[Kiel] „Turn left smash right!“ – Antikapitalistischer & antirassistischer Block, Wilhelmplatz

Datum/Zeit
27.01.15
18:00


TURN LEFT SMASH RIGHT:
ANTIFA LEIDER GEIL – PEGIDA LÄUFT NICHT BEI DIR

Antikapitalistischer [&] antirassistischer Block auf der DGB-Bündnisdemonstration
27. Januar 2015 | 18 Uhr | Wilhelmplatz Kiel

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Im Zuge der sich seit 2009 zuspitzenden globalen Krise der kapitalistischen Ökonomie, der daraus resultierenden sozialen Erosionen und Verunsicherungen und ihrer ideologischen Abwälzung auf Ausgegrenzte und Außenstehende ist in Europa ein alarmierender Rechtsruck zu verzeichnen. Dieser schlägt sich nieder in Wahlerfolgen nationalistischer Parteien, dem Anstieg rassistischer Mobilisierungen und Gewalt und der Hochkonjunktur verschiedentlicher xenophober und irrationaler Ideologien als Deutungsmuster der Krise, die mal im sozialchauvinistischen, mal im antisemitischen oder mal islamopohoben Gewand daher kommen.

In Deutschland wurde diese Entwicklung in den letzten Jahren durch eine Propaganda der Herrschenden angefeuert, welche den zahllosen autoritären Untertanen hierzulande als Kompensation für die viel gepredigte, triste und zunehmend prekäre kapitalistische „Alternativlosigkeit“ wahlweise „arbeitslose Sozialschmarotzer“, „faule Pleitegriechen“ „unkontrollierbare Ströme von Wirtschaftsflüchtlingen“ oder „integrationsunwillige Parallelgesellschaften“ zum Reintreten vorwarf. Verstärkt im letzten Jahr begannen die auf diesem Fundament stehenden reaktionären Wutbürgermilieus sowie die national-liberalen Fraktionen des deutschen Kapitals jedoch gegen die Dominanz des Merkel-Flügels auf der bürgerlichen Rechten zu rebellieren. Dessen Politik der brutalen, aber weltgewandten Sachlichkeit konnte eben doch nicht immer mit den gleichzeitig nach Innen ausgegebenen engstirnigen Hinhalteparolen in Einklang gebracht werden. Der von rechtsliberalen und konservativen Medien vorangetriebene Aufstieg der momentan im Eiltempo nach rechts driftenden „Alternative für Deutschland“ (AfD), ihre Wahlerfolge und zuletzt die vielen rassistischen Bewegungen gegen Flüchtlingsunterkünfte, die von darin mitagierenden Neonazis immer wieder in Gewalt gegen Migrant_innen überführt wurden, bis hin zu den in ihrer Widersprüchlichkeit teils absurd anmutenden nationalistischen und xenophoben Kürzelbewegungen von „HoGeSa“ bis „PEgIdA“ sind Ausdruck dieser aktuellen deutschen Krisenrebellion von rechts. Dass deren – trotz der offensichtlichen Mitwirkung von organisierten Neonazis – größtenteils biedere Verfasstheit keineswegs eine Hemmschwelle zur Anwendung brutalster physischer Gewalt ist, wie sie sich schon während der letzten großen Welle des gesellschaftlichen Rassismus Anfang der 1990er entlud, unterstrich zuletzt die grausame Ermordung des 20jährigen eritreischen Flüchtlings Khaled Idris Bahray parallel zum bisher größten „PEgIdA“-Aufmarsch am 12.1.2015 in ihrer Hochburg Dresden.

Wenn die etablierte Politik und ihre Anhänger_innen sich nun mehrheitlich gegen die von ihr nicht mehr kontrollierte Rebellion der rechten Mitte wendet – ob tatsächlich aus einer liberalen Überzeugung oder weil damit der Standort bzw. die Legitimierungsmythen des deutsch-europäischen Krisenregimes Schaden nehmen könnten – ist dies nicht nur in Anbetracht des von ihr selbst angelegten und gedüngten Nährbodens, sondern auch ihrer rassistischen Flüchtlingspolitik und der autoritär-nationalchauvinistischen EU-Krisenverwaltung, schlichtweg heuchlerisch. Es waren staatliche Behörden, namentlich der Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz, der die neonazistische Mörderbande „NSU“ und ihr Umfeld über Jahre unterstützte und deckelte und bei mindestens neun Morden aus völkisch-rassistischen Motiven zusah. Die Aufklärung des tatsächlichen Ausmaßes der staatlichen Verstrickungen wird bis heute sabotiert. Es brauchte weder AfD noch „PEgIdA“, um die Abschottung der europäischen Außengrenzen zu errichten, um Menschen, die diese in Schlauchboten zu überwinden versuchen, militärisch zu bekämpfen und dabei allein in den letzten 15 Jahren mindestens 23.000 Tote in Kauf zu nehmen. Die verschiedenen bürgerlichen Regierungsparteien, von den Grünen bis zur CSU, haben es ganz allein verstanden, diejenigen, die es trotzdem nach Europa geschafft haben, in Lagern zu isolieren, sie in kapitalistisch verwertbare und „überflüssige“ zu separieren, ihnen die Grundrechte zu verweigern und sie permanent mit Abschiebung zu bedrohen. Es ist Folge der in ihren Grundzügen unerschüttert gebliebenen Jahrhunderte alten kolonialen Weltordnung, dass die sozialen, ökonomischen und ökologischen Lebensgrundlagen menschlicher Existenz auf ganzen Kontinenten im Dauerzustand von Krieg und Ausbeutung so zerstümmelt und brutalisiert wurden, dass Millionen Menschen als einziger Ausweg die Flucht Richtung Europa bleibt. Es ist diese Weltordnung, auf der der Reichtum Europas begründet worden ist und vermehrt wird, mit der der kapitalistische Weltmarkt kalkuliert und die durch die herrschende, nicht zuletzt auch die deutsche Politik notfalls mit militärischen Mitteln aufrecht erhalten wird. Auch die Ursachen des parallel dazu bedrohlich erstarkenden religiösen Fundamentalismus in aller Welt, auf dessen Opfer Rücken die xenophoben Mobilisierungen gerade zu punkten versuchen, kann nur in diesem Zusammenhang verstanden und bekämpft werden. Er ist u.a. eine gleichfalls reaktionäre Antwort auf die koloniale Weltordnung und die systematische Aufreibung emanzipatorischer Alternativen, die eine lebenswerte Perspektive im Diesseits für zahllose Menschen als Illusion und ausgerechnet den heiligen Krieg gegen alles vermeintlich Ungläubige als überzeugende Fahrkarte zu einer besseren Existenz erscheinen lässt.

Wenn sich bundesweit zigtausende Extremist_innen der Mitte, dem Verfolgungswahn nahe, an xenophoben, rassistischen und nationalistischen Aufmärschen beteiligen und so ihre krisenbedrohten Privilegien auf Kosten der ohnehin Ausgegrenzten zu bewahren versuchen und sich ihr parlamentarisches Pendant als stabile Kraft am rechten Rand zu etablieren droht, gilt es unbedingt soziale und politische Gegenmacht aufzubauen. Auch wir beteiligen uns deshalb an der Demonstration zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz im Rahmen der DGB-Initiative zur Vorbeugung von „PEgIdA“-Aktivitäten in Kiel.

Wenn wir die rechte Krisenrebellion jedoch nicht fälschlicherweise als bloße Dummheit oder sogar als „berechtigte Ängste der Bevölkerung“ abtun wollen, derer man sich durch Aufklärung oder im Dialog annehmen müsse, haben wir das falsche Ganze ins Visier zu nehmen und Perspektiven jenseits von Rassismus und Nationalismus sowie der kapitalistischer Einbahnstraße zu erkämpfen. Dies bedeutet konsequenterweise eben auch, dass wir nicht widerspruchslos im Fahnenmeer von Sozialdemokraten, Grünen und CDU als Füllmasse untergehen wollen, sondern im Gegenteil ihre Mitverantwortung am erstarkenden gesellschaftlichen Rassismus aufzeigen werden. Ein würdiges Leben für alle Menschen weltweit, globale Bewegungsfreiheit und ein Ausweg aus dem allgegenwärtigen Hauen und Stechen in der Konkurrenz der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft bedarf einer sofortigen Notbremse und scharfen Linkskurve hin zu einer Politik weit weg der alternativlosen Mitte. Dafür gilt es sich zu organisieren und eine Bewegung aufzubauen, die in der Lage ist, nicht nur dem reaktionären Pack jedweder Coleur die Straße streitig zu machen und den Betroffenen seiner Hetze zur Seite zu stehen, sondern vor allem, es mit der kapitalistischen und rassistischen Weltordnung und ihren Handlanger_innen aufzunehmen. Dass dies auch in Europa nicht überall so fern scheint wie im kalten Deutschland, zeigt derzeit die panische Angst der Herrschenden vor einem möglichen Wahlsieg der Linken im vom Krisenregime gebeutelten Griechenland Ende dieses Monats, der zumindest zeitweilig das Feld für die dort starken sozialen Bewegungen und Basisorganisierungen für eine radikale Umgestaltung der sozialen Ordnung öffnen könnte. Unsere Solidarität gilt in diesen Tagen deshalb auch allen, die dort schon längst begonnen haben ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen, um der neoliberalen Lebenslüge vom Ende der Geschichte endlich eine solidarische Perspektive entgegen zu schmettern.

Gemeinsam gegen reaktionäre Krisenrebellionen und bürgerliche Privilegiensicherung!

No border no nation: Die rassistische Flüchtlingspolitik angreifen – Festung Europa einreißen! Refugees welcome!

Fight the racist world order – fight capitalism! Freedom, equality, solidarity for all!

Linksradikale Gruppen aus Kiel

www.antifa-kiel.org