01.11.14
13:00
Lauter brave Leute?! – 1.11.: Mahnwache in Rendsburg kaputt machen!
„Auf den ersten Eindruck haben Sie den Eindruck: Lauter brave Leute. Hören Sie aber zu, entdecken Sie, dass sie nur von Ausrottung und Gaskammern träumen.“ (Thomas Bernhard)
Samstag 1.11.: Mahnwache in Rendsburg kaputt machen!
Zu einer gemeinsamen Kundgebung rufen die Initiator*innen der Montags-Mahnwachen in Kiel und Rendsburg für Samstag, 1. November, in der Rendsburger Innenstadt auf. Das Wissen um den Hintergrund der Organisator*innen und die bisher angekündigten Redner*innen geben Antifaschist*innen Anlass zur Intervention gegen den Auftritt von Verschwörungstheoretiker*innen, Antisemit*innen, Rassist*innen und Sexist*innen.
Die Mahnwachen-Bewegung existiert seit etwa einem halben Jahr. Ausgehend von Berlin entstanden in zahlreichen deutschen Städten rasch sogenannte Montags-Mahnwachen, die sich vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise allgemein pazifistisch gaben – „Frieden“ wurde und wird als oberstes Ziel genannt. Diese wöchentlichen Zusammenkünfte wurden von Beginn an von Anhänger*innen verschiedener Verschwörungstheorien dominiert.
Auf fast allen Mahnwachen wurde die Verantwortung für fast alle heutigen und vergangenen Missstände, auf die Zentralbank der Vereinigten Staaten (FED) geschoben. Schnell erweiterte sich die Themenpalette und die FED wurde für den 1. und 2. Weltkrieg, Medienzensur und die allgemeinen Ungerechtigkeiten der Welt verantwortlich gemacht. Ein solches Weltbild führt geradewegs zu antisemitischen Erklärungsmustern: Nicht mehr Einzelne oder Regierungen sind für die Geschehnisse verantwortlich, sondern eine kleine Clique (jüdischer) Bänker*innen ziehe die Strippen im Hintergrund. Unter den Initiator*innen der Norddeutschen Montags-Mahnwachen sammeln sich Fans des Antisemiten und Schwulenhassers Jürgen Elsässer. Dazu kommen Esoteriker*innen, Reichsbürger*innen, Iran-Fans, Zinskritiker*innen und Anhänger*innen anderer reaktionärer Ideologien. Auch wenn es sich bei den Montags-Mahnwachen um beachtenswert heterogene Gruppen handelt, so ist die Akzeptanz für menschenverachtende Ideologien und für Menschen, die solche verbreiten groß.
Frank Poschau – Antisemit der alten Schule
Unter den für Rendsburg angekündigten Redner*innen befindet sich Frank Poschau, ein selbsternannter Volksdichter aus Padenstedt. Auf Poschaus Internetpräsenz sind neben gruseligen Gedichten auch Texte zu finden, in denen er unverhohlen die vermeintliche „Bösartigkeit der Juden“ anprangert. Poschau versteckt sich nicht hinter „anti-zionistischen“ Deckmänteln, sondern poltert direkt gegen Jüdinnen*Juden. So formuliert er, dass Jüdinnen*Juden einen Holocaust an Palästinenser*innen begingen und dabei quasi religiöses „Herrenmenschentum“ an den Tag lägen. Laut Poschau sei die Shoa heutzutage für Jüdinnen*Juden nur dazu da, Profit zu machen und „alte Wunden aufzureißen“. Aus antisemitischen Terrorist*innen werden dort Verzweiflungstäter*innen, die mit „Raketchen“ schießen. Auch beim Thema der deutschen Täter*innenschaft wird die Schuld auf eine kleine Gruppe Befehlshabender reduziert. Er geht sogar noch weiter und beschwert sich, dass ein ganzes Volk unter Generalverdacht gestellt würde. In einem solchen Geschichtsbild wird die massenhafte Teilnahme an Pogromen, Bücherverbrennungen und Bereicherungen an den Besitztümern deportierter Jüdinnen*Juden ausgeblendet.
Die volle Bandbreite an menschenverachtendem Müll
Für das musikalische Rahmenprogramm ist Marcel Wojnarowicz (Wojna) vom Duisburger Hip-Hop Duo „die Bandbreite“ eingeladen. Die Band erlangte eine gewisse Bekanntheit durch ihre Songs zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001, in denen sie die Verantwortung der US-Regierung andichtete. Als Quelle wurden hierbei groß teils widerlegte Internetdokumentationen herangezogen.
Von zwei explizit sexistischen Liedtexten distanzierte sich die Band inzwischen vage, jedoch lediglich mit der Konsequenz nicht mehr Live ihren Frauen*hass in die Welt zu tragen. Auf Portalen wie iTunes und im eigenen Labelshop sind die Songs nach wie vor erhältlich. Fast schon nebenbei vergleicht Wojnarowcz Guantanamo mit Konzentrationslagern und stellt die Frage, ob die vermeintliche Homosexualität von Adolf Hitler bzw. die Nicht-Befriedigung sexueller Wünsche im Zusammenhang mit der NS-Politik standen.
Mit diesen und anderen kruden Aussagen schaffen es „Wojna“ und „DJ Torben“ (Torben Eckhoff) nicht nur Anhänger*innen von Verschwörungstheorien Futter zu liefern und Applaus der Naziseite „Altermedia“ zu bekommen, sondern werden auch von „linken Gruppierungen“ hin und wieder eingeladen.
Kein Frieden mit Deutschland!
Selbstverständlich sind Antisemitismus, Sexismus, Verschwörungsdenken und ähnliche rückwärtsgewandte Ideologien nicht nur Teil der Montags-Mahnwachen, von Internetblogs oder von Duisburger Hip-Hoper*innen, sondern Teil und Produkt der deutschen Mehrheitsgesellschaft. 38,4% der Befragten stimmten der Aussage „Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat“ laut einer Studie der Universität Bielefeld von 2010/11 zu. Solch eine Mehrheitsmeinung erklärt nicht nur Anschläge auf Synagogen und andere jüdische Einrichtungen, sondern auch die Angst von Jüdinnen*Juden, sich als solche zu erkennen zu geben und zum eigenen Schutz Deutschland in Richtung Israel zu verlassen.
Spätestens seit Verschwörungstheoretiker*innen die Anonymität von Internetblogs verlassen und nahezu unwidersprochen auf deutschen Straßen auftreten, kann das für Antifaschist*innen und alle, die für eine Gesellschaft fernab von Staat, Nation und Kapital kämpfen, nur bedeuten, aktiv dagegen vorzugehen.
So rufen wir dazu auf, der Mahnwachen-Kundgebung am Samstag, 1.11.2014 ab 13 Uhr in Rendsburg aktiv in die Suppe zu spucken – und für eine Welt ohne Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und andere einschränkende Weltbildereinzustehen.
Gemeinsame Anreise: 11:40 @ Kiel HBF
12:40 @ Rendsburg HBF
Treffen vor Ort: 13:00 @ Heinrich-Beisenkötter-Platz in Rendsburg
Mehr Informationen unter: linksunten.indymedia.org