Aktuelles zu den angedrohten ED-Behandlungen zweier AntifaschistInnen in Kiel

+++AntifaschistInnen verweigern mittlerweile seit neun Monaten ED-Behandlung wegen des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs bei Neonazi-Heilpraktiker Henning Pless+++Zwischenzeitliche Aufhebung der Zwangsmaßnahme durch Kieler Amtsgericht wurde vom Landesgericht wieder gekippt+++weitere Repression der Kieler Polizei gegen Antifaschisten+++


Was bisher geschah…

Im Nachklang einer antifaschistischen Fahrradtour der Kampagne “An die Substanz! Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!” durch das Kieler Stadtgebiet im August letzten Jahres ermittelt die Kieler Polizei gegen zwei AntifaschistInnen wegen des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs und lud beide zur erkennungsdienstlichen Behandlung vor. Hintergrund ist eine Aktion im Rahmen der Fahrradtour, bei welcher der Betreiber des Heilcentrum Pless, der Neonazi Henning Pless, von einer Delegation antifaschistischer Radler_innen mit einer Urkunde für sein jahrzehntelanges Engagement in der deutschlandweiten völkischen Rechten ausgezeichnet wurde. Dieser missverstand allerdings die erstmalige und längst überfällige öffentliche Würdigung seiner braunen Aktivitäten als Hausfriedensbruch und erhob Strafanzeige gegen vermeintliche TeilnehmerInnen der Delegation.

Nachdem dann die zwei Kieler GenossInnen zunächst im November 2013 und folgend im März 2014 schriftliche Aufforderungen erhielten sich bei der Polizei einzufinden um ihre Fingerabdrücke abzugeben, sich abfotografieren und vermessen zu lassen entschieden beide, dass es nun genug sei mit den übermotivierten Ermittlungen der Staatsschützer. Sie verweigerten ihre Mitwirkung bei diesem Theater und erschienen bis heute nicht zu der ED-Behandlung!

Zeitgleich gingen die Rechtsanwält_innen der beiden auf juristischer Ebene gegen die geplanten Maßnahmen vor und hatten damit zunächst auch Erfolg. So erklärte das Kieler Amtsgericht in erster Instanz die Anordnungen der Staatsanwaltschaft zur erkennungsdienstlichen Behandlung für rechtswidrig. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft jedoch Beschwerde ein, woraufhin das Landgericht in zweiter Instanz sodann die Maßnahmen für gerechtfertigt und somit rechtmäßig erklärte. Damit ist auf rechtlicher Ebene wieder der ursprüngliche Status für die zwei Betroffenen eingetreten. Das bedeutet: Mit der Verweigerung der ED-Behandlung müssen beide nun wieder jederzeit mit einer zwangsweisen Vorführung rechnen, d.h., dass sie Zuhause oder sonst wo von der Polizei aufgegriffen und mitgenommen werden können.

Was fest steht ist, dass es bis zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung war eine aktive Mitwirkung bei der Arbeit der Repressionsorgane zu verweigern. So konnte das Prozedere mittlerweile neun Monate lang behindert werden. Klar müssen sich keine Illusionen gemacht werden, gänzlich verhindert werden können diesen Maßnahmen, wenn es die Staatsanwaltschaft und Polizei auf ihre Durchsetzung angelegt haben, wohl nicht. Aber, und das ist entscheidend, konnte mit dem Schritt, den Anordnungen der Cops wann und wo die GenossInnen zu erscheinen haben nicht nachzukommen, sich ein Stück aus der passiven Rolle befreit werden und zu mindestens bis zu einem gewissen Punkt selbst bestimmt werden, was wann passiert.

Die Ermittlungsbehörden – Pless Freund und Helfer

Währenddessen läuft die Hoffnung von Henning Pless sich durch das Stellen von Strafanzeigen gegen Antifaschist_innen etwas Ruhe um die neonazistischen Hintergründe seiner Person und in seinem Heilcentrum verschaffen zu können ins Leere. Von den Einschüchterungsversuchen unbeeindruckt steht der Neonazi-Funktionär auch weiterhin im Fokus antifaschistischer Arbeit in Kiel. So fanden im Juni 2014 innerhalb von zwei Wochen drei Kundgebungen vor dessen Praxisräumen statt, in deren Rahmen Flugblätter verteilt und Redebeiträge über die Hintergründe des Neonazis und zur Repression der Kieler Polizei im Auftrag von Henning Pless gehalten wurden. Passant_innen sowie Patient_innen reagierten sehr interessiert bis schockiert über die Neuigkeit, dass hinter der bürgerlichen Fassade von Henning Pless ein überzeugter Neonazi steckt. Auch haben Patient_innen des Heilcentrums nach dem Erfahren der rechten Verstrickungen von Pless angekündigt, zukünftig sich eine_n andere_n Heilpraktiker_in zu suchen.

Bedenklich ist nach wie vor der Eifer, mit dem die Polizei die Integrität eines bundesweit bekannten Neonazis mit allen Mitteln zu verteidigen versucht. So reagierten die Beamten auf den Kundgebungs-Marathon zunehmend repressiv und waren offensichtlich sehr darum bemüht Pless gutbürgerliches Ansehen auch weiterhin vor „Imageschäden“ durch die Veröffentlichung seiner politischen Aktivitäten zu bewahren. Resultat des Engagements der Beamten ist ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen einen Antifaschisten, der auf Geheiß Henning Pless wegen angeblicher Beleidigung angezeigt wurde. Der Genosse hat auf einer der Kundgebungen einen Redebeitrag über Pless neonazistische Hintergründe gehalten, durch dessen Inhalt sich der Neonazi anscheinend angegriffen fühlte. Die Beamten, die über eine Handyschaltung direkt mit Pless telefonierten, welcher das Geschehen aus den Fenstern seiner Praxis verfolgte, setzten die Anzeige bereitwillig um, nahmen die Personalien des Genossen auf und verwiesen ihn mittels eines Platzverweises von der Kundgebung.

Keine Ruhe für Neonazis – Solidarität schlägt Repression!

Der Repression zum Trotz bleibt es dabei: auch weiterhin wird Henning Pless als Führungsfigur der völkischen Neonazi-Szene im Fokus von Antifaschist_innen stehen. Die positiven Reaktionen auf die antifaschistischen Aktivitäten rund um das Heilcentrum Pless sowie praktische Erfolge, wie zum Beispiel das vorzeitige Schließen der Praxis aus Sorge vor einer angekündigten antifaschistischen Kundgebung bestärken uns in der Einschätzung, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Sollte es zu der zwangsweise Vorführung zur ED-Behandlung unserer zwei GenossInnen kommen, rufen wir weiterhin zu Solidaritätsaktionen auf!

An dieser Stelle möchten wir auch viele solidarische Grüße an den Genossen aus Salzwedel schicken, der im Kontext eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn, u.a. wegen „versuchter Sabotage an Wehrmitteln“ zur Abgabe seiner DNA gezwungen werden soll, sich aber dieser Maßnahme ebenfalls seit Dezember letzten Jahres bzw. seit Januar 2014 erfolgreich entzieht! Chapeau und die Faust zum Gruße 🙂

weiterführende Links:

Hintergründe zu den Aktivitäten von Henning Pless

Informationen zur Repression gegen den Genossen aus Salzwedel