Redebeitrag auf der Antifa-Demo „Nazis aus der Deckung holen!“ am 16.5.09 in Neumünster

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

wir sind heute hier in Neumünster zusammen auf der Straße unter dem Motto „Nazis aus der Deckung holen“, um über die Strukturen der hiesigen Neonaziszene aufzuklären und diese offen zu legen. Dazu gehören ihre Treffpunkte Club 88 und die Kneipe Titanic, sowie deren BetreiberInnen. Gleichzeitig sind wir dabei auch in praktischer Solidarität mit den Neumünsteraner AntifaschistInnen auf der Straße, die es hier mit einer der größten und organisiertesten Naziszenen in Schleswig-Holstein zu tun haben.

Neben Neumünster gibt es jedoch noch weitere regionale Schwerpunkte in Schleswig-Holstein, in denen Neonazis in den letzten Monaten und Jahren vermehrt aktiv sind. Dazu gehören z.B. Dithmarschen mit einer relativ großen und landesweit vernetzten Naziszene, der Raum Lübeck mit mehreren organisierten Gruppen und dem bis jetzt einzigen regelmäßigen Naziaufmarsch in Schleswig-Holstein, die nördlichen Kreise Flensburg und Nordfriesland mit regelmäßigen Naziaktionen und eben seit mittlerweile ca. 1 ½ Jahren auch wieder Kiel mit einer recht aktiven Gruppe „autonomer Nationalisten“.

Diese ist über ein relativ neues neonazistisches Netzwerk, welches eine gemeinsame Internetseite betreibt, mit anderen Nazi-Gruppen aus Schleswig-Holstein vernetzt. Auch wenn dieses Netzwerk sich selber wichtiger und größer macht als es in Wirklichkeit ist, gibt es den Nazis zumindest teilweise die Möglichkeit sich unter ihrem neuen Image „Autonome Nationalisten“ zu organisieren und gemeinsame Aktionen zu machen.

Die beiden zu diesem Netzwerk zu zählenden Gruppen aus Neumünster und Kiel sind darüber hinaus auch personell eng miteinander verknüpft, z.B. über den Neumünsteraner Nazi Nico Seifert, der neben seinen guten Kontakten in Neumünster gleichzeitig zum Kern der so genannten „Aktionsgruppe Kiel“ gehört.

Ungefähr seit dem die Mitglieder dieser Gruppe im Januar diesen Jahres von AntifaschistInnen an ihren Wohnorten und Arbeitsplätzen geoutet wurden sind Neonazis der „AG Kiel“ und der NPD auch wieder vermehrt auf der Straße aktiv, nachdem es seit der Verhaftung Peter Borcherts im August 2008 etwas ruhiger um sie geworden war. Teilweise täglich verteilten Nazis Flugblätter mit nationalistischen und rassistischen Inhalten in der Kieler Innenstadt sowie in einigen anderen Stadtteilen. Es tauchen vermehrt Aufkleber und Plakate sowie Sprühereien mit faschistischen Inhalten auf. Sie griffen auch wieder mehrere linke bzw. alternative Projekte an. Bereits vor einem Jahr kam es zu einer Reihe ähnlicher Vorfälle, als Neonazis im Zuge des Wahlkampfes der NPD mehrfach Anschläge auf vermeintlich linke Projekte begingen. Letztes wie dieses Jahr bekannte sich die „Aktionsgruppe Kiel“ zu diesen Anschlägen auf ihrer Internetseite.

Die Nazis versuchen auch immer wieder größere öffentliche Aktionen in Kiel zu machen. Am 7. April konnten etwa 25 Neonazis der „AG Kiel“ und der NPD durch die Kieler Innenstadt demonstrieren, dabei wurden sie von der Polizei vor spontanen antifaschistischen Protesten geschützt. In der Nacht zuvor wurde in Kiel ein junger Mann in seiner Wohnung von drei Neonazis überfallen. Knapp zwei Wochen später wollten etwa 40 Neonazis ursprünglich nach Gaarden marschieren, doch aufgrund der Anwesenheit von etwa 200 AntifaschistInnen wurde ihnen dies von der Polizei verboten. Später tauchten sie bei einer „Reclaim the Streets“ Party und dem Infostand des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus am Asmus-Bremer-Platz auf. Hier kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Nazis und AntifaschistInnen, welche für die Nazis in einem unkoordinierten Rückzug endete. Am 1. Mai waren Kieler Nazis zusammen mit etwa 100 anderen Nazis aus Schleswig-Holstein und Hamburg unterwegs, die in Itzehoe eine Spontandemonstration machten. Zuletzt versuchte ein kleiner Haufen Nazis am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom deutschen Nationalsozialismus, einen Infostand in der Kieler Innenstadt durchzuführen, welcher von AntifaschistInnen jedoch von der Öffentlichkeit isoliert wurde. Aufgrund der Proteste mussten die Nazis ihren Stand nach etwa einer Stunde wieder abbauen und ihre peinliche Vorstellung beenden.

Die Stimmung in Kiel ist zwar weiter angespannt, doch in den letzten Wochen konnten die Nazis keine ernstzunehmenden Erfolge mehr verbuchen. Ob dies ihre Aktionsfähigkeit und Begeisterung geschwächt hat bleibt abzuwarten, in ihren mit Pathos und Lügen voll gestopften Texten kündigen sie weitere Aktionen an.

Seit ihrem Wiedererstarken haben AntifaschistInnen in Kiel die Nazis mit vielfältigen Mitteln bekämpft. Es gab in den letzten Monaten mehrere öffentliche Aktionen wie Kundgebungen, Plakate, Flugblätter und auch direkte Aktionen. Die Aufklärung über organisatorische Strukturen und die Identität von Neonazis gehört zur grundlegenden Arbeit von aktiven AntifaschistInnen. Die Kenntnis von Identitäten und Strukturen von Neonazis ermöglicht es, sie in der Öffentlichkeit als das zu entlarven was sie sind: Anhänger einer menschenfeindlichen Ideologie, die auf Gewalt, Ausgrenzung und Unterdrückung basiert und die in letzter Konsequenz tödlich ist für alle Menschen die nicht in dieses Weltbild passen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn eben nicht nur auf einer abstrakten Ebene über „die Nazis“ geredet wird, sondern wenn diese auch speziell als Individuen mit Namen und Adressen hingestellt und damit angreifbar gemacht werden. Denn es sind individuelle Personen, die diese Ideologie praktisch in die Tat umsetzen. Wir werden es nicht hinnehmen, dass Neonazis in welcher Form auch immer, ungestört handeln können. Heute nicht und auch nicht in der Zukunft.

Die nächste Gelegenheit den Nazis ordentlich in die Suppe zu spucken wird sich am 6. Juni in Pinneberg ergeben. Wir rufen nochmal alle AntifaschistInnen auf, diesen rassistischen Aufmarschversuch der Nazis zu verhindern.

In diesem Sinne:

Nazis aus der Deckung holen!

Keinen Millimeter den Faschisten!