des Consul offensichtlich rundum überzeugt, sodass der AfD die Räume kurzfristig wieder gekündigt wurden. Wir begrüßen diesen Schritt natürlich und hoffen auch in Zukunft auf ähnlich besonnenes Handeln des Hotel Consul im Umgang mit Anfragen rechter Akteure.

Die AfD wiederum muss sich nun spontan einen neuen Raum für ihre rechte Hetze suchen. Der neue Veranstaltungsort soll laut Selbstauskunft der AfD am Montag via Anzeige in der Lokalzeitung „Kieler Nachrichten“ (KN) veröffentlicht werden. Wir rufen alle Antifaschist_innen dazu auf, auch diese Versammlung der Rechtspopulist_innen nicht ungestört über die Bühne gehen zu lassen und den rassistischen Hetzer_innen direkt zu zeigen, was von ihnen zu halten ist.

Dass solche Initiativen auch spontan sehr gut möglich sind bekam die AfD bereits letzte Woche in Kiel zu spüren. Abermals per KN-Inserat hatte die Partei zu einem „Kennenlerntreffen“ in ein Restaurant am Exerzierplatz geladen. Daraufhin versammelten sich ohne lange Vorlaufzeit etwa 25 Antifaschist_innen mit Transparenten vor der vorgesehenen Lokalität und kamen in diesem Zuge auch mit dessen Betreiber ins Gespräch. Dieser erklärte, dass Achille Demagbo – aktueller Landesvorsitzender der AfD – ein ehemaliger Mitarbeiter von ihm sei und dieser für den Abend einige Tische reserviert habe. Er habe jedoch nicht gewusst, dass diese für ein solches Treffen genutzt werden sollten. Nachdem der Betreiber vor Ort nachträglich über die Ankündigung des Treffens und die Funktion Demagbos informiert wurde, erklärte dieser sofort, der AfD für kommende Treffen keine Räume mehr zur Verfügung zu stellen. Nach einigem Hin und Her durften die sieben bis acht auf ihrer Reservierung beharrenden AfD-Gestalten dennoch zumindest für diesen Abend in das Restaurant. Allerdings nur unter Anwesenheit einiger Antifaschist_innen, die gleichzeitig vom Betreiber auf Häppchen und Getränke eingeladen wurden. Den Rassist_innen dagegen wurden im Laufe des Abends noch die eine oder andere verbale Nettigkeit zukommen gelassen.

Auch in anderen Städten Schleswig-Holsteins mussten Rechtspopulist_innen ähnliche Erfahrungen machen: In Wedel und Pinneberg wurden der Partei ALFA die Räumlichkeiten verwehrt und in Uetersen wurde, ebenfalls als Reaktion auf einen Offen Brief von Antifaschist_innen, der Veranstaltungsort für einen Auftritt der stellvertretenden AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch gekündigt.

Mit Blick auf die selbsternannte „Herbstoffensive“ der AfD kann zumindest für Schleswig-Holstein und Hamburg konstatiert werden, dass die Rechtspopulist_innen nicht ungestört öffentlich agieren konnten und oftmals mit antifaschistischen Protesten konfrontiert wurden: Belagerte oder abgesagte Infostände in Kiel und Flensburg, direkte Aktionen gegen das Kieler Parteibüro, geplatzte Veranstaltungen aufgrund von fehlenden Räumlichkeiten und nicht zuletzt die gescheiterte norddeutsche Demonstration der AfD-Landesverbände in Hamburg Ende Oktober machten deutlich, dass Rassist_innen und Nationalist_innen einen schweren Stand im hohen Norden haben und ihre Hetze auf der Straße oder in öffentlichen Räumen regelmäßig auf Widerstand trifft.

(1) Offener Brief an das Hotel Consul

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Geschichtsrevisionistisches und militaristisches Ehrenmal auf Kieler Nordfriedhof eingefärbt

Rechtzeitig zum sogenannten Volkstrauertag am 15.10.2015 wurde in Kiel ein geschichtsrevisionistisches und militaristisches Ehrenmal auf dem Kieler Nordfriedhof eingefärbt berichtet das unabhängige Nachrichtenportal Indymedia Linksunten. Zum Hintergrund der Aktion heißt es dort:

„Jedes Jahr zum Volkstrauertag trauert die deutsche Nation um ihre Helden. Helden nach deutscher Art sind nicht WiderstandskämpferInnen gegen den Faschismus oder Betroffene der deutschen Vernichtungsaktionen.


Lieber trauert das Land um Soldaten der deutschen Angriffskriege, faschistische Milizen und Kriegsverbrecher. Inschriften in Ehrenmälern in ganzen Land berichten von Ehre, Treue, Heldenmut und Vaterland. Auf dem hässlichen Stein der jetzt hübsch pink erstrahlt stand „Wir Toten fordern als unser Recht die alte Treue vom neuen Geschlecht“ und „Im Weltkriege starben den Heldentod 1.569 Offiziere und Beamte 718 Deckoffiziere 7.349 Unteroffiziere 25.197 Mannschaften der kaiserlichen Marine“. Den MilitaristInnen und Nazis wurde so dieses Jahr die feierliche Stimmung versaut.“

Rassisten in Neumünster blockiert

Am 14. November 2015 wollten schleswig-holsteinische Neonazis und Rassisten in Neumünster aumfarschieren und „gegen Asylbetrug, Masseneinschleusung und Islamisierung unserer Gesellschaft“ demonstrieren. Organisiert wurde diese Demo von Nazis aus einer Facebook-Gruppe namens „Neumünster wehrt sich“ und dem Umfeld der NPD (Recherche-Überblick zu den Initiatoren der Demo). Antifaschistische Gruppen und Gewerkschaften aus Schleswig-Holstein mobilisierten nach bekannt werden der Aktion nach Neumünster und riefen dazu auf, die Rassisten zu stoppen. Der Aufmarsch der etwa 80 Nazis konnte blockiert werden, eine Gegendemonstrant_in wurde von der Polizei schwer verletzt.

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Aufgrund des eher desolaten Zustands der Nazi-Szene in Schleswig-Holstein waren zuverlässige Prognosen über die zu erwartende Teilnermerzahl dieser Demo schwer zu erstellen, letztendlich kamen zu dem Aufmarsch etwa 80 Rassisten, denen sich erfreulicherweise etwa 400 Antifaschist_innen aus verschiedenen Städten entgegenstellten. Aus Kiel fuhr eine größere Gruppe Antifaschist_innen mit dem Zug nach Neumünster und versuchte vor Beginn der Demo zum Auftaktskundgebungsplatz der Nazis zu kommen. Die Gruppe wurde jedoch von der Polizei unter Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray davon abgehalten den Kleinflecken zu erreichen. Ein Teil der Gruppe wurde kurz darauf von der Polizei kurzzeitig eingekesselt. Gleichzeitig sammelten sich auf dem Kleinflecken die Nazis, auf der anderen Seite des Platzes konnten sich allerdings immer mehr Menschen direkt zur Nazi-Kundgebung bewegen. Nachdem dort die ursprünglich angemeldete Route von mehreren hundert Nazi-Gegner_innen blockiert wurde, wurde den Nazis von der Polizei eine Ausweichroute angeboten. Als diese sich in den Schleusberg bewegten, konnte auch diese Straße schnell von Antifaschist_innen blockiert werden. Die Nazis wurden so von allen Seiten eingeschlossen, die Polizei war zwar mit etwa 200 Cops im Einsatz, musste sich jedoch darauf beschränken die Nazis zu schützen und verzichtete darauf den Aufmarsch mit Gewalt gegen die vehementen Proteste durchzusetzen. Nach zwei Stunden Kessel im Regen beendeten sie gegen 15 Uhr ihren Aufmarsch und verließen in Kleingruppen den Schleusberg, nicht ohne die vollmundige Ankündigung auszusprechen, von nun an jeden Monat in Schleswig-Holstein aufzumarschieren.

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Im Umfeld des Kleinfleckens kam es daraufhin zu mehreren Aufeinandertreffen zwischen Antifaschist_innen und Nazis. Als abreisende Nazis auf dem Kleinflecken mit Beleidigungen verabschiedet wurden, setzte die Polizei erneut Knüppel gegen Gegendemonstrant_innen, hierbei wurde ein_e Antifaschist_in von einem Polizisten mit einem Schlagstock ins Gesicht geschlagen und musste daraufhin im Krankenhaus behandelt werden. Während die Person von Sanitäter_innen und Freund_innen versorgt wurde verhielt sich die Polizei aggressiv, schubste und drohte mit Anzeigen. Laut Polizeipressemitteilung müssten „Hintergründe hierzu […] noch genau geklärt werden“.

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Trotz der Polizeiübergriffe am Mittag und am Nachmittag war die antifaschistische Mobilisierung nach Neumünster ein voller Erfolg, die Rassisten konnten gerade mal 50 Meter laufen und waren die ganze Zeit von Gegendemonstrant_innen umringt, die ihre Route blockierten und ihre Hetze lautstark übertönten. Fest- oder Ingewahrsamnahmen durch die Polizei hat es nach unseren Informationen nicht gegeben. Mehrere hundert Antifaschist_innen aus Neumünster, S-H und Hamburg stellten wieder einmal klar, dass Nazis in Schleswig-Holstein ein starker Wind entgegenbläst und ihre Aufmarschversuche nicht ungehindert ablaufen.

Fotos der Nazis: www.flickr.com/photos/fabianschumann

Presse: KN | Polizei Presseportal | SHZ

AfD-Landeszentrale in Kiel angegriffen

Einem Kurzbericht auf Indymedia sowie einer Presseerklärung des Kieler Kreisverbandes der rechtspopulistischen Partei „Altenative für Deutschland“ (AfD) ist zu entnehmen, dass „vermummte Täter“ an der Glasfassade der AfD-Landesgeschäftsstelle im Walkerdamm in der Kieler Innenstadt in der Nacht zum 29. Oktober 2015 „sämtliche Schaufensterscheiben“ „mit schwerem Werkzeug“ zerstört haben. Zudem sei „großflächig die Aufforderung „31.10. Hamburg – Rassisten stoppen“ dort angebracht“ worden. Die AfD will nach eigenen Angaben einen „Sachschaden von mehreren Tausend Euro“ zu beklagen haben.

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Hintergrund der militanten Aktion ist offenbar der Widerstand gegen den norddeutschlandweiten Aufmarsch, den die AfD am vergangenen Samstag im Rahmen ihrer rassistischen „Herbstoffensive“ in Hamburg durchführen wollte. Mindestens 1300 Antifaschist_innen verhinderten jedoch durch Einzingelung des Auftaktkundgebungsortes, dass die höchstens 350 Rassist_innen auch nur einen Meter zurücklegen konnten und sorgten stattdessen dafür, dass diese nach drei Stunden des Rumstehens die Stadt unverrichteter Dinge schließlich wieder verlassen mussten. Auch in Kiel hat die AfD in den letzten Wochen am 10. bzw. am 24. Oktober mindestens zwei Infostände durchgeführt, von denen zumindest Letzterer am Exerzierplatz Dank spontaner Gegenproteste von über 50 Antifaschist_innen ohne nennenswerte öffentliche Ausstrahlungskraft blieb.

Nächsten Samstag wollen die Rechtspopulist_innen ihre Kampagne gegen Refugees, mit der sie offenbar von der massiven Zunahme rassistischer Stimmungen in Teilen der deutschen Bevölkerung profitieren wollen und die in einigen Städten teils Tausende Menschen mobilisieren konnte, in Berlin mit einer bundesweiten Großdemonstration zum abschließenden Höhepunkt führen. Antifaschistische Gruppen kündigen unter dem Motto „Geistige Brandstifter stoppen!“ die Verhinderung dieses Vorhabens an.

Saubere Antifa-Nummer in Boostedt

Nachdem kurzfristig bekannt geworden war, dass der NPD Kreisverband Neumünster-Segeberg für den vergangenen Samstag, 31.10.2015 sowohl in Bad Bramstedt als auch in Boostedt Kundgebungen unter dem Motto „Asylflut stoppen“ angemeldet hatte, mobilisierten antifaschistische Gruppen aus Schleswig-Holstein sowie zivilgesellschaftliche Initiativen spontan zu Gegenprotesten. Der Schwerpunkt wurde dabei auf die kleine Gemeinde Boostedt bei Neumünster gelegt, wo erst jüngst die Debatte um die dort seit einigen Monaten in der Rantzau-Kaserne eingerichtete provisorische Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete wieder aufgeflammt war, in der auch, teils organisierte, rassistische Stimmen wieder versuchten, Oberwasser zu gewinnen.

In Bad Bramstedt tauchten vormittags schließlich sechs jämmerliche Neonazis am Marktplatz auf, die versuchten, der desinteressierten Öffentlichkeit ihre alten Wahlpappen zu präsentieren. Sie sahen sich mit etwa 50 Menschen konfrontiert, die spontan gegen den NPD-Auftritt demonstrierten.

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Bereits ab halb 12 Uhr versammelten sich Dutzende Antifaschist_innen im Boostedter Ortskern, um der NPD einen angemessenen Empfang zu bereiten. Die Polizei drängte die Antifaschist_innen unnötigerweise schon vor deren Ankunft einige Meter die Straße herunter und sicherte den Neonazis damit willig ihren Versammlungsort. Als gegen 12.15 Uhr schließlich das Neumünsteraner NPD-Ratsmitglied Mark Michael Proch im Gefährt seiner Ehefrau Sonja am „Hof Lübbe“ vorfuhr, hatten sich bereits 200 Menschen, darunter viele Boostedter_innen, zu einer antifaschistischen Kundgebung versammelt. Während hier mehrere Redebeiträge gehalten sowie Flugblätter an Passant_innen und in Briefkästen verteilt wurden und das Neonazi-Häuflein in Sicht- und Hörweite von Zeit zu Zeit mit Häme und Antifa-Parolen bedacht wurde, standen sich die fünf NPDler – darunter neben Proch auch der zunehmend verbraucht wirkende Daniel Nordhorn, Marc-Richard Tenten und Michael Denz – eine Stunde lang tatenlos die Füße in den Bauch, verteilten maximal ein (!) Flugblatt und präsentierten abermals eine handvoll hässlicher NPD-Plakate, von denen außer den vielen Gegendemonstrant_innen jedoch niemand Notiz genommen haben dürfte. Um ziemlich genau 13.15 Uhr war der obskure Auftritt der (bezeichnenderweise) aktionistischen Speerspitze der NPD Schleswig-Holstein schließlich endlich vorbei und die Wagenladung Neonazis verließ unter lautstarken Schmähungen das Dorf.

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Wenngleich die Gefahr rassistischer Mobilisierungen gegen die Geflüchteten-Unterkunft in Boostedt sicherlich keineswegs als gebannt betrachtet werden darf, so hat sich an diesem Tag jedoch endgültig geklärt, dass es wohl nicht die NPD sein wird, die dabei irgendeine relevante Rolle spielen wird. Sehr erfreulich war dagegen das spontane, solidarische und breite Zusammenspiel verschiedener antifaschistischer Akteure sowohl aus den umliegenden Städten, als auch aus der Gemeinde selbst, an das nun auch bei kommenden Anlässen angeknüpft werden sollte.

Viele angereiste Antifaschist_innen begaben sich nach Ende der Aktion nach Hamburg, um sich dort an der erfolgreichen Verhinderung des norddeutschlandweiten rassistischen AfD-Aufmarsches durch 1300 Antifaschist_innen zu beteiligen am Hauptbahnhof und anschließend anlässlich des Welt-Kobanê-Tags zusammen mit 500 weiteren Teilnehmer_innen ihre Solidarität mit dem revolutionären Aufbauprozess und dem Widerstand im kurdischen Rojava zu demonstrieren.

Insgesamt konnte die antifaschistische Bewegung im hohen Norden an diesem Wochenende damit zwei wichtige Teilerfolge erringen, die in Anbetracht der sich bundeweit ansonsten dramatisch zuspitzenden Lage hoffnungsvoll stimmen. Wo auch immer Rassist_innen – ganz egal ob NPD, AfD oder anderes Pack – ihre Hetze verbreiten, werden wir uns den (geistigen) Brandstifter_innen in den Weg stellen. So auch am Samstag, 14.11.2015 in Neumünster, wo Mark Proch und sein Umfeld zu einer rassistischen Demo unter dem Motto „Neumünster wehrt sich!“ aufrufen. Weitere Ankündigen dazu folgen zeitnah, haltet Euch bereit.

Pressebericht (SHZ, 2.11.2015)

„Willkommensstadt“ Kiel schmeißt Refugee-Supporter aus dem Rathaus

Nachdem die Versorgungslage für flüchtende Menschen auf dem Weg nach Schweden in Kiel auch nach der desaströsen Montagnacht im Hauptbahnhof und trotz der Errichtung der provisorischen Notunterkunft im Ostseekai weiterhin zu wünschen übrig ließ, entschieden sich antirassistische Aktivist_innen an der öffentlichen Ratssitzung am Donnerstag, 17.9. teilzunehmen, um dort ihren Unmut über die angespannte Situation kundzutun. So gab es auch weiterhin keinerlei Shuttles zu den Terminals, die Verpflegung konnte nur durch die Eigeninitiative von Unterstützungsnetzwerken gewährleistet werden, die Ticketsituation blieb durchgehend ungewiss und die Schlafmöglichkeiten im Provisorium unangemessen.

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Nachdem ihre vorab übermittelte Forderung nach Redezeit in der Sitzung abgelehnt wurde, entrollten mindestens 50 kritische Zuhörer_innen Transparente von den Tribünen, ließen Flugblätter fliegen, protestierten lautstark und versuchten, den Redebeitrag unverstärkt zu halten. Statt einfach mal zuzuhören, zögerte Stadtpräsident Tovar nicht und forderte stattdessen die reichlich anwesende Polizei auf, die Tribünen gewaltsam zu räumen. Die Rede konnte zwar vollendet werden, ging im allgemeinen Tumult aber leider etwas unter. Anschließend wurden die Antirassist_innen von den Beamt_innen gewohnt ruppig durch die Rathausflure vor die Tür geboxt.

Ein Großteil der Aktivist_innen begab sich anschließend direkt wieder zum Schwedenkai, um dort, wie schon in den Tagen zuvor, flüchtenden Menschen, die die Fähre nach Göteborg nehmen wollen, solidarisch und unterstützend zur Seite zu stehen. Zeitgleich erklärte sich der Rüstungsstandort Kiel, der die Kriegsgebiete dieser Welt zuverlässig mit Waffentechnik ausstattet und damit maßgeblich daran beteiligt ist, dass abertausenden Menschen außer der Flucht aus ihren Heimatländern keine andere Perspektive mehr bleibt, selbstbeweihräuchernd zur „offenen, hilfsbereiten und solidarischen Stadt“; in erzwungener Abwesenheit derer, die seit Tagen für die mangelhafte und realitätsferne Vorbereitung der Behörden in die Bresche springen und ohne die dieser selbstverliehene Titel zur öffentlich zur Schau gestellten Lachnummer würde.

Bringt Euch ein in die Refugee-Support-Struktur und kommt zu den täglichen Treffen des netzwerk antirassistische aktion [nara] kiel um 19 Uhr in der Alten Mu!

Bericht bei KN-Online (17.9.2015)

Kiel: Dringende Notunterkünfte für Refugees durchgesetzt

Nach desaströser Nacht im Kieler Hauptbahnhof und massiven Protesten: Stadt erfüllt dringende Forderung nach Schaffung von Notunterkünften für flüchtende Menschen auf dem Weg nach Nordeuropa. Frage der Ticketversorgung bleibt ungeklärt, antirassistische Organisierung notwendig.

Die Zustände, mit denen antirassistische Aktivist*innen, Fußballfans und Passant*innen und vor allem diejenigen, die von ihnen betroffen waren – mindestens 140 flüchtende Menschen vor allem aus Syrien, die Montagnacht gegen ab kurz vor 1 Uhr auf dem Weg nach Schweden am Kieler Hauptbahnhof strandeten, konfrontiert gewesen sind, waren schlichtweg nicht zumutbar: Erschöpfte Menschen, darunter auch viele Familien mit Kleinkindern, die in der Wartehalle, auf Bahnhofsbänken oder dem Fußboden der Sparda Bank auf engstem Raum und ohne jede Privatsphäre ihre Schlaflager errichten mussten, eine Handvoll vollends unvorbereiteter, sichtlich überforderter und zu jeder Unterstützungsleistung unfähige Polizisten als einzige Ansprechpartner staatlicher Behörden und irritierte Blicke nächtlicher Bahnhofsgänger*innen in die improvisierten Schlafstätten. Nur durch die spontane Handlungsfähigkeit antirassistischer Netzwerke, die so gut es eben ging Abhilfe organisierten, konnte den Menschen zumindest das Allernötigste zur Verfügung gestellt werden: Decken, Isomatten, Getränke, ein bisschen was zu Essen und die wichtigsten Informationen zur Weiterreise mit der Fähre nach Schweden. Die Stadt, die sich derzeit so gern in der Hilfsbereitschaft vieler Kieler*innen sonnt, hatte komplett versagt: Keine Notunterkunft, keine Decken, keine Verpflegung, nicht mal irgendein Ansprechpartner war von offizieller Seite aufzufinden. Auch als sich die Flüchtenden in den Morgenstunden zum Terminal aufmachten, hatte sich daran nichts geändert.

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Nur wenige Stunden später versammelten sich noch am selben Nachmittag etwa 200 antirassistische Aktivist_innen kurzfristig vorm und im Rathaus, um dafür zu sorgen, dass sich eine solche Situation nicht wiederholen wird. In den Eingängen des Rathauses wurden, um der Öffentlichkeit die Dimensionen der desaströsen Nacht im Kieler Hauptbahnhof zu verdeutlichen, säckeweise Schlafutensilien, die den Refugees bei der improvisierten Unterstützungsmaßnahme zur Verfügung gestellt wurden, aufgetürmt. Drinnen wurden Stadtvertreter_innen, darunter auch dem grünen Bürgermeister Peter Todeskino, von dutzenden Demonstrant_innen die Forderung übermittelt, noch vor der Nacht Notunterkünfte für flüchtende Menschen schaffen, die zu welcher Tages- oder Nachtzeit auch immer in Kiel ankommen. Die Behörden dürften sich nicht länger darauf ausruhen, dass solidarische Menschen mit bescheidenen und improvisierten Kapazitäten für das in die Bresche springen, was die Stadt als das Mindeste zur Verfügung zu stellen hat: Essen, Trinken, Dolmetscher*innen, Fährtickets und ein Dach über den Kopf für alle Menschen, die auf ihrer Flucht durch Europa Kiel passieren.

Nach dem Rathausbesuch zogen etwa 100 Demonstrant_innen trotz strömenden Regens durch die Kieler Innenstadt zum Hauptbahnhof um diese akuten Forderungen zu bekräftigen. Im Bahnhofsgebäude, dem vorherigen Schauplatz der unzumutbaren Nacht, fand eine kurze Abschlusskundgebung statt.

Mittlerweile haben die städtischen Behörden reagiert und eine provisorische Notunterkunft für Flüchtende im alten Ostseekaiterminal errichtet. Etwa 250 Neuankömmlinge, die im Laufe der Nacht Kiel erreichten, nutzten diese prompt. Ein offener Streitpunkt bleibt derweil die Übernahme von Ticketkosten für mittellose Refugees. Möglicherweise muss auch dieser Forderung in den kommenden Tagen aktionistischer Nachdruck verliehen werden – dann hoffentlich so erfolgreich wie in der Frage der Unterbringung.

Wer sich in die Unterstützungsstruktur für Refugees auf der Durchreise einbringen will, ist jeden Abend um 19 Uhr in die Alte Mu im Lorentzendamm eingeladen, wo das tägliche Koordinierungstreffen des netzwerk antirassistische aktion [nara] kiel stattfindet.

Bericht [&] Video bei KN-Online (15.9.2015)