Heute am Samstag, 18. Juni 2011 beteiligten sich rund 75  Antifaschist_innen zur Mittagszeit an einer einstündigen Kundgebung  unter dem Motto „Gegen schlechte Scherze in Kiel-Friedrichsort – für  einen konsequenten Antifaschismus!“ am Braunen Berg zu der die Autonome  Antifa-Koordination Kiel aufgerufen hatte. Hintergrund waren die seit  längerem in Friedrichsort festzustellenden und bereits mehrfach  thematisierten Aktivitäten von Neonazis im Kieler Stadtteil nördlich des Kanals. Zudem stand die örtliche Polizei in der Kritik, deren  stellvertretender Leiter Rohwer im März gegenüber der lokalen Presse  (KN-Artikel „Kriminalitätsstatistik für Friedrichsort“, 11.3.2011)  behauptet hatte, dass mit dem Wegzug eines einzelnen aktiven Neonazis  das Problem einer im Stadtteil verankerten rechten Jugendkultur, die  massive Verbreitung neonazistischer Propagaganda und Bedrohungen  nicht-rechter und migrantischer Friedrichsorter_innen nun nicht mehr  existiere. 
 In einem Redebeitrag und auf zahlreich verteilten  Flugblättern wurde diese Darstellung als nicht der Friedrichsorter  Realität entsprechend kritisiert. Sehr wohl tauche – wenn auch in  geringerem Maße als noch im vergangenen Jahr – auch in diesem Jahr  wieder regelmäßig neonazistische Propaganda im Straßenbild auf und es  sei abermals zu Einschüchterungsversuchen gekommen. Die „Entwarnung“  durch die Friedrichsorter Polizei sei vielmehr als ein weiteres Beispiel für eine Verleugnungs- und Verharmslosungsstrategie einzuordnen, die  seit Jahren durch die Kieler Polizei praktiziert und von den Lokalmedien meist unkritisch transportiert würde. Stattdessen setze man auf  kontinuierliche und konsequente antifaschistische Aufklärung und Präsenz im Alltag. 
 Ein zweiter Redebeitrag wies die häufig mit dieser  Strategie einhergehende Anwendung der sogenannten Extremismustheorie als wissenschaftlich und politisch unbrauchbar zurück, die ungeachtet deren völlig entgegengesetzten gesellschaftlichen Zielvorstellungen,  emanzipatorische linke Politik mit den menschenverachtenden Bestrebungen von Neonazis gleichsetzt. Mittels einer historischen Herleitung wurde  sie als bloßes Instrument zur Sabotage notwendiger antifaschistischer  Politik und Undenkbarmachung gesellschaftlicher Konzepte jenseits der  bestehenden bürgerlich-kapitalistischen Ungleichheitsverhältnisse  entlarvt. 
 Abschließend stellte ein Redner die Entwicklung der  Friedrichsorter Neonaziszene in den Kontext von gesamtkieler  Veränderungen im äußersten rechten Spektrum, das derzeit wieder mehr an  der politisch-strategisch anders gelagerten Linie der NPD, als an der  aggressiv-konfrontativen Selbstinszenierung der einstigen „Aktionsgruppe Kiel“ orientiert sei. 
 Am Rande der Kundgebung hielten sich  zwischenzeitlich ein gutes halbes Dutzend Neonazis in sicherer  Entfernung auf. Unmittelbar nach Beendigung der Kundgebung kam es zu  einer kurzen Auseinandersetzung, nachdem diese versucht hatten, einen  Antifa-Aktivisten beim Flugblattverteilen zu behindern. Dieser Versuch  konnte durch entschlossenes Eingreifen anderer Antifaschist_innen  angemessen beantwortet werden. 
 Bereits vor der Kundgebung hatte eine größere Gruppe von Aktivist_innen den Weg zur Kundgebung dazu genutzt,  rassistische, antisemitische und nationalistische Propaganda aus dem  Straßenbild zu entfernen und durch antifaschistische Inhalte zu  ersetzen. 
 Der Verlauf des Tages kann aus antifaschistischer  Perspektive als zufriedenstellend bewertet werden. Es konnte  öffentlichkeitswirksam klargestellt werden, dass die absurden  Behauptungen der Friedrichsorter Polizei als eine bloße Fortsetzung der  Kieler Verharmlosungs- und Totschweigestrategie in Bezug auf  Neonazisstrukturen zu berurteilen sind. Die herumlungernden Neonazis am  Rande der Veranstaltung haben deren Unzutrefflichkeit nochmals  verdeutlicht. Mit der passabel besuchten Kundgebung konnte dem  stattdessen ein Beitrag zur Kontinuität der Antifa-Arbeit im Viertel  gegenübergestellt werden. 
 Bereits in den vergangenen Monaten kam es zu verschiedenen antifaschistischen Reaktionen auf die  Neonazi-Umtriebe im Kieler Stadtteil nördlich des Kanals. Herausragende  Beispiele sind die Gründung der Friedrichsorter Initiative „Runder Tisch gegen rechte Ecken“ oder das gut besuchte antifaschistische Konzert  „Beats against Nazis“ im Januar dieses Jahres im Jugendtreff Pries. 
 
 
 

