Kiel: 400 Antirassist_innen demonstrieren Solidarität mit Refugees

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Die Demonstration startete kraftvoll und zahlreich um 18.00 am Bootshafen in Kiel und machte ihren ersten Stopp an der Ausländerbehörde, wo deren unmenschliche Praktiken und die regelrecht zynische Umbenennung in „Willkommensbehörde“ scharf kritisiert wurden.

Weiter ging es lautstark und mit lauten Technobeats am Weihnachtsmarkt vorbei zum Kieler Hauptbahnhof. Hier machte die schleswig-holsteinische Kampagne „Dublin in Kiel – right to stay“ anhand von zwei Einzelfällen, die aufgrund der Dublin-III Verordnung akut in Gefahr einer Abschiebung nach Italien sind, auf die unmenschliche Dublin-III Regelung aufmerksam. Diese besagt dass Asylsuchende in dem ersten EU-Land, das sie betreten, Asyl beantragen müssen. Diese Regelung führt zu vielen Abschiebungen und sorgt in EU-Grenzstaaten wie Italien für sehr prekäre Zustände für Geflüchtete. So wurden in den letzten zwei Jahren über 300 Menschen aus Schleswig-Holstein abgeschoben, über 10.000 im Jahr 2013 aus Deutschland.

Bei einem Zwischenstopp vor der Parteizentrale der Alternative für Deutschland im Walkerdamm thematisierten die DemonstrantInnen lautstark die rassistischen Meinungsäußerungen und Mobilisierungen durch diese Partei in Deutschland und der EU. Die deutlichen Unmutsbekundungen von Seiten der Teilnehmer*innen gegenüber den anwesenden RechtspopulistInnen wurden von den Organisator*innen begrüßt. Die Demonstration wurde nach einem Redebeitrag fortgesetzt, da eine Eskalation der Demonstration an dieser Stelle aufgrund der zahlreichen anwesenden Geflüchteten unangebracht war.

Vor der SPD-Landesparteizentrale wurde unter anderem auf die rassistische Politik des Hamburger SPD-Senats gegenüber der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ in den letzten Jahren und die aktuelle Rolle der SPD bei der Verschärfung des Asylrechts in Deutschland aufmerksam gemacht. So stimmte die SPD erst im September diesen Jahrs der Regelung der „sicheren Herkunftsstaaten“ zu, nach dem Menschen nun schneller und ohne ernsthafte Prüfung ihrer Asylanträge nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden können.

Auch die widersprüchliche Rolle des DGB bezüglich der deutschen Asylpolitik und den Protesten von Geflüchteten in Berlin und München wurde bei einem Stopp vor dem DGB-Regionalbüro deutlich gemacht. So ließ der DGB die protestierenden Geflüchteten aus dem Gewerkschaftshaus durch einen Großeinsatz der Polizei räumen, was eine Debatte über den Umgang und die Solidarität mit diesen Protesten innerhalb der Gewerkschaften auslöste.

Vor der Parteizentrale der Grünen Partei Schleswig-Holstein wurde darauf hingewiesen, dass diese vor einer Woche zusammen mit der CDU/CSU und der SPD im Bundesrat der Neuregelung und damit Beibehaltung des Asylbewerberleistungsgesetzes zugestimmt haben. „Ein Gesetz, dass durch repressive Maßnahmen wie Residenzpflicht und der Verweigerung medizinischer Versorgung Geflüchtete systematisch diskriminiert, gehört abgeschafft“, so Johannes Korndörfer, Organisator des Raves.

Auch wurde hier noch einmal die bereits erwähnte Regelung der „sicheren Herkunftsländer“ kritisiert, die von den Grünen im Bundesrat mitgetragen wurde.

Im Zentrum der Kritik stand auch die tödliche Abschottungspolitik der EU und Deutschlands mithilfe der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX, die seit 2002 über 22.000 Todesopfer gefordert hat. OrganisatorIn Tina Maus sagte dazu: „Ich finde es eine Schande, dass schutzsuchende, oftmals traumatisierte Menschen ihr Leben riskieren müssen, um nach Europa zu gelangen, und hier wie Kriminelle behandelt werden.“

Im Anschluss und während der gesamten Demonstration gab es die Möglichkeit bei warmen Essen und Punsch in den nahegelegenen, selbstverwalteten Räumen des Fahrradkinos in der Alten Muthesius Kunsthochschule zusammenzukommen und sich auszutauschen. Diese Möglichkeit wurde bereits während der Demonstration von zahlreichen Teilnehmer*innen genutzt.

Bereits im Vorfeld und während der Demonstration gab es sehr positive Kontakte und einen regen Austausch mit vielen Geflüchteten und selbstorganisierten Strukturen. „Über die zahlreiche Teilnahme, Unterstützung und die Vernetzung freuen wir uns sehr“, sagte Tina Maus.

Nach einem kritischen Beitrag des Medibüros Kiel zum Asylbewerberleistungsgesetz und dem Aufruf und Angebot an die Teilnehmer*innen sich an weiteren Protesten zu beteiligen und in solidarische Arbeit und Gruppen einzubringen endete die Demonstration um 22.00 Uhr am Bootshafen.

Anregungen, Feedback und Kritik wurde während der Demonstration schon an die OrganisatorInnen herangetragen. Über weitere Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik freut sich das Orgateam.

Der Aufruf ist hier dokumentiert.