Widersprüchliche Spannbreite und große Beteiligung beim 1. Mai in Kiel

Bis zu 2000 Menschen trotzten am 1. Mai 2018 Kälte, Dauerregen und morgendlichem Auftakt und beteiligten sich an der traditionellen Gewerkschaftsdemo zum internationalen Kampftag der Ausgebeuteten und Unterdrückten unter dem diesjährigen Motto „Solidarität – Vielfalt – Gerechtigkeit“ in Kiel. Etwa 300 Demonstrant*innen fanden sich zum revolutionären Block linksradikaler Gruppen unter der Losung „Ich war, ich bin, ich werde sein! Revolutionär kämpfen gegen Ausbeutung, Krieg und autoritäre Formierung!“ und dem internationalistischen Block der Afrin-Solidarität zusammen, die gemeinsam liefen. Davor hatte sich der Jugendblock eingereiht, der mit 200 Teilnehmer*innen ebenfalls groß ausfiel. Zum Ende der Route vom Wilhelmplatz, entlang des Schrevenparks, durch die Gutenbergstraße über Dreiecksplatz und Bergstraße zum Gewerkschaftshaus in der Legienstraße erwachte der revolutionäre Block zunehmend und rief vermehrt laute antikapitalistische Parolen.

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Auf der Abschlusskundgebung auf der DGB-Bühne in der Legienstraße lagen Licht und Schatten in diesem Jahr nah beieinander. Während verschiedene Teilgewerkschaften auf ihre laufenden und bevorstehenden Arbeitskämpfe aufmerksam machten, Jugendvertreter*innen die spezifische Ausbeutung von Azubis thematisierten, zur Demonstration zum Tag der Pflege am 12. Mai mobilisiert, u.a. von einem Redner von Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein zum Widerstand gegen den Rechtsruck in all seinen Facetten aufgerufen und durchweg ein klarer Bezug zur Novemberrevolution vor 100 Jahren hergestellt wurde, sorgten andere Beiträge für großen Unmut.

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Dieser drückte sich in lautstarkem Protest nicht nur aus, als die fragwürdige DGB-Haltung zur Schließung des Holtenauer Flughafens zugunsten der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum verdeutlicht wurde, die an der Seite der Unternehmerlobby dessen Erhalt fordert, sondern vor allem, als Torsten Jäger, Landesvorsitzender der „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP), seine Rede begann. Während dieser die stark kritisierte Aufrüstung der Polizei in Schleswig-Holstein mit Sturmgewehren verteidigte, das Märchen von der zunehemenden Gewalt gegen Polizist*innen propagierte und seinen Kolleg*innen für den Polizeigewalt bei 1. Mai-Demos und dem G20-Gipfel dankte, erntete er Buh-Rufe und „Hau ab“-Sprechchöre und musste vor der Bühne schließlich von einer Reihe Uniformierter abgeschirmt werden. Gleich zwei verteilte Flugblätter thematisierten währenddessen, warum die GdP insbesondere auf einer 1. Mai-Demo, aber auch generell in einem Gewerkschaftsbund nichts verloren hat. Schon im Aufruf zum revolutionären Block hatte es dazu geheißen: „Vor diesem historischen Hintergrund des 1. Mai, der einst als Gedenktag für die Ermordeten vom Haymarket ins Leben gerufen wurde und das Verhältnis von kämpfenden Arbeiter*innen zum Staat und seiner Exekutive unter Klassenverhältnissen auf den Punkt bringt, erscheint es umso paradoxer, dass der DGB auf der Kieler Mai-Kundgebung in diesem Jahr ausgerechnet einen Vertreter der „Gewerkschaft der Polizei“ (GDP) als einen der Hauptredner ankündigt.“

 

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Alles in allem kann als erfreulich bewertet werden, dass die Mobilisierung zum revolutionären Block trotz Kurzfristigkeit und Kieler Wetter überraschend großen Anklang gefunden hat, zumal dies der erste entsprechende Aufruf in Kiel seit einigen Jahren gewesen ist. So konnte auch von linksradikaler Seite ein erster Startpunkt des Gedenkens an den Roten November 1918 in Kiel gesetzt werden. Dass die Fehlentscheidung des DGB, auf der Maikundgebung ausgerechnet einen Polizeisprecher zu platzieren, spontan auf deutliche Kritik stieß, ist ebenfalls als folgerichtig zu begrüßen.