Landtagswahlkampf im April: Kieler Antifaschistin durch Polizei schwer verletzt

Mit diesem Text möchten wir einen Vorfall veröffentlichen, der sich bereits im Frühjahr dieses Jahres zugetragen hat: Am 14.4.2017 wurde eine Kieler Antifaschistin bei einem Polizeieinsatz schwer verletzt. An diesem Abend war die Polizei offenbar aufgrund antifaschistischer Aktionen gegen AfD-Wahlplakate auf der Suche nach Aktivist_innen, die sie dafür verantwortlich machen kann. In Mettenhof verfolgte eine Streifenwagenbesatzung die Anwohnerin, welche sie der Demontage eines AfD-Plakates verdächtigte. Da sich die Genossin nicht einfach grundlos von der Polizei kontrollieren lassen wollte, blieb sie nicht stehen und wurde daraufhin gewaltsam von einem Polizisten zu Boden gerissen, wobei sie sich schwerste Verletzungen im Knie zuzog. Die Antifaschistin musste per Notarzt ins Krankenhaus gebracht werden, sich einer langen Operation unterziehen und drei Wochen im Krankenhaus verbringen. Sie erlitt einen Bruch, Bänderrisse, einen Kreuzbandriss und anderes. Insgesamt lag die Genossin, bedingt durch eine weitere Operation, sechs Wochen im Krankenhaus.

In der Zwischenzeit bekam die Betroffene eine Vorladung der Polizei mit dem Vorwurf der „Sachbeschädigung“, gegen sie wurde Anzeige durch die AfD erstattet. Das Verfahren wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft relativ schnell wieder eingestellt.

Nach Einsicht der Akten und in Absprache mit einem Anwalt und weiteren GenossInnen stellte sie nun aufgrund der erheblichen Verletzungen, der zu befürchtenden bleibenden Schäden im Bein und des Verdienstausfalls Anzeige gegen die PolizistInnen wegen fahrlässiger Körperverletzung und eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Polizei.

Die Rote Hilfe Kiel und die Autonome Antifa-Koordination Kiel verurteilen das gewalttätige und unverhältnismäßige Verhalten der Polizei bei der Beschützung rassistischer Wahlplakate in Kiel, welches zu der schweren Verletzung der Antifaschistin führte und sichert der Betroffenen volle politische, rechtliche, materielle und finanzielle Unterstützung zu. Der Schutz eines vermutlich wenige Euro billigen Plakates der rassistischen und chauvinistischen Partei AfD steht in keinem Verhältnis zum Resultat dieses gewalttätigen Polizeieinsatzes, der schweren Verletzung einer Anwohnerin des Stadtteils.

Der oben beschriebene Vorfall war jedoch nicht der einzige – wenn auch der unserer Kenntnis nach schwerste – Übergriff der Polizei gegen aktive Antifaschist_innen dieses Jahr: So wurden z.B. am 29.4. bei Protesten gegen eine AfD-Kundgebung in der Kieler Innenstadt, welche von einem Großaufgebot der Polizei beschützt wurde, zwei Menschen von der Polizei mit Hunden verfolgt und ihnen angedroht, die Hunde auf sie loszulassen, wenn sie nicht stehen bleiben würden und daraufhin ebenfalls unverhältnismäßig hart zu Boden gebracht.

Bereits am 3.3. wurden Antifaschist_innen in Aukrug beim Protest gegen eine AfD-Veranstaltung von Eutiner Polizeieinheiten massiv mit Gewalt bedroht. Einige Aktivist_innen wurden an diesem Abend in Gewahrsam genommen, ziellos in Gefangenentransportern durch die Gegend gefahren und schließlich in Neumünster erkennungsdienstlich behandelt und währenddessen seitens der Polizist_innen persönlich beleidigt und bedroht.

Dies zeigt, dass polizeiliche Übergriffe auf Linke nicht nur beim G20-Gipfel in Hamburg, sondern auch in den Monaten davor und danach im Wahlkampf traurige Regelmäßigkeit sind. Wir wünschen allen Betroffenen viel Kraft! In der Gesamtbetrachtung freut uns jedoch, dass Antifaschist_innen in Schleswig-Holstein der AfD sowohl im Landtagswahlkampf als auch im gerade endlich zu Ende gegangenen Bundestagswahlkampf erfolgreich entgegentreten konnten und sicherlich ihren Anteil an dem vergleichsweise schlechten Wahlergebnissen der AfD in Schleswig-Holstein verbuchen können.

Rote Hilfe OG Kiel [&] Autonome Antifa-Koordination Kiel, Oktober 2017

15 Tage(ssätze) für eine Torte auf Beatrix von Storch

Heute versammelten sich am Morgen des 12. Juni 2017 etwa 30 Antifaschist*innen vor dem Kieler Amtsgericht, um ihre Solidarität mit einer angeklagten antifaschistischen Aktivistin zu demonstrieren. Diese musste sich heute vor Gericht verantworten, weil ihr vorgeworfen wurde, Ende November 2017 die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Parteilandeszentrale Kiel mit einem gezielten Tortenwurf beleidigt zu haben.

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Nach einer kurzen Kundgebung und einem Stück Kuchen wollte ein Großteil der Teilnehmer*innen sich in den Gerichtssaal begeben, um dem Prozess beizuwohnen. Mehreren Menschen wurde ohne konkrete Begründung der zutritt zum Gericht verweigert, darunter die von der Angeklagten als verteidigerin benannte Person.. alle anderen Prozessbeobachter*innen mussten sich einer Personalienfeststellung samt Leibesvisitation unterziehen und sämtliche mitgeführte Gegenstände abgeben. Ein Genosse, den die eingesetzten Beamt*innen als zur Fahndung ausgeschrieben identifiziert haben wollte, gelang es, sich in letzter Sekunde vom Ort des Geschehens zu entfernen. Erst eine halbe Stunde nach Prozessbeginn konnten wegen dieser Verzögerungstaktik seitens Polizei und Gericht die handgezählten 18 Plätze im viel zu kleinen Gerichtssaal durch solidarische Besucher*innen vollständig eingenommen werden.

Die Verhandlung, bei der sich die Angeklagte erzwungenermaßen selbst verteidigte und immer wieder den politischen Kontext der kriminalisierten Aktion ausführlich darlegte, endete mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 10 Euro. Die Antifaschistin kündigte an, die Strafe wie schon den vorherigen Strafbefehl nicht zu zahlen, sondern diese aus Protest gegen das Urteil im Gefängnis absitzen zu wollen. Beatrix von Storch erschien trotz Vorladung durch die Verteidigung nicht.

Prozessbericht der Unterstützer*innengruppe sowie Pressespiegel bei der Roten Hilfe OG Kiel

Repressives Potpourri – Staatsanwaltschaft und AfD Hand in Hand gegen Kieler Antifaschist_innen

Nach etwa eineinhalb Jahren wurden im Oktober 2016 die letzten Verfahren gegen Antifaschist_innen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Landesparteitag der AfD 2015 in Kiel eingestellt. Vorausgegangen ist diesem Erfolg eine ebenso lange und kontinuierliche gemeinsame Antirepressionsarbeit von Betroffenen, Anwält_innen, Antifa und Rote Hilfe e.V..

Anfang des Jahres 2015 wurde bekannt, dass der schleswig-holsteinische Landesverband der rechtspopulistischen und chauvinistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) einen Landesparteitag in der „Business-Lounge“ der Sparkassenarena mitten in der Kieler Innenstadt abhalten will. Gegen diesen Parteitag mobilisierte ein Bündnis linker und antifaschistischer Gruppen aus Kiel, Schleswig-Holstein und Hamburg unter dem Motto „Das ist keine Alternative: Gegen Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Chauvinismus! Grenzenlose Solidarität statt autoritäre Krisenlösungen!“1 zu einer Kundgebung. Bereits im Vorfeld wurde durch die lokale Presse bekannt, dass die AfD eine Strafanzeige wegen des antifaschistischen Aufrufs stellte.2

Am Morgen jenes 21. März 2015 folgten etwa 200 Antifaschist_innen dem Aufruf zur Kundgebung gegen die AfD in Sichtweite des Tagungsortes. Von hier aus bewegten sich wenig später über 100 Menschen zum Delegierten-Eingang, um die teilnehmenden AfD-Mitglieder mit ihrer antifaschistischen Kritik direkt zu konfrontieren. Dieser Versuch, den Protest so nah wie möglich an seine Adressat_innen heran zu tragen, wurde erst kurz vor dem Eingangsbereich durch massive Gewalt der herbeieilenden Polizei in Form von Schlagstockgebrauch, Faustschlägen und Fußtritten aufgehalten. Mehrere Demonstrant_innen wurden dabei verletzt. Die an dieser Aktion beteiligten Antifaschist_innen wurden anschließend auf dem Vorplatz der Arena eingekesselt und in einem langwierigen Prozedere kontrolliert, durchsucht und abfotografiert. Hierbei wurden die Personalien von 129 Aktivist_innen aus unterschiedlichen politischen Spektren festgestellt, was im Nachklang des Tages zu einer Reihe von Anzeigen und Verfahren gegen die Betroffenen führte. Unter den Eingekesselten befand sich ebenfalls ein Landtagsabgeordneter der Grünen, welcher von der Polizei in den Kessel gelassen wurde um mit den Antifaschist_innen zu sprechen, jedoch danach nicht mehr heraus gelassen wurde und ebenfalls den polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt war.3

Gemeinsame spektrenübergreifende Antirepressionsarbeit

Noch am Tag selber kündigte die Polizei gegenüber den Demonstrant_innen an, dass eine Strafanzeige gestellt wurde und gegen sie wegen „Hausfriedensbruch“ ermittelt werden würde. Um einen möglichst koordinierten Umgang mit der zu erwartenden Repression zu organisieren, luden die Autonome Antifa-Koordination Kiel und die Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel für Mitte April 2015 zu einem großen Antirepressionstreffen im Kieler Gewerkschaftshaus ein, um mit möglichst vielen Betroffenen das weitere Vorgehen zu besprechen. An diesem Treffen nahmen über 50 Menschen sowie ein solidarischer Anwalt teil. Dort konnte vielen – gerade auch jüngeren – Genoss_innen die Angst vor möglichen Nachteilen durch die Strafanzeigen genommen werden, in dem vereinbart wurde, dass mit Polizei und Staatsanwaltschaft nicht kooperiert und auf mögliche Vorladungen nicht reagiert wird und dass es eine kollektive Aufarbeitung der Geschehnisse geben solle. Der Anwalt beantragte stellvertretend für einen Betroffenen Akteneinsicht. Die Rote Hilfe OG Kiel stellte sich und ihre Arbeit vor und wies auf die Möglichkeit hin, nach Ende der Verfahren Unterstützungsanträge bei der Roten Hilfe zu stellen. Auch Vertreter_innen der an der Aktion beteiligten Gruppen bekräftigten, dass die Betroffenen sowohl politisch als auch finanziell nicht alleine gelassen werden.

Im Mai flatterten schließlich die bereits erwarteten Vorladungen und Anhörungsbögen vom Kommissariat 5 (Staatsschutz) der Kieler Polizei ein. In den Briefen wurde den Betroffenen mitgeteilt, sie sollen als „Beschuldigte/r“ wegen des Vorwurfs eines „Hausfriedensbruchs“ (§ 123 StGB) am 21. März 2015 auf dem Gelände der Sparkassenarena angehört werden. Der ebenfalls eingekesselte Gründe Landtagsabgeordnete war aufgrund seiner Immunität nicht mehr davon betroffen. Abermals luden die Rote Hilfe und die Antifa zu einem Antirepressionstreffen ein. Im Juni 2015 sind dann weitere Vorladungen der Polizei bei verschiedenen Betroffenen eingetroffen, denen jetzt auch andere Vorwürfe als nur Hausfriedensbruch (u.a. „Vermummung“4, „Beleidigung“, „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und „versuchte Körperverletzung“) gemacht wurden.

Einstellung #1

Knapp fünf Monate nach der Aktion wurde im Laufe des August dann erfreulicherweise bekannt, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahren wegen „Hausfriedensbruch“ nach § 170 Abs. 2 StPO, also mangels Tatverdachts, eingestellt hat, da der Platz vor der Arena, obwohl er zum dortigen Privatgrundstück gehört, üblicherweise für Fußgänger nutzbar ist. Die Frage, ob das nicht-abgesperrte Areal vor der Sparkassenarena ein so genanntes „befriedetes Gebiet“ oder doch öffentlicher Raum ist, hätte als erstes in einer möglichen Verhandlung vom Gericht geklärt werden müssen. In den folgenden Monaten und Jahren hätte die Kieler Justiz eine Menge zu tun gehabt, da viele der betroffenen Antifaschist_innen bereit waren, ihre Verfahren vor Gericht auszutragen. Die Rote Hilfe Kiel wertete die Einstellung der Verfahren als Erfolg der organisierten und gemeinsamen Antirepressionsarbeit aller Betroffenen, da es der Polizei nicht gelungen sei, ihre Strategie der Einschüchterung zum Erfolg zu führen.5 Ende September wurde ebenfalls bereits ein in dem Zusammenhang stehendes Verfahren wegen „Widerstand“ gegen einen Genossen eingestellt.

Die spannende – bis dahin unbeantwortete – Frage blieb, wer am 21. März die Anzeige wegen Hausfriedensbruch stellte: War es die AfD, oder doch die das Hausrecht besitzende Betreiber_innen-Gesellschaft der Sparkassenarena?

Da geht doch noch was – Anklage reloaded

Die Freude über die eingestellten Verfahren wegen Hausfriedensbruch währte jedoch nicht allzu lange: Ende August hatten 11 Menschen, die vorher wegen Hausfriedensbruch angeklagt waren, erneut Vorladungen bekommen – dieses mal mit dem Vorwurf des „Landfriedensbruchs“ (§ 125 StGB). Die Kieler Polizei und Staatsanwaltschaft schienen sich mit der Einstellung der Verfahren nicht zufriedengeben zu wollen. Des weiteren standen immer noch weitere Vorwürfe gegen einzelne Aktivist_innen im Raum. Die Rote Hilfe, die Antifa-Koordination und die SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) luden abermals zum nunmehr dritten großen Treffen ein, an dem wieder viele der (ehemals) Betroffenen und ein Anwalt teilnahmen.

Nach Abschluss der „Ermittlungen“ übergab die Polizei die Fälle im Dezember 2015 an die Kieler Staatsanwaltschaft. Diese wertete die Vorwürfe gegen die 11 Antifaschist_innen zwar nicht als Landfriedensbruch, jedoch als „Widerstand“, da sich die Betroffenen nicht einfach so von den eingesetzten Eutiner Polizist_innen haben schubsen und schlagen lassen, wie es offensichtlich von ihnen erwartet wurde. Als „Beweis“ diente das von der Polizei am 21. März angefertigte Videomaterial.

Mittlerweile war auch bekannt, dass die Anzeige wegen Hausfriedensbruch am 21.3. von der Betreiber_innen-Gesellschaft der Sparkassenarena gestellt wurde. Dies wurde auch vorher so von der Geschäftsführung mit der AfD für den Fall einer versuchten Blockade des Eingangs durch Antifaschist_innen abgesprochen. Die „Konzert- und Veranstaltungsgesellschaft mbH [&] Co. KG Kiel“ ist ein Zusammenschluss aus Provinzial Versicherungen, Kieler Nachrichten und Citti Großmarkt, den Eigentümern der Halle. Diese hatte mir ihrer bereitwilligen Kooperation mit der rassistischen Partei AfD somit für eine Repressionswelle gegen Kieler Antifaschist_innen gesorgt, anstatt sich, z.B. mit einer Absage der Veranstaltung, gegen die allgegenwärtige rassistische Stimmungsmache zu positionieren. Neben den laufenden Verfahren gab es auch noch mindestens eine nachträgliche Vorladung zur Polizei zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Einige dieser Verfahren wurden zu diesem Zeitpunkt, im Dezember 2015, zwar bereits eingestellt – teilweise gegen Auflagen – die anderen Verfahren liefen jedoch noch.

Einstellung #2 und #3

Am 7.3.2016 sollte dann ein erster Gerichtsprozess im Zusammenhang mit den Geschehnissen am 21. März 2015 stattfinden. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ (§113 Abs. 1 StGB) begangen zu haben, er hatte einen Strafbefehl über 900€ bekommen und dagegen Widerspruch eingelegt. Es hatten sich ca. 30 Unterstützer_innen des Betroffenen im Kieler Amtsgericht eingefunden, kurz darauf konnte der Genosse erfreulicherweise noch im Flur vor dem Saal verkünden, dass der Prozess nach einer Unterredung zwischen Anwalt und Gericht ohne Auflagen eingestellt wurde. Der Betroffene veröffentlichte im Nachgang seine Prozesserklärung, die er dort gehalten hätte, im Internet.6

Schlussendlich wurden im Oktober 2016 endlich auch die 11 von „Landfriedensbruch“ zu „Widerstand“ umgewandelten Verfahren durch die Staatsanwaltschaft wegen „geringer Schuld“ eingestellt, jeweils mit der Begründung, dass die Polizei zwar rechtmäßig gehandelt hätte, als sie die Demonstrant_innen gewaltsam abdrängte und einkesselte, aber die Widerstandshandlungen der Angeklagten am untersten Rand des strafbaren waren. Weitere einzelne Verfahren wegen „Widerstand“ wurde gegen Auflagen eingestellt.

Datenspeicherung bei LKA und BKA

Die von der Polizei am 21.3. aufgenommenen personenbezogenen Daten der 128 Betroffenen wurden sowohl beim Landeskriminalamt (LKA) als auch beim Bundeskriminalamt (BKA) gespeichert, allerdings (zumindest in einem durch einen Anwalt angefragten Fall) nicht in den so genannten „Informationssystemen“ der Behörden (den Datenbanken für z.B. „politisch motivierte Straftäter_innen“) sondern „nur“ zur Vorgangsverwaltung bzw. Dokumentation. In Schleswig-Holstein ist dies das Vorgangsbearbeitungssystem (VBS) „@rtus“. Laut Auskunft des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) kann bei einem polizeilichen Einsatz, z.B. einer Verkehrskontrolle, nicht auf diese Daten zugegriffen werden. Ob dies für alle Betroffenen (insbesondere bei Menschen, die bereits andere Einträge haben) gilt, ist nicht bekannt. Über einen Rechtsanwalt konnte in einem Fall die Löschung der Daten beim BKA (in der bundesweiten Datenbank INPOL) erreicht werden.

Exkurs: Staatsanwalt Nowrousian

Dass die Kieler Repressionsorgane sich im Sommer 2015 nicht mit der Einstellung der Hausfriedensbruch-Verfahren zufrieden gaben und stattdessen dann gegen 11 Genoss_innen wegen Landfriedensbruch ermittelten, mag mehrere Gründe haben. Einer könnte sein, dass es den Behörden in Kiel auffällig selten gelingt, linke Aktivist_innen zu verurteilen, obwohl sie es auch hier häufig versuchen. Ein weiterer könnte in der Person des damals zuständigen Staatsanwaltes Nowrousian liegen. Nowrousian war bis Juli 2016 bei der Staatsanwaltschaft in Kiel und dort für die meisten „politischen“ Fälle – wie den vorliegenden – zuständig. In einem Artikel für „Die Kriminalpolizei. Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei“ legte Nowrousian im Juni 2016 eindeutig seine politischen Ansichten dar. Er ist der Meinung, Deutschland erlebe „in diesen Tagen Kriminalität, wie es sie in dieser Form noch nie gesehen“7 habe. Diese komme seiner Meinung nach vor allem von Täter_innen aus „muslimischen Parallelgesellschaften“, z.B. durch „Scharen junger Männer“, die Taten begingen, die „bisher nur aus der arabischen Welt [..], vor allem aus Ägypten“ bekannt seien. Er sieht Straßenzüge beherrscht von „libanesischen Familienclans“ und spricht von „Angstzonen in deutschen Großstädten“. Doch auch die „Linksextremisten“ stilisiert er zur großen Gefahr für die deutsche Wertegemeinschaft, die „sogenannte Antifa“, welche in „hohem Maße kampagnenfähig“ sei, habe einen „Großangriff auf die Demokratie“ begonnen. Die Rechtsextremisten natürlich auch, wie er kurz im Vorwort des zweiseitigen Artikels betont. Seine Lösungsvorschläge: Mehr Personal bei den Sicherheitsbehörden, schärfere Gesetze, „offensive Videoüberwachung des öffentlichen Raums“ und bei Täter_innen mit Migrationshintergund die Möglichkeit einer leichteren Ausweisung, welche „nicht mehr an der Strafe, sondern am Schuldspruch festzumachen“ sei. Kiel hatte somit einen eindeutig auf (mindestens) AfD-Linie denkenden Staatsanwalt. Heute ist Nowrousian Professor für Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Münster.

Das Ende, nach 1 ½ Jahren…

Mit der Einstellung der Verfahren im Oktober 2016 neigt sich die Solidaritätsarbeit nach etwa 1 1/2 Jahren endlich dem Ende zu. Es war von an Anfang an klar, dass die Polizei mit der Einkesselung, ihrer Gewalt, Drohungen und Beleidigungen während des Kessels sowie der Ankündigung und dem Stellen von Anzeigen die 129 teils minderjährigen Antifaschist_innen einschüchtern wollte. Dies ist ihnen aufgrund der erfolgreich organisierten, spektrenübergreifenden Antirepressionsarbeit der an der Aktion beteiligten Gruppen und der Roten Hilfe Kiel nur spärlich gelungen. Es gab unseres Wissens nach keine Verurteilung und die allermeisten Ermittlungsverfahren wurden ohne Auflagen eingestellt. Einige der Betroffenen haben Unterstützungsanträge bei der Roten Hilfe gestellt, jedoch viel weniger, als zu Anfang zu befürchten war. Es hat sich gezeigt, dass eine Linke, die solidarisch zusammensteht, dieser Repression auch immer etwas entgegensetzen kann. Auch in diesem Fall zeigt sich, dass gemeinsames Vorgehen, konsequente Verweigerung der Kooperation und Aussageverweigerung bei Polizei und Staatsanwaltschaft die besten Erfolge bringt.

1http://www.antifa-kiel.org/index.php/aktuell/events/kiel-den-landesparteitag-der-afd-blockieren-sparkassen-arena.html

2http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Politik-Nachrichten/Nachrichten-Politik/Autonome-Antifa-will-AfD-Landesparteitag-stoeren-und-blockieren

3http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Politik-Nachrichten/Nachrichten-Politik/Kiel-AfD-Landesparteitag-unter-Polizeischutz

4Nach dem seit dem Juni 2016 geltenden neuen Versammlungsgesetz in Schleswig-Holstein gilt Vermummung nur noch als Ordnungswidrigkeit. Ein Betroffener zahlte in diesem Fall ein Bußgeld.

5http://rotehilfeogkiel.gaarden.net/nach-afd-blockade-in-kiel-verfahren-wegen-hausfriedensbruch-eingestellt/

6http://rotehilfeogkiel.gaarden.net/prozess-gegen-antifaschisten-wegen-afd-parteitag-blockade-eingestellt/

7Alle direkten und indirekten Zitate aus dem Artikel „Neue Risiken für den Rechtsstaat – Anmerkungen zum Stand der inneren Sicherheit in Deutschland“ – http://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2016/juni/detailansicht-juni/artikel/neue-risiken-fuer-den-rechtsstaat-anmerkungen-zum-stand-der-inneren-sicherheit-in-deutschland.html

kiel.rote-hilfe.de

#NMS2210: Von einer gebrochenen Hand, Schlägen ins Gesicht und Einschränkung der Pressefreiheit – Statement zur Polizeigewalt

Wir, die Antifaschistische Aktion Neumünster, beziehen im folgenden Stellung zum Einsatz der Polizei am 22.10. in Neumünster, insbesondere zu den BFE-Einheiten aus Eutin.

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Bereits im Vorfeld der Demonstration wurde klar, dass versucht werden würde, die Nazis auf jeden Fall laufen zu lassen. Angefangen mit Parkverboten in umliegenden Straßen bereits am Vorabend, gefolgt von einer großräumigen Absperrung des Bahnhofsgeländes am 22. selbst und Umleitungen im öffentlichen Nahverkehr wurden massive Einschränkungen der Neumünsteraner Bevölkerung in Kauf genommen. Passant*innen, die an den auf dem Postparkplatz postierten BFEler*innen vorbeikamen, berichteten von einer “unheimlichen, aufgeheizten Stimmung“. Diese entlud sich dann im Laufe des Tages mehrfach gegen Gegendemonstrant*innen. Einem anreisender Genosse wurde bereits auf dem Weg in die Innenstadt die Hand mit einem Tonfa gebrochen, nach einer Operation ist er durch einen Gips bis auf weiteres im Alltag eingeschränkt. Ein andere Genosse wurde scheinbar willkürlich wegen angeblichem Widerstand festgenommen. Mehrere Genoss*innen wurden zudem mit Faustschlägen, auch und vor allem gegen den Kopf, attackiert, was zum Glück aber „nur“ angeschwollene Gesichtspartien zur Folge hatte. Wir verurteilen dieses Verhalten auf‘s Schärfste, es kann nicht sein, dass die Polizei mit solch gewalttätigen Mitteln gegen friedliche Demonstrant*innen vorgeht. Hier sollte vielleicht einmal die Frage gestellt werden, inwiefern in der Ausbildung von BFEler*innen Wert auf die Einhaltung von menschlichem und deeskalativem Verhalten gelegt wird.

Die Demonstration des rechten Mobs hingegen wurde wohlwollend begleitet. Durchgängige Vermummung der Teilnehmer*innen wurde auf interessierte Nachfrage hin verteidigt, die Presse in ihrer Arbeit massiv behindert. Dadurch, dass die Polizei zum einen die Alternativroute der Rechten am AJZ vorbeilaufen ließ, und zum anderen der NPD-Ratsherr Mark Proch auch noch eine Zwischenkundgebung davor abhalten durfte, herrschte zweitweise ein stark erhöhtes Gefahrenpotential für die Einrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, das auch von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund genutzt wird. Proch hetzte in übelster Manier gegen das Jugenzentrum, bezeichnete es als “Hort linksextremer Gewalt“, gegen den man “etwas tun müsste“ – das in dieser aufgeheizten Situation keine Angriffe erfolgten, ist wohl nur auf die anwesende Presse zurückzuführen. Dass es dabei nicht bleiben sollte, zeigte die Tatsache, dass einige Tage nach Prochs indirektem Gewaltaufruf mehrere Glasscheiben an der Fassade des Gebäudes eingeschlagen wurden. Während der Abschlusskundgebung wurden dann antisemitische Verschwörungstheorien propagiert, während einige Nazis Pressefotograf*innen Gewalt androhten. Gründe, die Demonstration abzubrechen, bzw. auf eine Kundgebung am Bahnhof zu beschränken, hatte die Polizei an diesem Tag mehr als genug. Sie entschied sich dennoch, mit massiven Materialeinsatz (unter anderem Wasserwerfer, Räumpanzer und Hubschrauber) und Personalaufgebot sowie starken Einschränkungen in der Bewegunsfreiheit der Neumünsteraner Bevölkerung wenigstens eine Alternativroute zu gewähren. All das, um den verdrehten, menschenverachtenen Ansichten von 43 jämmerlichen Gestalten einen öffentlichen Raum zu geben. Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei mit übermäßiger Kooperation mit Rechten von sich Reden macht: Auf der Demonstration des rechten Bündnisses “Neumünster wehrt sich“ am 23.04. wurde den Demonstranten sogar ein Polizeibus zur Verfügung gestellt, um sie zu ihren geparkten Autos zu chauffieren. Verantwortlich war damals auch besagte Eutiner BFE-Einheit (vgl. ab Minute 15).

Wir fordern alle, die am 22.10. von Polizeigewalt betroffen waren und auch Menschen, die solche an dem Tag beobachtet haben, auf, sich bei der Roten Hilfe zu melden. Unsere Solidarität ist stärker als ihre Repression! Egal wie sehr ihr unseren Protest auch kriminalisiert, ihr werdet ihn nicht verhindern können.

Antifaschistische Aktion Neumünster

[Schwarzenbek] Schikane gegen das anarchistische Sommerfest

Es ist nun nur noch etwas mehr als eine Woche bis zum ersten anarchistischen Sommerfest in Schwarzenbek. Damit gehen mehrere Monate Planungszeit auf ein Ende zu. Üblich ist es jedoch nicht, für ein Sommerfest einen Extratext als eine Art Countdown zu verfassen. Genau so unüblich verlief auch die Planung, welche durch Thomas Bellizi, dem neuen Ordnungsamtchef, stark erschwert wurde.

Das Ahrensburger FDP-Mitglied und Law [&] Order Fan hat, seit dem er seine neue Stelle inne hat, deutlich gemacht, dass die anarchistischen Bestrebungen in Schwarzenbek für ihn ein Dorn im Auge sind. Für die monatlich-stattfindenden Infotische wurden absurde Auflagen erteilt – man dürfe keine Passant*Innen ansprechen, außer sie zeigen ein reges Interesse, Flyer hätten stumm verteilt werden sollen. Bei der von Bellizi gewollten Außenwirkung wären sogar die Zeugen Jehovas ansprechender. Ebenso wurde einer angemeldeten Kundgebung am Wochenmarkt der Einsatz vom Megaphon verboten, sowie die Kundgebung überhaupt als eine Kundgebung durchzuführen. Es sollte ruhig sein.

Das Sommerfest wirkte wie ein Worst-Case-Szenario für Bellizi, welches im Januar angemeldet wurde. Anfangs versuchte er den Anmelder noch mit fadenscheinigen und eindeutig selbst ausgedachten „Auflagen und Regelungen“ von der Idee abzubringen. So wurden die Behauptungen aufgestellt, dass es nur 3 Stunden laute Musik geben dürfe, die Musik darf nicht lauter als 68 dB bis zum nächsten Wohnhaus (Luftlinie 300 m) sein, sie darf nicht länger als 22 Uhr gehen, es MÜSSE der GEMA gemeldet werden und die absurdeste Auflage: Auf städtischen Boden dürfen nur alle 14 Tage Veranstaltungen stattfinden, weshalb das Sommerfest erst am 3. September stattfinden wird.

Jeder dieser Gründe konnte nachdem als Lüge enttarnt werden. Die Musiklautstärke von dem „Aral Openair“ schallt bis an die Ortsgrenzen Schwarzenbeks, bis nach 22 Uhr, es finden deutlich öfters Veranstaltungen innerhalb 14 Tagen statt, als nur eine. Z.B. findet am 10. September, am gleichen Ort wie das anarchistische Sommerfest, das Sommerfest der Linkspartei statt.

Bellizi merkte wohl, dass seine Regelungen nicht durchgedrückt werden könnten, so weigerte er sich deshalb eine Anmeldebestätigungen und offizielle Auflagen zu erteilen. Stattdessen wurde dem Anmelder eine inoffizielle Rechnung von 1800 € geschickt, obwohl zeitgleich die Aufhebung der Sondernutzungsgebühr verlangt wurde.

Der Streit um die Sondernutzungsgebühr zog sich von dem Zeitpunkt der Anmeldung im Januar, bis vor ungefähr eine Woche hin. Bellizi wusste, dass er das Sommerfest mit Auflagen nicht verhindern könne, wenn er sie fristgerecht mitteilt. Sodass er versucht, es dadurch zu verhindern, indem er alles in die Länge zieht, um uns unsere Planungssicherheit zu nehmen.

Bellizi versuchte die Freistellung der Sondernutzungsgebühr mit haufenweise Blödsinn zu verweigern. Er erfand eine nicht-existierende Antifa Schwarzenbek, die das Sommerfest nur als eigene Werbemaßnahme nutzen möchte, er stellte die Behauptung auf, dass antirassistisches und antifaschistisches Engagement lediglich Privatinteressen der Antifa Schwarzenbek seien, aber nicht von der Allgemeinheit.

Die Anwält*Innen von dem Anmelder haben gegen die Stadt geklagt. Die Klage wurde inhaltlich gewonnen, aber dafür formal verloren. Laut dem Gericht hätte erst geklagt werden dürfen, wenn die Auflagen vorliegen – unabhängig davon, dass das erst nach der Klage stattfand. Ebenso bestand für das Gericht niemals die Möglichkeit, dass wir die Sondernutzungsgebühr hätten zahlen müssen.

Jetzt, etwas über eine Woche vor dem Fest sind die Auflagen erteilt worden. Bellizi lacht sich ins Fäustchen, dass jetzt die Zeit fehlt, um noch einmal gegen die Auflagen zu klagen. Die Auflagen zeigen auch wieder Bellizis Haltung, dass er das Fest verhindern will. So findet sich z.B. die Auflage für das Aufstellen von geschlechtergetrennten Toiletten, obwohl das Aral-Openair, welches deutlich mehr Besucher*Innen hat, als wir für uns zu erwarten haben, die Toiletten im Rathaus mitnutzen dürfen. Hinzu kommt die Auflage, dass lediglich Einweggeschirr, sowohl für das Essen, als auch für die Getränke verwendet werden dürfen, es aber dennoch darauf geachtet werden soll, dass Spülwasser nicht in den Untergrund geleitet wird. Da kommt einem die Frage: Wer wäscht denn Einweggeschirr ab? Und wieso können Hartplastikbecher eine Gefahr darstellen? Und einiges mehr, dessen Umsetzung mehr Zeit benötigen würde, als etwas mehr als eine Woche.

Wir sind nicht überrascht von dem Verhalten von Bellizi. Es zeigt eindeutig, welche Position er eingenommen hat, indem er versucht die einzige Veranstaltung zu verhindern, die sich hier vor Ort gegen das örtliche Neonaziproblem positioniert. Damit reiht er sich wunderbar bei den anderen Mittäter*Innen der Stadt mit ein.

Die Stadt kann mit noch so vielen Auflagen kommen wie sie will. Sie wird nicht in der Lage sein, uns an die Leine zu nehmen und das anarchistische Sommerfest zu verhindern.

Das Fest wird komplett, wie es geplant war, von 13 – 22 Uhr stattfinden. Deshalb kommt alle am 3. September nach Schwarzenbek und unterstützt anarchistische Bestrebungen auf dem Land und tretet den Autoritäten mitten ins Gesicht!

Freiheit [&] Glück!

Das Lineup und den Aufruf findet ihr hier.

Gegen Polizeigewalt: Kundgebung und Besuch beim Ortsbeirat Gaarden

Gestern, am 20.7.2016, haben etwa 50 Anwohner_innen und Aktivist_innen eine Kundgebung gegen Polizeigewalt auf dem Vinetaplatz in Kiel-Gaarden abgehalten. Kritisiert wurde ein Polizeieinsatz während einer Party im Stadtteil, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden und es zu weiteren Beleidigungen und Drohungen der eingesetzten Beamt_innen gegen Party-Besucher_innen kam. Vermutet wird, dass der Einsatz „eine Machtdemonstration des Staates gegenüber Menschen, die der linken Szene und Subkultur zugeordnet werden“ war. Die Kritik richtete sich aber nicht nur gegen diesen bestimmten Vorfall, sondern thematisierte auch, dass Polizeigewalt „viel zu selten thematisiert und in der Öffentlichkeit verhandelt“ werde.

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Nach der Kundgebung besuchten einige Aktivist_innen die Sitzung des Ortsbeirat Gaarden, um sich dort Gehör zu verschaffen, was ihnen im Vorfeld erschwert wurde.

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Im folgenden dokumentieren wir den Flyer, der auf der Kundgebung verteilt wurde:

Polizeigewalt…

…ist kein Einzelfall!

Trotzdem wollen wir mit diesem Flyer auf einen konkreten Übergriff durch die Polizei aufmerksam machen, um so das Schweigen über Polizeigewalt zu brechen und andere Betroffene zu motivieren, ihre Erfahrungen öffentlich zu machen: Am 18. März feierten wir eine WG-Party im Kieler Stadtteil Gaarden. Im Zusammenhang damit kam es zugewaltvollen Übergriffen durch die Polizei. Obwohl diese zum jetzigen Zeitpunkt schon vier Monate her sind, gab und gibt es unsererseits immer noch viel Redebedarf zu den Vorkommnissen. In wöchentlichen Treffen, welche seit dem Vorfall stattfinden wurde beschlossen, die Geschehnisse öffentlich zu thematisieren. Von Seiten der Stadt wurde uns nicht genehmigt, auf dem Ortsbeirat Gaarden zu sprechen und dort unser Anliegen vorzutragen.

Was ist passiert?

Gegen 1.30 Uhr kam die Polizei das erste Mal und drohte uns aggressiv die Party zu räumen, würden wir die Musik nicht leiser stellen. Dieser Forderung kamen wir nach, die Polizei kam jedoch gegen 2.15 Uhr erneut. Noch bevor sie das Haus betraten, kam es zu den ersten körperlichen Übergriffen auf eine Besucherin, die die Party gerade verlassen hatte: Sie wollte uns über das massive Aufgebot der Polizei auf der Straße informieren (5-6 Polizeibusse; 3-4 Polizeiautos) und stand vor der Haustür. Dies wollten die Beamt*innen durch erste körperliche Übergriffe unterbinden und schlugen ihr dabei ins Gesicht.

Schon zu Beginn des Einsatzes zeigte sich uns die Gewaltbereitschaft der Polizist*innen: Mit acht Beamt*innen kamen sie an die Wohnungstür und forderten uns unter Androhung einer Räumung auf, die Party zu beenden. Auch dieser Forderung kamen wir widerstandslos nach und verließen die Wohnung. Währenddessen stellten sich die Polizist*innen im Spalier an die Treppe und forderten die 28 Partygäste auf, schneller zu gehen. Auf unsere Kritik an ihrem überspitzten Vorgehen gingen die Beamt*innen nicht ein, stattdessen wurden einige Partybesucherinnen vor der Haustür mit Pfefferspray attackiert.

Unten vor der Haustür entspannte sich die Situation anfangs jedoch: Wir standen in kleinen Grüppchen zusammen und unterhielten uns über das aggressive und rabiate Vorgehen der Beamt*innen, einige Partygäste beschwerten sich über das gewaltvolle Handeln, während eine Besucherin einen Krankenwagen für eine von Pfefferspray attackierte Person rief.

Die Polizist*innen merkten in Einzelgesprächen immer wieder an, dass wir die Straße verlassen sollten und drohten, die Straße zu räumen, wenn wir dem nicht nachkommen würden. Wir erwiderten, dass wir gemeinsam auf den Krankenwagen warten werden, um nicht einzelne Personen weiteren Gewaltmaßnahmen der aggressiv gestimmten Beamt*innen auszusetzen, nach Eintreffen des Wagens jedoch unverzüglich gehen werden.

Daraufhin kamen weitere Polizist*innen mit zwei Hunden. Die nun ca. 25 Beamt*innen (überwiegend männlich; zwischen 20 und 30 Jahre alt) gingen auf die 23 noch anwesenden Partygäste mit Pfefferspray und den Hunden los. Drei Besucherinnen wurden aus der Gruppe gezogen und von den Polizist*innen gewaltvoll zu Boden gedrückt. Eine der Betroffenen wurde so sehr getreten, dass sie eine Gehirnerschütterung und Prellungen davontrug.

Der Besucherin, für die bereits der Krankenwagen gerufen worden war, wurde angedroht, ihr die Augen auszuspülen um so wahrscheinlich die offensichtlichen Spuren der ihr widerfahrenen Gewalt gering zu halten, während sie von zwei Polizisten zu Boden gedrückt wurde.

Die übrigen Gäste wurden die Straße hoch geschubst und mit Pfefferspray und Hunden angegriffen, als „kleines Stück Scheiße“ und „Schlampe“ beschimpft, außerdem wurde ihnen gedroht, die Hunde von der Leine zu lassen und ihnen „die Fresse so was von einzuschlagen“.

Mehrere Male wurde der Krankenwagen gerufen, jedoch betonten sowohl die Polizist*innen als auch der Rettungsdienst, dass lediglich die Polizei den Rettungswagen rufen könne und dieser nicht kommen würde.

Nachdem endlich doch ein Krankenwagen eintraf und zwei der Betroffenen der Zugang zu diesem gewährt wurde, nötigte die Polizei unter Einsatz von Hunden die übrigen Partygäste die Straße hoch zugehen. Dabei wurde ein Partygast von einem der Hunde am Brustkorb verletzt, ein anderer von einem Beamten unvermittelt zu Boden geschubst. Ein Großteil der Anwesenden erlitt außerdem Reizungen und Schwellungen durch die Pfeffersprayattacken.

Anwohner*innen, erzählten uns später, dass sie beobachten konnten, wie die Polizeibeamt*innen sich nach dem Einsatz abklatschten und einige Polizeiautos durch Gaarden Streife fuhren und Partybesucher*innen auf dem Nachhauseweg verfolgten.

Wie bewerten wir die Geschehnisse?

Dieser gewalttätige Überfall der Polizei auf uns als Besucher*innen einer WG-Party und den Machtmissbrauch der Polizeibeamt*innen verurteilen wir aufs Schärfste.

Eine WG-Bewohnerin bekam eine Anzeige wegen Lärmbelästigung. Dies sehen wir als Versuch an, das aggressive und rabiate Handeln der Polizeibeamt*innen zu legitimieren und zu rechtfertigen. Trotzdem oder gerade deswegen muss sich die Polizei Fragen nach der Verhältnismäßigkeit gefallen lassen: Braucht es für eine Party mit weniger als 30 Besucher*innen tatsächlich 5Polizeibusse, 3Polizeiautos, 25 Polizist*innen und 2 Polizeihunde? Und kann die Begründung dann tatsächlich die Ordnungswidrigkeit „Lärmbelästigung“ sein? Oder ist dies nicht viel eher eine Machtdemonstration des Staates gegenüber Menschen, die der linken Szene und Subkultur zugeordnet werden? Denn wir begreifen uns als Teil dieser und sehen den Übergriff als Ausdruck von Diskriminierung und Repression, mit denen Staat und Staatsgewalt gegen uns vorgeht.

In unseren Augen spielt es auch eine Rolle, dass Gaarden ohnehin als „sozialer Brennpunkt“ gilt. So werden die im Stadtteil lebenden Menschen häufig als „soziale Verlierer“ stigmatisiert, da sie nicht so funktionieren können oder wollen, wie es in der heutigen Leistungsgesellschaft gefordert wird.

Physische und psychische Gewalt werden eingesetzt, um Menschen zu brechen, einzuschüchtern und ihnen so zu zeigen, dass ihr Lebensstil, ob selbst gewählt oder nicht, in diesem System nicht erwünscht ist. In Stadtteilen wie Gaarden und in bestimmten Szenen und Milieus ist Polizeigewalt somit nicht selten. Jedoch wird diese viel zu selten thematisiert und in der Öffentlichkeit verhandelt. Dies liegt zum einen an den begrenzten Möglichkeiten, denn mediale Zugänge und Sprechpositionen liegen meist nicht in den Händen der betroffenen gesellschaftlichen Gruppen. Zum anderen ist die Bedrohung durch die Staatsgewalt schon fast zum Normalzustand geworden und wird dementsprechend als ein solcher empfunden. Hinzu kommt, dass Anzeigen gegen Polizeigewalt nur in ca. 1% der Fälle nachgegangen wird. Die Betroffenen werden so ohnmächtig gehalten gegen die Gewalt die ihnen von Seiten der Polizei und somit des Staates widerfährt.

Wir wollen uns nicht in diese Position drängen lassen. Wir wollen die uns widerfahrene Polizeigewalt öffentlich machen, um uns selbst und andere Betroffene zu stärken und zu ermutigen, sich der Gewalt und der Einschüchterung nicht zu beugen.

Verletzungen durch den Polizeieinsatz:

– 1 Gehirnerschütterung

– Mehrere Prellungen am Brustkorb

– Diverse Reizungen und Schwellungen durch Pfefferspray

Kieler Nachrichten (22.7.2016):


http://www.neu.antifa-kiel.org/wp-content/uploads/import/Polizeigewalt Gaarden/KN-Artikel-polizeigewalt.jpg

Kontakt: KeinEinzelfall(at)riseup.net | kiel.rote-hilfe.de

[Kiel] Prozess gegen Antifaschisten wegen AfD-Parteitag-Blockade eingestellt

Der für heute angesetzte Prozess gegen einen Genossen, dem im Zusammenhang mit dem Kessel gegen Antifaschist_innen am 21.3.2015 „Widerstand“ vorgeworfen wurde, wurde noch vor Beginn eingestellt. Um 9 Uhr hatten sich ca. 30 Unterstützer_innen des Betroffenen im Kieler Amtsgericht eingefunden, kurz darauf konnte der Genosse noch im Flur vor dem Saal verkünden, dass der Prozess nach einer Unterredung zwischen Anwalt und Gericht eingestellt wurde. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Prozesserklärung des Genossen, die er bei Prozessbeginn vorgetragen hätte.

Prozesserklärung – 7.3.2016

Hanna Arendt formulierte unter den Eindrücken der Nationalsozialistischen Barbarei folgenden Satz: “Niemand hat das Recht, sein Gehorchen als Vorwand für die Rechtfertigung seines Handelns zu benutzen. Gehorchen ist keine Rechtfertigung für Handeln.”

Wenn ich also heute vor Gericht des Widerstandes beschuldigt werde, einen Widerstand der sich gegen den erstarkenden Rechtsruck und Autoritarismus in der Gesellschaft wendet, wenn einerseits der Staat Zivilcourage einfordert, und anderseits diejenigen kriminalisiert , die gegenüber dem Nationalismus und dem Rassismus, der auch vom Staat, ausgeht nicht schweigen und nicht Tatenlos bleiben, scheinen diese Sätze nach wie vor ihre Gültigkeit nicht verloren zu haben.


Ich stehe also vor Gericht weil ich mich den erschreckenden gesellschaftlichen Entwicklungen entgegenstelle und eben nicht willenlos gehorcht habe. Weil ich meiner Menschlichkeit gefolgt bin, die sich gegen die Entwürdigung anderer Menschen zur Wehr setzt und setzten muss. Wenn ich dafür vor dem Gesetz bestraft werde, geben mit diese Eingangsworte auch weiterhin Recht und verdeutlichen die Richtigkeit ihres Inhalts.


Am 21. März 2015, ironischerweise dem internationalen Tag gegen Rassismus, veranstaltete die AfD ihren Landesparteitag in Kiel. Dagegen und gegen die menschenverachtende Politik dieser Partei und ihrer Anhänger wollte und will ich Widerstand leisten.


Kein Zweifel: Die AfD ist wieder da – und sie ist ekelhafter als je zuvor. Noch im vergangenen Sommer wurde ihr nach der Abspaltung der Gruppe um Bernd Lucke von vielen ein baldiges Ende vorausgesagt. Nun erlebt sie im Zuge der meist rassistisch geführten Debatten um Flucht und Migration ein unheilvolles Comeback. Die politische Diskussion in der „Mitte“ der deutschen Gesellschaft hat sich insgesamt nach rechts verschoben. Sie kommt nun denen entgegen, die sich in der AfD durchgesetzt haben: Denen, die bereit sind mit völkischem Nationalismus und Rassismus rechte Hetze zu betreiben.


Die AfD bedient mit ihrer Rhetorik den Mob auf der Straße und übt zugleich den Schulterschluss mit anderen rassistischen und autoritären Bewegungen wie PEGIDA. Auf ihren Veranstaltungen findet sich neben neurechten Kadern regelmäßig eine gruselige Mischung aus Stammtischrassist*innen, ultraneoliberalen Pinochet-Fans, evangelikalen Rechtsauslegern, Verschwörungsfreaks, antimuslimischen Rassist*innen, Antifeminist*innen und Putin-Fans. Für sie alle hat die AfD die Funktion eines Sammelbeckens. Trotzdem inszeniert sie sich immer erfolgreicher als das seriöse parlamentarische Sprachrohr „besorgter Bürger“.


Sie ist parteipolitische Repräsentantin und organisatorisches Rückgrat einer völkischen Koalition, deren Mitglieder*innen arbeitsteilig vorgehen: Auf der Straße sorgen die Hogesa-Nazis für eine Atmosphäre des Terrors, in der Migrant*innen und politische Gegner*innen um ihre Unversehrtheit fürchten müssen. Währenddessen treibt die AfD in den Parlamenten mit mehr oder weniger kalkulierten Tabubrüchen den Rechtsruck voran. So forderte Frauke Petry unlängst den Gebrauch von Schusswaffen gegen Flüchtlinge, die die Grenze überqueren. Zuvor gab sich der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke öffentlich seinen rassistischen Wahnvorstellungen hin, als er von „unterschiedlichen evolutionären Ausbreitungstypen von ‚Afrikanern‘ und ‚Europäern‘ schwadronierte. Die AfD ist geistiger Brandstifter und Lautsprecher der Gewalt in einem, sie ist unmittelbar (mit)verantwortlich für die zahlreichen Anschläge auf Menschen mit Migrationshintergrund und die brennenden Asylunterkünfte.


Das zeigt sich besonders drastisch im Umgang mit den Übergriffen von Köln. Die AfD hat sie sofort instrumentalisiert und eine kulturalistisch-rassistische Deutung forciert. Die Reaktion von Nazi-Hools und selbsternannten Bürgerwehren hat in Form von Übergriffen auf Menschen mit Migrationshintergrund nicht lange auf sich warten lassen. Doch daneben knüpft die AfD auch an ein populäres Deutungsmuster der Mehrheitsgesellschaft an: den Nützlichkeitsrassismus. Menschen und deren Fluchtgründe werden hierbei auf reine Kosten-Stellen für den deutschen Staat und seine „Steuerzahler“ reduziert. Damit befindet sich die AfD in voller Übereinstimmung mit den Regierungsparteien. Denn die nationalistische Einteilung der Welt in „die“ und „wir“ ist die gemeinsame Geschäftsgrundlage der Festung Europa. „Wir brauchen weniger Ausländer, die uns ausnützen, und mehr, die uns nützen“, forderte Günther Beckstein (CSU) schon vor Jahren und brachte damit nur zum Ausdruck, was die kapitalistische Ordnung der Welt faktisch ist: rassistisch.


In solchen Zuständen gelten der militärische Einsatz der Nato gegen geflüchtete Menschen und ein Deal mit dem brutalen Erdogan-Regime in der Türkei nicht als der Skandal, der er ist. Er wird nicht als menschenverachtende Maßnahme zur Stabilisierung des europäischen Kapitalismus und seiner Effekte, sondern vielmehr als die pragmatische Lösung eines externen Problems verharmlost. Und selbst wohlmeinende Zeitgnoss*innen rechnen inzwischen nach, wie viel die Refugees der deutschen Volkswirtschaft einbringen. Solche Kosten-Nutzen-Kalküle sind dabei Teil eines breiteren, sozialdarwinistischen Gesellschaftsprogramms, das auch Hartz IV-Empfänger*innen nach ihrer Nützlichkeit bewertet und ihnen im Zweifelsfall die Existenzgrundlage entzieht. Die AfD bietet insofern nur die verschärfte Version des Ressentiments für all jene, denen die große Koalition der Menschenfeinde von Seehofer bis SPD-Siggi noch immer nicht genug deutsch spricht.

Das zeigt: Der Kampf gegen die AfD ist immer auch der Kampf gegen die Grundfesten von Staat, Nation und Kapital – ein Kampf gegen: Angst, Armut, Abschottung. Wer den Rassismus der AfD kritisiert, darf die „Mitte der Gesellschaft“ nicht vergessen. Indem wir gegen die völkische Koalition um die AfD vorgehen, verteidigen wir daher nicht eine smarte Version des neoliberalen Grenz- und Krisenregime gegen seine plumpe Verschärfung. Im Gegenteil: Ein koordiniertes Vorgehen gegen die Speerspitze der Menschenverachtung heißt insgesamt deutlich zu machen: Abschottung ist keine Option.


Also: Widerstand gegen diese menschenverachtenden, rassistischen, chauvinistischen Brandstifter im Nadelstreifenanzug scheint mir heute noch wichtiger als vor knapp einem Jahr vor der Sparkassenarena.

Ich möchte nun noch ein zwei Sätze zu mir persönlich sagen:


Seit meiner Jugend bin ich permanent mit Rassismus konfrontiert. Sei es das meine Klassenkamerad*innen mich mit dem N-Wort beschimpfen, ich ständig auf meine Herkunft angesprochen werde, von Nazis aus dem Dortmunder Westfalenstadion vertrieben werde oder ich von Rechten bei helllichtem Tag in der Holstenstraße zusammen geschlagen werde. Damals gab es für mich neben einem doppeltem Nierenanriss eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 250 DM, was den Strafbefehl über 900 €, um den es heute geht nochmals in ein anderes Licht rückt. Diese Aufzählung könnte ich noch eine ganze Weile weiter machen aber ich glaube es ist deutlich geworden, was ich meine…


Dass ich hier heute vor Gericht stehe liegt nicht daran, dass ich gewalttätig oder brutal bin, es geht vielmehr darum, wieder einmal mit repressiven Maßnahmen gegen antifaschistischen Protest vorzugehen während auf der anderen Seite die zunehmend eskalierende Gewalt von rechts oft nur halbherzig verfolgt wird.


In Frankfurt habe ich selbst gesehen, dass die Polizei grundlos mit Pfefferspay und Schlagstock auf Demonstrant*innen losging – es folgten natürlich keine rechtlichen Konsequenzen. Auf der anderen Seite scheint ein rassistischer Mob, der geflüchtete Menschen in einem Bus zu Tode ängstigt und terrorisiert die deutsche Justiz nicht zu tangieren. Und wieso kaum ein Anschlag auf Lager von Geflüchteten aufgeklärt wird spricht ebenfalls Bände. Erst letzten Donnerstag gab einen Brandanschlag in Schleswig. Wenige Tage zuvor waren Geflüchtete in Flensburg in der Dusche mit Säure angegriffen worden.


Diese Taten reihen sich ein in die hunderten von Angriffen auf Geflüchtete und die mörderische rassistische Gewalt gegen vermeintliche „Ausländer“ und „Fremde“. Die Rechte Hetze die von der AFD über Pegida bis zur NPD und ultrafaschistischen Kameradschaften tagtäglich propagiert wird ist mörderisch und menschenverachtend.


Solange es den Kapitalismus gibt, wird es auch immer faschistische Gruppierungen und Parteien geben, die sich organisieren, und alle, die nicht in ihr Menschenverachtendes Weltbild passen angreifen oder ermorden. Deshalb gilt es, für eine Gesellschaft zu kämpfen in der es keinen Platz für faschistische Terrorbanden und kapitalistische Ausbeutung gibt. Wir kämpfen für eine solche solidarische Gesellschaft. Daran wird auch dieses Urteil heute nichts ändern.

WEHRET DEN ANFÄNGEN! NIE WIEDER FASCHISMUS! FASCHISMUS IST EIN VERBRECHEN!

AfD-Blockade in Kiel: Aktueller Stand der Verfahren

Anfang August wurden die Verfahren gegen 128 Antifaschist_innen, denen vorgeworfen wurde am 21. März 2015 in Kiel im Rahmen einer Kundgebung gegen den AfD-Landesparteitag in der Sparkassenarena „Hausfriedensbruch“ (§ 123 StGB) begangen zu haben, wegen mangelnden öffentlichen Interesses (§ 170 Abs. 2 StPO) eingestellt, da der Platz vor der Arena, obwohl er zum dortigen Privatgrundstück gehört, üblicherweise für Fußgänger nutzbar ist. Einige der Betroffenen erhielten dann Ende August Briefe der Polizei, in denen ihnen mit fast wortgleicher Begründung wie im Hausfriedensbruch-Verfahren nun „Landfriedensbruch“ (§ 125 StGB) vorgeworfen wird. Die Kieler Justizbehörden scheinen sich mit der Einstellung der Verfahren nicht zufriedengeben zu wollen.

Mittlerweile ist bekannt, dass die Anzeige wegen Hausfriedensbruch am 21.3. von der Betreibergesellschaft der Sparkassenarena, der „Konzert- und Veranstaltungsgesellschaft mbH [&] Co. KG Kiel“ gestellt wurde. Dies wurde auch vorher so von der Geschäftsführung mit der AfD für den Fall einer versuchten Blockade des Eingangs durch Antifaschist_innen abgesprochen. Die Konzert- und Veranstaltungsgesellschaft mbH [&] Co. KG Kiel ist ein Zusammenschluss aus Provinzial Versicherungen, Kieler Nachrichten und Citti Großmarkt, den Eigentümern der Halle. Diese hat mir ihrer bereitwilligen Kooperation mit der rassistischen Partei AfD nun für eine Repressionswelle gegen Kieler Antifaschist_innen gesorgt, anstatt sich, z.B. mit einer Absage der Veranstaltung, gegen rassistische Stimmungsmache zu positionieren.

Neben den Verfahren wegen Landfriedensbruch gibt bzw. gab es weitere Ermittlungsverfahren wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“, „Beleidigung“ und „Vermummung“ gegen einzelne Aktivist_innen, inklusive mindestens einer nachträglichen Vorladung zur Polizei zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Einige dieser Verfahren wurden bereits eingestellt, teilweise gegen Auflagen, die anderen Verfahren laufen noch. In den Landfriedensbruch-Verfahren gibt es momentan keine aktuelle Entwicklung.

Die von der Polizei am 21.3. aufgenommenen personenbezogenen Daten der 128 Betroffenen wurden sowohl beim Landeskriminalamt als auch beim BKA gespeichert, allerdings angeblich nicht in den so genannten „Informationssystemen“ der Behörden (den Datenbanken für z.B. „politisch motivierte Straftäter_innen“) sondern „nur“ zur Vorgangsverwaltung bzw. Dokumentation. Über einen Rechtsanwalt wird momentan versucht herauszufinden, was mit solchen Daten geschieht, beim BKA wurde die Löschung beantragt.

Die Verfahren und eventuell anstehende Prozesse werden weiterhin von der Autonomen Antifa-Koordination Kiel und der Roten Hilfe Ortsgruppe Kiel solidarisch und öffentlich begleitet werden.

Sonderseite zum „AfD-Kessel“

Betroffen sind einige, gemeint sind wir alle!
Die Solidarität organisieren!

Nach AfD-Blockade in Kiel: Verfahren wegen „Hausfriedensbruch“ eingestellt

Wir dokumentieren einen Text der Roten Hilfe Kiel:


Am 21.3.2015 wurden bei einer Blockade des Landesparteitages der rechtspopulistischen AfD in Kiel 129 Antifaschist_innen von der Polizei eingekesselt und ihre Personalien aufgenommen. Zuvor setzten die eingesetzten Eutiner Bereitschaftspolizisten unvermittelt massive Gewalt in Form von Tritten, Faustschlägen und Schlagstöcken gegen die Demonstrant_innen ein, welche sich mit Transparenten vor dem Eingang zum Tagungsort der AfD, der Kieler Sparkassen-Arena, versammelt hatten. Es wurden mehrere Menschen durch die Schläge und Tritte verletzt.

In den folgenden Wochen und Monaten verschickte das Kommissariat 5 (Staatsschutz) der Kieler Polizei Vorladungen und Anhörungsbögen, in denen den betroffenen Antifaschist_innen mitgeteilt wurde, dass gegen sie als „Beschuldigte“ wegen des Verdachts auf „Hausfriedensbruch“ ermittelt werde. Das antifaschistische Bündnis, welches die Aktion gegen den AfD-Landesparteitag organisierte, und die Rote Hilfe Kiel haben daraufhin zusammen mit vielen Betroffenen ein gemeinsames Vorgehen gegen die polizeilichen Ermittlungsversuche verabredet und beschlossen, nicht auf die Vorladungen zu reagieren, konsequent die Aussage zu verweigern und mehrere Anwälte einzuschalten.

Nach nunmehr knapp fünf Monaten wurde im Laufe dieser Woche bekannt, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahren wegen „Hausfriedensbruch“ nach § 170 Abs. 2 StPO, also mangels Tatverdachts, eingestellt hat!

Es war von an Anfang an klar, dass die Polizei mit der Einkesselung, ihrer Gewalt, Drohungen und Beleidigungen während des Kessels sowie der Ankündigung und dem Stellen von Anzeigen die 129 teils minderjährigen Antifaschist_innen einschüchtern wollte.

Die Frage, ob das nicht-abgesperrte Areal vor der Sparkassen-Arena, auf dem sich die protestierenden Antifaschist_innen aufhielten, ein so genanntes „befriedetes Gebiet“ oder doch öffentlicher Raum ist, hätte als erstes in einer möglichen Verhandlung vom Gericht geklärt werden müssen. In den folgenden Monaten und Jahren hätte die Kieler Justiz eine Menge zu tun gehabt, da viele der betroffenen Antifaschist_innen bereit waren, ihre Verfahren vor Gericht auszutragen.

Die Rote Hilfe Kiel wertet die Einstellung der Verfahren als Erfolg der organisierten und gemeinsamen Antirepressionsarbeit aller Betroffenen. Der Polizei ist es nicht gelungen, ihre Strategie der Einschüchterung zum Erfolg zu führen!

Die spannende – bisher unbeantwortete – Frage ist, wer am 21. März die Anzeige wegen Hausfriedensbruch stellte: War es die AfD, oder doch die das Hausrecht besitzende Betreiber_innen-Gesellschaft der Sparkassen-Arena, die „Konzert- und Veranstaltungsgesellschaft mbH [&] Co. KG Kiel“? So oder so wirft die Vermietung der Sparkassen-Arena an die rechtspopulistische AfD ein schlechtes Licht auf diese Gesellschaft.

Mit der Einstellung der Verfahren wegen „Hausfriedensbruch“ ist die Sache allerdings leider noch nicht erledigt: Einige Antifaschist_innen sehen sich zusätzlich mit Vorwürfen wie „Vermummung“ „Beleidigung“ und „Widerstand“ konfrontiert und auch hier gilt es, solidarisch zusammen zu stehen und die Betroffenen zu unterstützen!

Solidarität ist eine Waffe!

Einstellung aller Verfahren vom 21. März 2015 – sofort!

Rote Hilfe e.V.

Ortsgruppe Kiel

Polizei verschickt Anhörungsbögen an Betroffene vom „AfD-Kessel“: Nicht darauf reagieren, das Schreiben nicht beantworten – sondern zum Treffen am 29. Mai kommen!

Zweites Antirepressionstreffen: Freitag, 29. Mai 2015 um 18.00 Uhr im Kieler Gewerkschaftshaus (Legienstraße)


Im Zusammenhang mit dem Polizeikessel der Blockade des AfD-Landesparteitages vor der Kieler Sparkassenarena verschickt die Polizei seit einigen Tagen Briefe an alle, die dort von der Polizei kontrolliert wurden. Auf den Briefen steht die Betroffenen sollen als „Beschuldigte/r“ angehört werden und in den meisten Fällen wird dann folgend anführt sein, es ginge um den Vorwurf eines Hausfriedensbruches am 21. März 2015 auf dem Gelände der Sparkassenarena. Dem Brief sind jeweils noch zwei Zettel mit der Überschrift: „Schriftliche Anhörung“ beigefügt.

Dass die Polizei im Nachklang des Polizeikessels vor der Sparkassenarena 129 Ermittlungsverfahren wegen „Hausfriedensbruch“ und einzelne wegen „Widerstand“, angeblicher „Körperverletzung“ und „Beleidigung“ gegen die Betroffenen des Kessels eingeleitet hat, wurde noch am selben Tag bekannt. Wir haben uns deshalb vor vier Wochen mit vielen Menschen, die in dem besagten Kessel waren zusammengesetzt und besprochen, wie wir gemeinsam mit den Anzeigen umgehen wollen. Dabei haben wir uns drauf geeinigt, dass wir in dieser Sache NICHT mit der Polizei (oder Staatsanwaltschaft) zusammenarbeiten werden. Das heißt konkret:

Auf die Briefe von der Polizei mit dem Titel „Anhörung als Beschuldigte/r“ reagieren wir nicht!

Das bedeutet wir füllen den Anhörungsbogen NICHT aus und schicken ihn NICHT an die Polizei zurück. Wir müssen und werden uns zum jetzigen Zeitpunkt in keiner Art und Weise gegenüber der Polizei äußern! Denn das ist unser gutes Recht, darf und wird keine rechtlichen Nachteile für uns haben und ist zum jetzigen Zeitpunkt sowohl aus taktischen Gründen als auch als politischer Umgang mit diesen Massenanzeigen unserer Meinung nach der einzig richtige Weg.

Falls die Polizei auf anderen Wegen versucht Kontakt aufzunehmen (was nicht sehr wahrscheinlich ist, aber in der Vergangenheit schon vorgekommen ist) reden wir nicht mit den Beamten, sondern bestehen auf unser Recht die Aussage zu verweigern!

Für den Fall, das ihr einen anderen als den oben beschrieben Brief bekommen habt, die Polizei bei euch vor der Haustür stand, ihr in der nächsten Zeit weitere Briefe von der Polizei bekommt oder ähnliches meldet euch bitte bei Ortsgruppe der Roten Hilfe.

Entweder per E-Mail (kiel@rote-hilfe.de) oder ihr kommt auf dem Treffen vorbei. Die Rote Hilfe Kiel trifft sich alle zwei Wochen, das nächste Mal am Mittwoch, 27.05.15 um 20 Uhr im Li(e)berAnders, Iltisstr. 34, Kiel-Gaarden.

Gemeinsam behalten wir den Überblick über alle Verfahren und organisieren die Rechtshilfe und Solidarität!

Sollte schon wer einen sogenannten Strafbefehl erhalten haben ist es wichtig innerhalb von zwei Wochen Widerspruch gegen diesen einzulegen. Alles weitere besprechen wir dann gemeinsam!

Damit wir gemeinsam darüber sprechen können, wie wir mit der Situation umgehen, dass zu mindestens die Polizei die Ermittlungen in der Sache weiter fortführt und auch über Fragen oder Unsicherheiten, die vielleicht bei einigen aufgetaucht sind, möchten wir alle, die am 21. März in dem „AfD-Kessel“ waren zu einem weiteren Treffen einladen. Wir werden uns von den Anzeigen nicht einschüchtern lassen, denn wir sind sind ziemlich viele – und wir wissen, dass der Protest gegen die Rasst_innen, Chauvinist_innen und Sexist_innen der AfD legitim und notwendig war und wir werden alle gemeinsam gegen diesen Kriminalisierungsversuch angehen!

Zweites Antirepressionstreffen: Freitag, 29. Mai 2015 um 18.00 Uhr im Gewerkschaftshaus (Legienstraße)

Bitte leitet diese Informationen an alle Menschen weiter, die von den Polizeiaktionen betroffen waren!

Rote Hilfe e.V.

Ortsgruppe Kiel

Postfach 6444, 24125 Kiel

kiel@rote-hilfe.de

http://kiel.rote-hilfe.de