„Wenn wir streiken, steht die Welt still!“ Feministisch streiken am 8. März

Datum/Zeit
08.03.21
10:15 - 14:45

Veranstaltungsort
Städtisches Krankenhaus


Das 8M-Kiel Bündnis ruft auf:

Mobiles Streik-Café:

ACHTUNG: Unsere geplanten Streik-Aktionen haben sich noch einmal geändert. Unser Mobiles Streik-Café findet in leicht angepasster Form weiterhin statt. Die Demo haben wir abgesagt. Nähere Infos zu den Hintergründen findet ihr hier.

10.15 Uhr bis 11.15 Uhr: Streik-Kundgebung am Städtischen Krankenhaus – Gesundheit ist keine Ware!

(Chemnitzstr. / Kronshagener Weg, Kiel)

Pfleger*innen wehren sich schon lange gegen die systematische Abwertung und Ausbeutung ihrer Arbeit. Seit Jahren fordern sie in Streiks, dass die Arbeit am Menschen nicht kaputtgespart werden soll. Unter dem Motto: „Gesundheit ist keine Ware“ wollen wir uns mit diesen Kämpfen solidarisch zeigen und gemeinsam streiken.

12 Uhr bis 13 Uhr: Streik-Kundgebung vor der Ausländerbehörde – Fight fortress Europe!

(Sophienblatt / Herzog-Friedrich-Straße)

Weltweit migrieren und flüchten mehr FLINT* als cis-Männer[2]. Aufgrund geschlechterspezifischer Ungleichheiten und rassistischer Diskriminierung haben migrantische FLINT* im Ankunftsland häufig einen schlechteren Zugang zu Ressourcen und damit einhergehend geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie arbeiten daher häufig unter prekären Arbeitsbedingungen, was ein geringeres Einkommen, eine schlechtere Absicherung und unflexiblere Arbeitszeiten zur Folge hat. Besonders im Pflege- und Erziehungssektor arbeiten viele migrantische FLINT*. Weil Migrant*innen in niedrigqualifizierten, schlecht bezahlten und prekären Arbeitsplätzen überrepräsentiert sind, leiden sie in der Corona-Krise häufiger unter Arbeitslosigkeit. Auch das Risiko sich mit Corona anzustecken ist in prekären Jobs mit schlechten Arbeitsbedingungen um ein Vielfaches höher. Am 8. März setzen wir ein Zeichen gegen diese Ungleichheit und streiken symbolisch vor der Ausländerbehörde.

13.45 Uhr bis 14.45 Uhr: Streik-Kundgebung vor dem Familienzentrum Gaarden – Care-Revolution now!

(Preetzer Straße / Elisabethstraße)

Nicht erst die Corona-Krise sollte für alle unmissverständlich deutlich gemacht haben, wie wichtig und anspruchsvoll die Arbeit von Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen ist. Trotzdem war das Klatschen längst verhallt, als die Beschäftigen im öffentlichen Dienst – auch in Kiel – Ende letzten Jahres für eine Lohnerhöhung gekämpft haben. Wir nutzen den 8. März, um uns mit allen Care-Arbeiter*innen zu verbünden und unsere Wut gemeinsam auf die Straße zu tragen.

Wir rufen nur FLINT* auf aktiv zu streiken und mit uns zusammen auf die Straße zu gehen. Daher gehen wir – OHNE cis-Männer! – auf die Straße, um gegen die patriarchalen Zustände zu demonstrieren. Genau wie unser Bündnis, ist auch unsere Demo trans*inklusiv. Trans Menschen aller Geschlechter sind herzlich eingeladen mit uns zusammen am 8. März auf die Straße zu gehen.


Feministische Bewegungen sind weltweit so stark wie lange nicht mehr. In den letzten Jahren wurde in vielen Ländern zum Streik am 8. März aufgerufen – dem internationalen feministischen Kampftag. Diese neue feministische Streikbewegung hat sich in den letzten Jahren über die ganze Welt ausgebreitet und ist zu einer der stärksten sozialen Bewegung unserer Zeit geworden. Auch in Kiel ruft das feministische Bündnis 8M-Kiel alle Frauen, Lesben, intergeschlechtlichen, nicht-binären und trans Personen (kurz FLINT*)[1] dazu auf, gemeinsam am 8. März 2021 die Arbeit niederzulegen und sich am feministischen Streik zu beteiligen. Denn wenn wir streiken, steht die Welt still!

Gründe zu streiken gibt es genug

Erfahrungen von Ungleichheit, Diskriminierung und Gewalt sind für FLINT* überall auf der Welt alltäglich: Psychische und physische Gewalt; Ausbeutung durch schlechte oder keine Bezahlung für ihre Arbeit; Fremdbestimmung beim Kinderkriegen, zum Beispiel in Form von Abtreibungsgesetzen; die Nicht-Anerkennung von verschiedenen Geschlechtern und Sexualitäten abseits vom heterosexuellen Mann und Frau; und so vieles mehr.

Das kapitalistische Patriarchat unterdrückt uns alle

Das alles ist kein Zufall, sondern hat System: Dieses heißt Patriarchat. Das bedeutet, dass cis Männer[2] in unserer Gesellschaft eine übergeordnete Position einnehmen: Sie haben Vorteile gegenüber anderen Geschlechtern, zum Beispiel haben mehr Macht, mehr Reichtum und ihre Perspektiven werden häufiger gehört. FLINT* werden hingegen abgewertet und unterdrückt. Gewalt gegen FLINT* ist dabei nicht nur Teil dieses Systems, sondern das System baut auf ihr auf. Diese Gewalt kann verschiedene Formen haben, zum Beispiel körperlich, psychisch oder durch Gesetze und Rechtsprechung. Von klein auf werden wir vom Patriarchat als Gesellschaftsordnung geprägt: Schon in der Kindheit wird uns vermittelt, dass wir uns den Kategorien „männlich“ oder „weiblich“ zuzuordnen haben. Trans und inter Geschlechtlichkeiten werden bereits hier unsichtbar gemacht und unterdrückt. Das alles bestimmt unser Leben, Denken und Handeln.

Das Patriarchat wirkt mit unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, dem Kapitalismus, zusammen. Das zeigt sich vor allem darin, dass verschiedenen Geschlechtern unterschiedliche Arbeiten zugeschrieben werden. Was erstmal veraltet klingt, ist aktueller denn je: Noch immer liegt der Hauptteil der gering oder nicht entlohnten Sorgearbeit (Care-Arbeit) in den Händen von FLINT*. So arbeiten z.B. in den Bereichen Erziehung und Pflege oder in der Reinigungsbranche vorwiegend FLINT*. Neben der Lohnarbeit übernehmen sie zudem unzählige Stunden unbezahlter Sorgearbeit z.B. im Haushalt und in der Kinderbetreuung. Auch in der Familie oder im Freund*innenkreis wird wie selbstverständlich erwartet, dass FLINT* emotionale Arbeit und Unterstützung leisten. Obwohl Sorge grundlegend für alle Menschen ist, wird sie in der Gesellschaft kaum wertgeschätzt. Für die meisten FLINT* entsteht so eine Doppelbelastung aus Lohnarbeit und unbezahlter Sorgearbeit. Diese Doppelbelastung muss von vielen selbst getragen werden. Sie kann aber auch an andere weitergegeben werden: Vor allem weiße[3] FLINT*, die das nötige Kleingeld haben, geben immer mehr Care-Arbeit in Haushalt und Familie ab. Diese Jobs werden oft von migrantischen Arbeiter*innen übernommen, die unter anderem aufgrund rassistischer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden. Sie sind deswegen oft gezwungen, diese schlecht bezahlten Jobs anzunehmen.

Was bei all dem deutlich wird, ist, dass FLINT* keineswegs alle gleich sind, gleiche Erfahrungen machen oder in der Gesellschaft gleich behandelt werden. Menschen werden in der Gesellschaft unterschiedliche Plätze zugewiesen. Dabei spielen verschiedene Kategorien eine Rolle: Personen unterscheiden sich zum Beispiel in ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer Bildung, ihrer Gesundheit, ihrer finanziellen Situation, ihrem Alter, ihrer Verantwortung gegenüber anderen, ihrer Sexualität, ihrem Geschlecht oder darin, ob sie von Rassismus betroffen sind oder nicht. Das alles hat großen Einfluss darauf, welche Diskriminierungen und Unterdrückungen, aber auch Privilegierungen und Bevorteilungen Menschen erfahren.

Diese Unterschiede sollten uns aber nicht daran hindern, sondern vor allem darin bekräftigen, gemeinsam gegen den Ist-Zustand zu kämpfen. Denn: Das kapitalistische Patriarchat unterdrückt alle FLINT*!

In der Corona-Pandemie verschärfen sich Ausbeutung und Ungleichheit

Das eigene Zuhause ist für FLINT* statistisch gesehen schon immer einer der gefährlichsten Orte. Im Zuge von Ausgangsbeschränkungen und Social Distancing hat sich die Situation häuslicher Gewalt noch weiter verschärft. Auch für trans Personen sind die Belastungen in der Pandemie besonders gestiegen: Ausfallende Therapiesitzungen, medizinische Termine, Gutachtensitzungen oder verpflichtende Gerichtstermine für die rechtliche Anerkennung des Geschlechts – so wird ihnen noch länger ihr Selbst von Gesellschaft und Behörden abgesprochen. Für die meisten FLINT* wird die sowieso geleistete Care-Arbeit zur Herausforderung: Die Arbeitsbedingungen in der Pflege, der Reinigungsbranche oder bei geringfügigen Beschäftigungen verschlimmern sich. Zusätzlich fallen Aufgaben wie Home-Schooling, psychische Versorgung von Mitmenschen und Mehraufwand im Haushalt an. Die Pandemie zeigt deutlich, wer sowieso schon unter kapitalistischen Sparmaßnahmen leiden musste. So wird die Privatisierung im Pflege- und Gesundheitsbereich immer mehr als Problem deutlich: Schlechte Arbeitsverhältnisse, schlechte Bezahlung und wenig gesellschaftliche Anerkennung sind nur wenige dieser Folgen. Obwohl genau jetzt sichtbar wird, dass die Gesellschaft ohne die Arbeit von FLINT* nicht funktionieren würde, verändert sich nichts. Applaus für Pflegekräfte oder das Lob an alle Menschen, die nun ihre Kinder 24/7 betreuen müssen, sind nicht mehr als Heuchelei. Denn noch immer werden diese Tätigkeiten nicht gerecht entlohnt oder anerkannt und noch immer ist die meiste Arbeit, die FLINT* leisten, unsichtbar!

Das alles wollen wir uns nicht länger gefallen lassen! Wir stellen uns gegen die Ausbeutung und Unterdrückung von FLINT*, indem wir zeigen, was wir tagtäglich leisten! Wir stellen uns gegen die Abwertung unserer Arbeit, gegen Doppelbelastung, gegen unsichere und schädliche Arbeitsbedingungen, gegen unbezahlte Arbeit und vor allem gegen die Annahme, dass wir genau das leisten müssen!

Wir wollen streiken, weil wir zeigen wollen, dass das System so wie es ist, auf der Ausbeutung und Unterdrückung von FLINT* aufgebaut ist. Wir wollen uns gegen das kapitalistische Patriarchat wehren! Wir kämpfen daher für eine Welt, die soziale Gerechtigkeit für alle beinhaltet. Wir wollen einen Feminismus für alle. Wir wollen eine Gesellschaft, in der jede*r selbstbestimmt leben darf. Eine Gesellschaft, in der wir selbst über unsere Körper bestimmen und in Freiheit leben!

Das letzte Jahr hat eines deutlich gemacht: Die Verhältnisse ändern sich nicht von alleine – das müssen wir selbst in die Hand nehmen: Wer systemrelevant ist, kann das System auch ändern! Diese Veränderung muss organisiert, durchgesetzt und verteidigt werden. Genau deswegen sagen wir: Heraus zum Streik am 8. März! Wenn wir uns zusammenschließen, haben wir die Kraft, die Welt aus den Angeln zu heben. Denn wenn wir streiken, dann steht die Welt still!

 

Wir sind uns bewusst, dass in der aktuellen Corona-Situation alles etwas andern laufen muss. Wir denken die aktuelle Lage mit und überlegen uns für alle unsere Aktionen Konzepte, die uns ermöglichen, zusammen auf die Straße gehen zu können und gleichzeitig einen verantwortungsvollen Umgang mit der Situation zu finden.

Weitere Infos: 8mkiel.noblogs.org


[1] FLINT* ist eine Abkürzung, die für alle Menschen gelten soll, die vom Patriarchat unterdrückt werden. Sie steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, non-binäre und trans Menschen. Trans bedeutet: Ein Mensch lebt in einem anderen Geschlecht als das, was Ärzt*innen bei der Geburt gesagt haben. Inter bedeutet: Wenn die Medizin sagt, ein Mensch ist nicht eindeutig eine Frau oder ein Mann. Nicht-binär bedeutet: ein Mensch ist weder eine Frau noch ein Mann.[2] Cis bedeutet, dass ein Mensch das Geschlecht hat, das ihm bei der Geburt zugewiesen wurde.

[3] Der Begriff weiß zur Beschreibung von Menschen wird kursiv und klein geschrieben, um hervorzugeben, dass es sich nicht um eine biologische Eigenschaft handelt. Es handelt sich um keine Hautfarbe, sondern um Privilegien, die mit der Hauptfarbe einher gehen. Weiße Menschen haben in unserer Gesellschaft meist eine dominantere Position als Menschen, die von Rassismus betroffen sind.