Prozess gegen Peter Borchert endet mit Freispruch

Update: Die Staatsanwaltschaft hat nach der Verhandlung direkt Revision gegen das Urteil eingelegt. Der Prozess wird also vor dem Bundesgerichtshof weitergehen.

 

Am 19.2.09 endete in Kiel der vielbeachtete Prozess gegen den Neonazi Peter Borchert mit einem Freispruch. Borchert wurde vorgeworfen, am 29. August 2008 eine Schlägerei mit den „Hells Angels“ provoziert und in deren Verlauf zwei Personen mit einem Messer verletzt zu haben. Aufgrund widersprüchlicher bzw. keinen Aussagen von Beteiligten und ZeugInnen konnte der Vorwurf nicht bewiesen werden. Das Landgericht bezweifelte in seinem Urteil, dass der Angriff tatsächlich Nothilfe war, wie Borchert behauptet hatte. Der eigentliche Tatvorwurf der gefährlichen Körperverletzung lasse sich aber auch nicht nachweisen. Verteidigt wurde er durch den Kieler Anwalt Christian Bangert, der im Kreisvorstand der NPD aktiv ist.

 

Peter Borchert ist ein (umstrittener) Führungskader der norddeutschen „Autonomen Nationalisten“ und war maßgeblich für den Aufbau der „Aktionsgruppe Kiel“ verantwortlich, die seit Anfang 2008 immer wieder Anschläge gegen vermeintlich linke Einrichtungen begeht. Zuletzt wurden Anfang Februar bei zwei Projekten Scheiben eingeworfen, die „AG Kiel“ bekennt sich in einem ausführlichen Text auf ihrer Homepage sogar selber dazu. Gleichzeitig führten Mitglieder der Gruppe in den letzten Wochen regelmäßig Flugblattverteilungen in der Kieler Innenstadt durch und versuchten dort betont bürgerlich aufzutreten. Bei einer dieser Aktionen kam es zu einer Auseinandersetzung mit AntifaschistInnen. Auch am letzten Samstag (21.2.) verteilte eine größere Gruppe Neonazis wieder Flyer in der Holstenstraße.

Ausführliche Informationen zum Prozess sind auf www.npd-blog.info gesammelt.

Kieler Nazis kündigen neue Gewalttaten an

Wir dokumentieren einen Artikel der LinX:

Nach Anschlägen auf antifaschistische Einrichtungen:

 

Kieler Nazis kündigen neue Gewalttaten an

 

Im „Kampfjahr 2009“, so erklärte vor einigen Tagen die faschistische „Aktionsgruppe Kiel“, solle „die Landeshauptstadt wieder Frontstadt“ werden. Mit den Überfällen auf antifaschistische Einrichtungen wie den Buchladen Zapata und die Hansastraße 48 in der ersten Februarwoche, bei denen sie Scheiben einwarfen und erheblichen Sachschaden anrichteten, haben die Nazis einen ersten Eindruck davon gegeben, wie sie ihr Ziel erreichen wollen. Darüber hinaus ist mit verstärkten Propagandaaktionen zu rechnen, zumal die „Aktionsgruppe“, deren Mitglieder sich selbst als „nationale Sozialisten“ bezeichnen, personell eng mit der NPD verflochten ist und deren Wahlkampfaktionen in diesem Jahr mit gestalten wird.

 

Der ehemalige NPD-Landesvorsitzende und Gewaltverbrecher Peter Borchert, der zur Zeit wegen seiner Beteiligung an Messerstechereien im Rotlicht-Milieu in Kiel in Untersuchungshaft sitzt, bleibt Leitfigur der „Aktionsgruppe“; seine Inhaftierung habe nicht zur Lähmung oder Zerschlagung des „nationalen Lagers“ beigetragen – eben das habe der „Nationale Widerstand“ in den vergangenen Wochen mit seinen Propaganda- und Gewalteinsätzen unter Beweis gestellt. Die Verlautbarung schließt mit den Worten: „Die Aktionsgruppe Kiel ruft alle Nationalisten aus der Landeshauptstadt und Umgebung dazu auf, sich zu organisieren und auch unabhängig als Werwolfeinheiten zu agieren!“ – Viel klarer kann das Bekenntnis zur Tradition der NSDAP nicht ausfallen.

 

Zu den Mitgliedern der AG Kiel gehören Peter von der Born, Nils Holm und Christopher Rüdiger – Mitglieder und Kommunalwahl-Kandidaten der NPD. Peter von der Born hat nach eigenem Bekunden seinen Arbeitsplatz verloren, nachdem er dort infolge einer von einigen Angehörigen der autonomen Szene durchgeführten „Outing-Aktion“ als Faschist entlarvt worden war. Die AG selbst bekundet Freude über seine Entlassung, da er sich nun, nicht mehr behindert durch Erwerbsarbeit, wieder aktiv „in die Front der nationalen Sozialisten“ einreihen könne.

 

Die NPD Schleswig-Holstein hat am 25. Januar auf einem Parteitag in Högel ihre Landesliste zur Bundestagswahl aufgestellt. Dem Landesvorsitzenden Uwe Schäfer folgt dort auf Platz 2 Jans Lütke, der jahrelang vorzugsweise mit Peter von der Born durch Kiel gezogen ist. Bereits auf Platz 3 steht eine der bekanntesten Figuren der militant-nationalsozialistischen „Freien Kameradschaften“: Thomas „Steiner“ Wulff, noch vor Ingo Stawitz. Auch Hermann Gutsche, der seit dem 21. Januar Kreisvorsitzender der NPD in Kiel ist, steht auf der Liste. Die NPD hofft, nun eine „geschlossene und schlagkräftige Truppe“ mit „Unterstützung aller Parteimitglieder und vieler freier Kräfte“ beisammen zu haben.

 

Diese faschistische Partei und die diversen „freien“ Nazi-Gruppen in ihrem Umfeld haben keinen Anspruch auf freie politische Betätigung in irgendeiner Form. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen – unter dieser Losung gilt es wiederum, den Nazis entgegenzutreten und sie an der Verbreitung ihrer mörderischen Ideologie, an der Begehung weiterer Gewalttaten zu hindern. Ein Treffen von VertreterInnen der angegriffenen und anderer bedrohter antifaschistischen Einrichtungen wird in der kommenden Woche stattfinden. Es ist notwendig, dass sich wieder einmal alle demokratischen und antifaschistischen Organisationen in Kiel zusammenfinden zu andauernden und eindrucksvollen Aktionen gegen das Auftreten der Faschisten in unserer Stadt. Gesicht zeigen gegen Faschismus und Rassismus, immer mehr Menschen einbeziehen und ermuntern zu öffentlichem Protest gegen das faschistische Treiben – darauf kommt es jetzt und in den kommenden Monaten an. Die Forderung nach Verbot und vollständiger Auflösung der NPD und aller anderen faschistischen Organisationen muss mit Nachdruck erhoben werden, die auf dieses Ziel gerichtete Kampagne „nonpd“ der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der AntifaschistInnen sollte breite Unterstützung erfahren.

 

Angesichts der Frechheit und Rücksichtslosigkeit der faschistischen Umtriebe ist jede Form der Empörung darüber und des Versuchs, die Nazis zu stoppen, nur allzu verständlich. Planlose (oder auch schlecht geplante) Aktionen, die womöglich noch den Eindruck von Bandenkämpfen vermitteln (oder es der Presse ermöglichen, diesen Eindruck zu verbreiten), sind allerdings wenig hilfreich; besonders peinlich wird es, wenn solche Aktionen den Nazis die Gelegenheit bieten, sich über AntifaschistInnen lustig zumachen, wie es nach einer Auseinandersetzung in der Kieler Innenstadt vor einigen Tagen geschehen ist. Darüber wird zu sprechen sein. Kein Zweifel darf daran bestehen, dass die AntifaschistInnen, die im Anschluss an die genannte Aktion von der Polizei festgenommen wurden und gegen die nun wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs und der gefährlichen Körperverletzung ermittelt wird, unserer Solidarität bedürfen.

 

Kiel als nationalsozialistische Frontstadt, durchsetzt von zu jeder Gewalttat bereiten Werwolfeinheiten? – Niemals! Nach wie vor gilt: Dies ist unsere Stadt! Hier ist für Faschisten kein Platz!

D.L.

Flugblattaktionen, Sprühereien, Glasscherben und Quarzhandschuhe – Zu den aktuellen Naziumtrieben in Kiel

In Kiel sind Neonazis aus dem Spektrum der „autonomen Nationalisten“, die sogenannte „Aktionsgruppe Kiel“, wieder vermehrt aktiv. Der folgende Text versucht einen Überblick über die Geschehnisse der letzten Wochen zu geben.

Vorausgegangen war den Naziaktionen ein Outing von 10 militanten Neonazis der „Aktionsgruppe Kiel“, um die es nach der Inhaftierung von Peter Borchert im August 2008 zunächst wieder ruhiger geworden war. Gegen Borchert läuft derzeit in Kiel ein vielbeachteter Prozess. Ihm wird vorgeworfen in einer Schlägerei ein Mitglied der „Hells Angels“ lebensgefährlich verletzt zu haben. Das Outing durch AntifaschistInnen am 17.01. informierte die AnwohnerInnen über die neonazistischen Aktivitäten ihrer NachbarInnen. Desweiteren wurden die ArbeitgeberInnen der Neonazis informiert (siehe: http://de.indymedia.org/2009/01/240342.shtml).

In der Nacht zum 18.01. wurde ein Brandanschlag auf ein Auto vor einem Wohnprojekt in Neumünster verübt. Dass dies als Reaktion auf die Outing-Aktion geschah wird bisher nur vermutet, ist aber nicht auszuschließen.

In Kiel kam es dann Anfang der letzten Januarwoche, am 26.01. und 27.01., zu jeweils halbstündigen Verteilaktionen von veraltetem NPD-Material in der Kieler Innenstadt, vermutlich durch lokale NPD-Aktivisten. Im gleichen Zeitraum tauchten vermehrt Aufkleber nahezu überall in Kiel und einige Sprühereien in der Innenstadt sowie an einer linken Kneipe auf. Dabei zeigte sich anscheinend ein Teilerfolg des Outings, da sich die offensichtlich faschistischen UrheberInnen der dilettantischen Sprühereien aufrichtig für ihre kurzfristig eingetretene Arbeitslosigkeit bedankten.

 

Graffiti Holstenstrasse

Als dann am Dienstag, den 03.02., wieder eine Flugblattaktion, diesmal jedoch durchgeführt von drei militanten Neonazis der „Aktionsgruppe Kiel“ (u.a. Daniel Z. und Peter v. d. B.) in der Innenstadt stattfand, traf sich eine kleine Gruppe von AntifaschistInnen, die die Aktion allerdings nur kurzfristig stören konnten. Auf die aggressiven Aufforderungen zu einer Schlägerei reagierten die AntifaschistInnen nicht und gingen so einer Konfrontation aus dem Weg. Die Flugblätter setzten sich aus ebenfalls veraltetem Infomaterial, bestellbar über das Internet, mit dem Aufdruck „Aktionsgruppe Kiel“ zusammen.

In der Nacht auf den 04.02. wurden dann zwei Angriffe auf linke Projekte verübt. Dem Buchladen „Zapata“ und der Druckerei der „Hansastraße 48“ wurden die Scheiben eingeworfen. Dass „autonome Nationalisten“ aus der „Aktionsgruppe Kiel“ hierfür verantwortlich sind, ist relativ sicher, so haben diese im Frühjahr 2008 im Vorfeld der Kommunalwahlen unter anderem genau diesen Projekten die Scheiben eingeworfen. (siehe: http://www.antifa-kiel.org/index.php/chronologie.html)

Gestern, am 04.02., kam es dann im Rahmen einer erneuten Verteilaktion durch die dieselben Neonazis zu einer Auseinandersetzung mit einigen AntifaschistInnen. In dessen Folge kam es zu Festnahmen und erkennungsdienstlichen Behandlungen von vier AntifaschistInnen. Mindestens einer der Neonazis (Daniel Z.) ist ebenfalls durch die Polizei gefasst worden.

Es ist unklar, ob die Kieler „autonomen Nationalisten“ wieder eine Serie von militanten Anschlägen und anderen Aktionen wie im Frühjahr 2008 planen. Von antifaschistischer Seite darf und sollte hier mit vielfältiger Gegenwehr gerechnet werden, um der „Aktionsgruppe Kiel“ und allen anderen faschistischen und neonazistischen Organisationen klare Kante zu geben.

Keinen Millimeter den FaschistInnen!

Organisiert den antifaschistischen Widerstand!

Autonome Antifa-Koordination Kiel, 5.2.09