Gewalt, Intrigen, antifaschistischer Widerstand – Schleswig-Holstein vor dem nächsten Gehversuch von „Neumünster wehrt sich“

Am morgigen Samstag, 23. April 2016 will die Neonazi-Struktur „Neumünster wehrt sich“ um Manfred Riemke abermals versuchen, in der Schwalestadt aufzumarschieren. So kündigen die Rassisten seit Anfang dieser Woche eine Kundgebung ab 14 Uhr auf dem Rudolf Weißmannplatz („AOK-Parkplatz“) am Rande der Neumünsteraner Innenstadt an. Antifaschist_innen mobilisieren derweil zu einer Gegenkundgebung ab 13 Uhr in unmittelbarer Nähe an der Rudolf Weißmannstraße Ecke Ringstraße. Auch aus anderen Städten werden sich wieder zahlreichen Demonstrant_innen den Aktionen gegen die Neonazis anschließen. So sind gemeinsame Bahn-Anreisen von Antifaschist_innen aus Kiel (11.40 Uhr HBF), Hamburg (11 Uhr HBF) und Bad Oldesloe (11 Uhr Inihaus) aus drei Himmelsrichtungen angekündigt.

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Die Bilanz der rechten Mobilmachung in Schleswig-Holstein in den vergangenen Monaten, deren Zentrum die nunmehr vier Ankündigungen von Hetzaufmärschen gegen Geflüchtete in Neumünster bilden, fällt für die Rassist_innen denkbar schlecht aus: Einmal nur 50m gelaufen zu sein, einmal abgeschirmt in der letzten Ecke eines einsamen Kantplatzes herumzudümpeln und einmal gar nicht erst erschienen zu sein, hält die Neonazis offenbar nicht davon ab, es wieder wissen zu wollen. Die Erfolgsaussichten sind bescheiden: Die bisherigen Organisator_innen gelten als zerstritten und überziehen sich zum Teil gegenseitig mit Anzeigen. Eine vor wenigen Tagen von Antifaschist_innen aufgedeckte Schmierenkomödie der bei „Neumünster wehrt sich“ aktiv involvierten Neonazis Nico Seifert und Sebastian Struve, die im Jahr 2012 als „Nationalsozialistische Störungsgruppe“ gegen die schleswig-holsteinische NPD intrigierten, wird kaum zur Besserung der Stimmung in dem rassistischen Zweckbündnis beitragen. Denn spätestens seit der zweiten Kundgebung im Januar sind dort auch führende NPDler wie Marc Proch organisatorisch maßgeblich beteiligt gewesen.

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Auch der kläglich gescheiterte Versuch, am vergangenen Samstag in Bad Oldesloe aufzulaufen, lässt das ambitionierte neonazistische Begehren, eine mächtige völkisch-nationalistische Bürgerbewegung zu sein, ziemlich armselig aussehen. Der Aufmarsch von gerademal knapp 80 Neonazis aus mehreren Bundesländern pointierte das drastische Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit: 1500 Antifaschist_innen sorgten mit Blockaden sowie militanten Aktionen im Vorfeld und am Tag selbst dafür, dass die Nazidemo nicht einmal bis zur nächsten Straßenecke laufen konnte.

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Wie gefährlich der rechte Sumpf trotz fehlender Erfolge auf der Straße nichtsdestotrotz auch mit seinen paar Dutzend Elend sein kann, zeigen jedoch verschiedene gewaltätige Nazi-Angriffe in Schleswig-Holstein binnen nur einer Woche: Bekannt geworden sind ein Überfall einer Reisegruppe der Neonazis auf Antifaschist_innen im Anschluss der Demonstration in Oldesloe am Lübecker Bahnhof, ein nächtliche Angriff auf den linken Buchladen Zapata in Kiel am Abend zuvor, bei dem ein rechter Hintergrund mehr als nahe liegt, oder der widerliche rassistische Angriff auf den Blauen Engel und sein Projekt Café Welcome sowie die Schändung des jüdischen Friedhofes am vergangenen Wochenende ebenfalls in Lübeck.
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Desweiteren tauchten vor gut einer Woche bei einer Informationsveranstaltung zu der geplanten Geflüchtetenunterkunft in der Hindenburgkaserne in Neumünster, die auch Aufhänger der morgigen Hetzkundgebung ist, mehrere Neonazis um den NPD-Ratsabgeordneten Mark Proch auf. Bei der Veranstaltung wurde Proch wiederholt eine Plattform für seine rassistischen Beiträge geboten und traf dabei durchaus auf fruchtbaren Boden bei Teilen des anwesenden Publikums. Teilnehmende Antifaschist_innen hingegen wurden sowohl von Proch selbst als auch anderen Anwesenden angefeindet und teilweise bedroht, bezeichnenderweise wurde in diesem Zuge ein Antifaschist von der Polizei wegen angeblicher Störung der Veranstaltung verwiesen.

Trotz all des zur Schau gestellten Dilettantismus kann „Neumünster wehrt sich“ als erster ernstzunehmender Versuch der Neonazis in Schleswig-Holstein seit 2012 gewertet werden, „die Straße“ zu erobern: Es bleibt zweifelsohne überschaubar, nichtsdestotrotz ist in der rechten Restszene wieder etwas in Bewegung geraten. Gründe genug also, um auch dieses Mal wieder dafür zu sorgen, dass die Motivationslage bei den RassistInnen auch weiterhin keine Schübe bekommt und durch kontinuierlichen entschlossenen Widerstand zu verhindern, dass neo-faschistische Kräfte auch in Schleswig-Holstein von der rassistischen Stimmungsmache und dem allgemeinen Rechtsruck in Deutschland profitieren können. Die Ausgangslage darf aus antifaschistischer Perspektive insgesamt optimistisch stimmen.