“Ihr wollt uns einschüchtern? Das schafft ihr nicht”–Spendenaufruf für angeklagte Antifaschist_innen aus Kiel

[via Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel] Seit Sommer 2013 macht die antifaschistische Kampagne “An die Substanz!” im Raum Kiel unter dem Motto “rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben” auf diverse Geschäftsaktivitäten von Neonazis aufmerksam. Ziel ist es die (finanziellen) Strukturen aufzudecken, die hinter den offen auftretenden Neonazi-Organisationen stehen.

Schon seit den ersten Aktionen der Kampagne im August und Oktober 2013 sehen sich die Aktivist_innen polizeilicher und juristischer Verfolgung ausgesetzt. Sowohl bei einer Fahrradtour durch Kiel als auch bei einer Bustour durch den Kreis Plön und Neumünster wurden die beteiligten Antifaschist_innen von der Polizei massiv verfolgt, durchsucht, ihre Personalien wurden aufgenommen und es wurde versucht, weitere Aktionen zu unterbinden.

Aufgrund ihrer angeblichen Beteiligung an einer Aktion während der antifaschistischen Fahrradtour haben zwei Antifaschist_innen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch erhalten und wurden im Oktober 2014 zwangsweise von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt. Im Nachklang von zwei Kundgebungen vor dem Heilzentrum des Neonazis Henning Pless in der Kieler Innenstadt wurden mehrere Antifaschist_innen von Pless wegen Beleidigung angezeigt – in einem Fall bereits erfolglos, da die Anzeige wieder eingestellt wurde. Gegen einen Anmelder einer der Kundgebungen läuft ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren. Aktuell hat eine weitere Genossin einen Strafbefehl erhalten, weil sie im Rahmen der oben genannten Bustour für die “Durchführung einer nicht-angemeldeten Versammlung” verantwortlich gewesen sein soll.

Wir sagen: Antifaschistische Aufklärung ist notwendig und rufen zu Spenden zur Unterstützung der betroffenen Antifaschist_innen auf! Wir stellen der staatlichen Repression das Prinzip Rote Hilfe entgegen:

“Die Unterstützung für die Einzelnen soll zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Bewegung sein. Jede und Jeder, die sich am Kampf beteiligen, soll das in dem Bewußtsein tun können, daß sie auch hinterher, wenn sie Strafverfahren bekommen, nicht alleine dastehen. Ist es der wichtigste Zweck der staatlichen Verfolgung, diejenigen, die gemeinsam auf die Straße gegangen sind, durch Herausgreifen Einzelner voneinander zu isolieren und durch exemplarische Strafen Abschreckung zu bewirken, so stellt die Rote Hilfe dem das Prinzip der Solidarität entgegen und ermutigt damit zum Weiterkämpfen.”

Solidarität mit den angeklagten Antifaschist_innen!
Schafft Rote Hilfe!
“…denn wir sind nicht allein!”


Rote Hilfe OG Kiel (Februar 2015)

Spendenkonto:

Rote Hilfe KielIBAN: DE67 2001 0020 0088 2142 07
BIC: PBNKDEFF
Stichwort: “Substanz”

Weitere Informationen:

http://andiesubstanz.noblogs.org
http://kiel.rote-hilfe.de
www.antifa-kiel.org

Nach dem Brandanschlag in Escheburg: Kein ruhiges Hinterland für Rassist_innen

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Unter dem Motto „Rassismus tötet – Dem rassistischen Mob entgegentreten“ fanden sich am Samstag, 14.2.2015 knapp 150 solidarische Antifaschist_innen anlässlich des Brandanschlages auf eine Asylunterkunft am Montagmittag, 9.2.2015 zu einer Kundgebung in der schleswig-holsteinischen Ortschaft Escheburg bei Hamburg ein. Unter den mehrheitlich aus ganz Schleswig-Holstein und Hamburg angereisten Demonstrat_innen beteiligten sich auch etwa 20 Eschburger_innen an dieser ersten öffentlichen Protestaktion fünf Tage nach dem rassistischen Anschlag bei dem eine bezugsfertige Unterkunft für Asylsuchende aus dem Irak durch Brandstiftung vorübergehend unbewohnbar gemacht wurde.

Bereits vor Beginn der Kundgebung versuchten über 150 zu diesem Anlass eingesetzte Polizeibeamte durch mehrere repressive Maßnahmen gezielt einzelnen Gruppen die Anreise nach Escheburg zu erschweren. Mit fadenscheinigen Begründungen wurden einzelne Menschen gezielt durchsucht und dabei völlig willkürlich mehrere Platzverweise ausgestellt. Bereits zu Beginn der Kundgebung versuchte der diensthabende Einsatzleiter Holger Meinke von der Polizeidirektion Ratzeburg den angemeldeten Kundgebungsort zu verbieten sowie das Verteilen von Flugblättern und somit auch den Kontakt zu Anwohner_innen des anliegenden Neubaugebietes zu unterbinden. Gerechtfertigt wurden diese skandalösen Maßnahmen gegen die Versuche, eine angemessene Reaktion auf die Vorkommnisse im Ort zu finden, damit, dass Escheburg zu einem Gefahrengebiet erklärt worden sei.

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Dennoch hinderten diese Schikanen im Vorfeld die Kundgebungsteilnehmer_innen nicht daran, ihrer Kritik der rassistischen Zustände in Escheburg und überall sonst in Hörweite des Tatorts in einem gut situierten Neubaugebiet am Ortsrand Öffentlichkeit zu verschaffen. In fünf Redebeiträgen wurde vehement auf die untragbare Situation vor Ort hingewiesen, die am Rand stehenden Anwohner_innen angesprochen und natürlich auch trotz der polizeilichen Untersagung Flugblätter verteilt.

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Nach Ende der knapp zweistündigen Kundgebung konnte entgegen der Vorstellungen der Polizei zudem eine lautstarke Spontandemonstration gegen Rassismus und in Solidarität mit Flüchtlingen durch den Ort durchgeführt werden. Der Zugang zu dem Neubaugebiet in dem sich das Brandhaus befindet und deren Anwohner_innen nach dem Anschlag mehrheitlich durch rassistische Äußerungen und Deckelung der Tat, statt durch Solidarität und Protest aufgefallen waren, wurde den Demonstrant_innen jedoch durch die massiven Polizeikräfte verwehrt.

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Am nächsten Tag versammelten sich am Sonntagabend außerdem nochmals 350 Menschen, darunter neben der politischen Landesprominenz auch viele Escheburger_innen, zu einer Mahnwache „für Toleranz und gegen Fremdenhass“ zu der meherere bürgerliche Parteien aufgerufen hatten.

„Solange Menschen rassistische Hetze betreiben, Wohnhäuser angreifen und anzünden, werden wir dagegen kämpfen, die Betroffenen unterstützen und den Täter_innen zeigen, was wir von ihnen halten. Solange Menschen weiter stumpf rassistische Klischees bedienen, sich an der Hetze beteiligen oder sich auch nur im Stillen über die Angriffe erfreuen, werden wir da sein, dagegen vorgehen und dem rassistischen Mob keine Gelegenheit dazu geben, sich formieren zu können.

Zum rassistischen Brandanschlag in Escheburg am 9.2.2015

Am Montagnachmittag, 9. Februar 2015 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Escheburg (Kreis Herzogtum Lauenburg). Das Gebäude war zur Tatzeit unbewohnt, erst am nächsten Tag sollten sechs Geflüchtete aus dem Irak dort einziehen. Die Feuerwehr verhinderte, dass sich der Brand weiter ausbreiten konnte, es entstand trotzdem ein hoher Sachschaden, die Doppelhaushälfte ist zur Zeit unbewohnbar. Die sechs Geflüchteten werden bis zur Renovierung in der Gemeinschaftsunterkunft in Gudow untergebracht.

So schrecklich diese Tat ist und so groß die Bestürzung darüber in Politik, Medien und Öffentlichkeit ausfällt, kommt sie für uns nicht aus heiterem Himmel. Seit Jahren treiben Neonazis im Kreis Herzogtum Lauenburg ihr Unwesen. In den Neunziger Jahren kam es fast wöchentlich zu Ausschreitungen, Übergriffen und Brandstiftungen im Kreis durch rechte Jugendliche, Neonazi-Kader und Stammtischdeutsche. Der Rassismus des deutschen Mobs im Herzogtum fand seinen traurigen Höhepunkt in der Nacht auf den 23.11.1992. Damals steckten Neonazis aus rassistischen Tatmotiven in Mölln zwei Häuser in Brand, drei Menschen türkischer Herkunft starben, weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Auch wenn es in den Folgejahren etwas ruhiger wurde, ganz verschwanden die extrem Rechten nie aus dem Stadtbild. Einige Jahre später formierten sich etwa Neonazis zur „Nationalen Offensive“. Diese „Nationalen Sozialisten“, wie sie sich selbst nannten, gründeten eine rechte Wohngemeinschaft in Ratzeburg, welche als Anlaufpunkt diente. In einer Kampagne wurde sogar der Marktplatz als „national befreite Zone“ deklariert. Im gesamten Kreis kam es erneut zu Übergriffen auf Migrant_innen, linke Jugendliche und engagierte Politiker_innen und Bürger_innen. Seit dem Aufkeimen der „Pegida“-Bewegung und dem zum Teil erfolgreichen Auftreten der Partei „AfD“ ist Hetze gegen Asylsuchende, Migrant_innen und linke Menschen anscheinend wieder en vogue. In den Leserbriefen der lokalen Medien wird fleißig Unmut abgelassen über „Wirtschaftsflüchtlinge“, „linke Schmarotzer“ und andere „Gutmenschen“. Es entsteht ein Klima, das einst Rostock-Lichtenhagen ermöglichte, von daher war es anscheinend nur eine Frage der Zeit, bis die deutsche, rassistische Kontinuität erneut in Brandanschlägen und rassistischen Angriffen gegen Flüchtlingsunterkünfte, wie in Grabau und nun in Escheburg, offen zu Tage tritt.

Natürlich entsteht parallel in vielen Orten eine Willkommenskultur, Menschen gehen für die Rechte von Flüchtlingen auf die Straße und es findet ein Umdenken in der Unterbringung von Geflüchteten statt, trotzdem scheint dies in der öffentlichen Wahrnehmung ein kleiner Teil zu sein. Solange Menschen rassistische Hetze betreiben, Wohnhäuser angreifen und anzünden, werden wir dagegen kämpfen, die Betroffenen unterstützen und den Täter_innen zeigen, was wir von ihnen halten. Solange Anwohner_innen weiter stumpf rassistische Klischees bedienen, sich an der Hetze beteiligen und sich im Stillen über die Angriffe freuen, werden wir da sein und dagegen vorgehen und dem rassistisch deutschen Mob keine Gelegenheit geben, sich zu formieren.

Antifaschistische Aktion Herzogtum Lauenburg, 11.2.2015

500 in Kiel auf der Straße gegen das PKK-Verbot

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Am gestrigen Samstag, 7. Februar 2015 beteiligten sich in Kiel zeitweise bis zu 500 Menschen an der Demonstration „Solidarität mit dem revolutionären Aufbau in Kurdistan – Weg mit dem Verbot der PKK!“ zu der das Kobanê Solidaritäts-Komitee Kiel unterstützt von 18 Gruppen und Organisationen aus dem norddeutschen Raum aufgerufen hatte. Die Demonstrant_innen sammelten sich ab 14 Uhr zur Auftaktkundgebung auf dem zentralen Asmus-Bremer-Platz und zogen anschließend durch die Kieler Innenstadt mit einer Zwischenkundgebung auf dem Berliner Platz zum Hauptbahnhof, wo die Demo gegen 16.30 Uhr zu Ende ging.

Bereits im Vorfeld musste erwartet werden, dass sich eine Demonstration, die sich explizit gegen das in Deutschland im Jahre 1993 erlassene Betätigungsverbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre Denunziation auf der EU-Terrorliste richtet, von den Repressionsbehörden zum Anlass genommen werden könnte, ein Gerangel um das Zeigen vermeintlich oder tatsächlich kriminalisierter Symbole der kurdischen Bewegung zu veranstalten. Diese Befürchtung bestätigte sich. So wurde dem Anmelder noch vor dem eigentlichen Beginn der Auftaktkundgebung damit gedroht, das Loslaufen der Demo zu behindern, wenn etwa ein Plakat gezeigt werden würde, mit dem in den vergangenen Wochen für die Demo mobilisiert wurde und das einen halben roten Stern auf gelben Grund mit grüner Umrandung zeigt. Dies wurde von der Polizei, darunter auch der vor Ort anwesende Staatsschutz, als PKK-Symbol interpretiert. Mit selbiger Begründung nahm sie die Personalien eines Aktivisten auf, der Flyer an Passant_innen verteilte und kündigte ihm sowie dem Fahrzeughalter des Laustsprecherwagens die Einleitung von Strafermittlungsverfahren an. Um die planmäßige Durchführung der Veranstaltung nicht zu gefährden und einer möglichen Eskalation entgegen zu wirken, beugten sich die Organisator_innen schließlich der erzwungenen Zensur und machten entsprechende Symbole etwa am Lautsprecherwagen unter Protest unkenntlich.

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Die anschließende Demonstration selbst verlief dann störungsfrei und die Polizei hielt sich weitestgehend im Hintergrund. Die Stimmung wurde im Laufe der Route, insbesondere beim Passieren der Fußgängerzone in der Holstenstraße, stetig besser und lauter. Zudem hatten die Einschüchterungsversuche der Polizei zu Beginn der Demo anscheinend nur wenig Wirkung entfalten können, so dass in dem optisch ansprechenden bunten Fahnenmeer auch immer wieder solche Symbole auftauchten, die nicht der repressiven Gesetzeslage entsprechen. Beim Zulauf auf den Hauptbahnhof zum Ende wurde etwa an der Demospitze minutenlang der PKK-Stern in seiner vollen, unhalbierten Pracht und nicht zu übersehenden Größe gezeigt.

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In den hauptsächlich in deutscher, aber auch in kurdischer Sprache gehaltenen Redebeiträgen wurde die Geschichte des PKK-Verbots, die daraus resultierende Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung in Deutschland und seine in den deutsch-türkischen Beziehungen verankerten bündnisstrategischen und geopolitischen Hintergründe thematisiert. Zudem gingen Redner_innen auch auf die erst vor wenigen Wochen vermeldete Befreiung Kobanês von den fundamentalistischen Schlächtern des „IS“, die starke kurdische Frauenbewegung als zentrale Säule des theoretischen und praktischen Konzepts des Demokratischen Konföderalismus und seine Umsetzung in Form der Revolution im syrisch-kurdischen Rojava ein.

Anlass der Demo war der 16. Jahrestag der Entführung und Festnahme Abdullah Öcalans im Februar 1999 – Gründungsmitglied, Vorsitzender und wichtigster Theoretiker der PKK, der seitdem in der Türkei in Isolationshaft sitzt. Die Aktion in Kiel reiht sich ein in eine Vielzahl von Aktivitäten gegen das PKK-Verbot und für die Freiheit Öcalans in den kommenden Wochen. Nächsten Samstag etwa findet im französischen Straßburg eine internationale Großdemonstration statt, in der Woche darauf wird in Berlin demonstriert werden um der bevorstehenden Bundestagsinitiative der LINKEN gegen das PKK-Verbot den nötigen Druck der Straße mit auf den Weg zu geben.

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Insgesamt konnte mit der gestrigen Demonstration die lokale Zusammenarbeit von kurdischen und nicht-kurdischen Linken auch über die zahlreichen erfolgreichen Mobilisierungen und Veranstaltungen in Solidarität mit dem Widerstand Kobanês hinaus weiter intensiviert werden und die Forderung nach der sofortigen Aufhebung PKK-Verbots in die lokale öffentliche Debatte eingebracht werden. Die Beteiligung war zwar nicht überwältigend, aber auch angesichts der expliziten Kernforderung durchaus zufriedenstellend und die Demonstration trat trotz der Polizei-Schikanen selbstbewusst und lebendig auf. Auch auf die zukünftige Kieler Solidaritätsarbeit mit der kurdischen Befreiungsbewegung lässt sich also optimistisch blicken.

Kobanê Solidaritäts-Komitee Kiel