[Schleswig] Rassistischer Brandanschlag auf syrische Familie

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, am 3.3.2016, versuchten zwei Rassisten in der Bahnhofstraße des Schleswiger Stadtteils Friedrichsberg die Wohnung einer syrischen Familie anzuzünden. Sie taten dies, in dem sie eine brennbare Flüssigkeit von außen gegen die Fensterscheibe im Erdgeschoß kippten und diese anzündeten. Es ist alleine dem Zufall zu verdanken, dass die Flammen so frühzeitig entdeckt worden sind, und sich das Feuer nicht weiter ausbreiten konnte: die Familie handelte geistesgegenwärtig, und war zum Glück in der Lage, den Brand eigenständig mit Decken zu löschen.

Am Montagnachmittag, 7.3. zogen als Reaktion etwa 50 Antifaschist_innen durch die Schleswiger Innenstadt, um ihre Solidarität mit den Betroffenen des Brandanschlags vom auszudrücken. Die kleine Demonstration hatte unangemeldet stattgefunden und wurde nicht von der Polizei begleitet.

http://www.neu.antifa-kiel.org/wp-content/uploads/import/pics/turnleftsmashright/rassistschleswig.jpg

Phantombild eines Täters

_____________________________________________________________________________________________________________

Wir dokumentieren eine Stellungname der AG Antifa Schleswig zu dem Brandanschlag.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, am 3.3.2016, versuchten zwei Rassisten in der Bahnhofstraße des Schleswiger Stadtteils Friedrichsberg die Wohnung einer syrischen Familie anzuzünden. Sie taten dies, in dem sie eine brennbare Flüssigkeit von außen gegen die Fensterscheibe im Erdgeschoß kippten und diese anzündeten. Es ist alleine dem Zufall zu verdanken, dass die Flammen so frühzeitig entdeckt worden sind, und sich das Feuer nicht weiter ausbreiten konnte: die Familie handelte geistesgegenwärtig, und war zum Glück in der Lage, den Brand eigenständig mit Decken zu löschen!

Wir alle sind erleichtert, dass bei diesem feigen Anschlag keine Menschen verletzt worden sind, oder nicht etwas noch Schlimmeres passiert ist! Aber belügen wir uns nicht selbst – vor dem Hintergrund eines rassistisch vergifteten Klimas, das in diesen Tagen überall in unserer Gesellschaft vorhanden ist, könnte es JEDERZEIT möglich sein, dass sich auch das sonst eher biedere Schleswig in einer Reihe mit den Mordbränden von Mölln und Solingen wiederfinden könnte! Auch wenn die Tat selbst verhindert werden konnte: es sind die mörderischen Absichten, die sich dahinter verbergen; es sind die rassistischen Abgründe, die als alleiniges Motiv nachbleiben – die uns zornig machen… die uns dazu bewegen müssen, überall gegen rassistische Stimmungsmache und nationalistische Hetze Gesicht zu zeigen, und entschlossen gegen den völkischen Mob der unsäglichen Pegida-Bewegung vorzugehen.

Dieser Angriff demonstriert auf bedrückende Weise, dass es kaum noch einen Flecken in der Bundesrepublik gibt, der im Augenblick nicht von rassistischen Angriffen betroffen wäre. Zuletzt wurden auch Flüchtlinge in der Stadt Flensburg Opfer von fremdenfeindlicher Gewalt: die Täter waren dabei so skrupellos, eine chemisch-ätzende Flüssigkeit in das offene Duschfenster zu kippen, während sich Menschen aus Syrien dort wuschen. Erst wenige Wochen zuvor brannte in Folge eines Anschlages eine als Flüchtlingsunterkunft vorgesehene Wohnung in einem Flensburger Stadtteil aus. Die Absichten der Täter richten sich also immer gewissenloser und mörderischer gegen die Flüchtlinge, deshalb sollten sie nicht länger bloß als eine Art „Warnsignal“ von angeblich „besorgten Bürgern“ und sog. „Asylkritikern“ verstanden werden – wie sich diese Menschenfeinde selbst gerne titulieren – sondern als direkte Hass-Verbrechen und Mordanschläge, die von absolut enthemmten und gewissenlosen Tätern begangen werden!

Auch in jüngster Vergangenheit wurde die betroffene syrische Familie, die erst seit November 2015 in Schleswig wohnt, Opfer von rassistisch motivierter Gewalt: Nach Recherchen von sh.z und NDR wurden bereits Feuerwerkskörper in die Wohnung geschmissen, und ‚Sieg-Heil‘-Rufe und andere Parolen vor dem Wohnhaus gebrüllt.

Schleswigs Bürgermeister Arthur Christiansen fällt jedoch zu den aktuellen Vorkommnissen nichts Besseres ein, als lediglich festzustellen, dass Schleswig „so etwas nicht verdient“ hätte. Anscheinend geht es ihm und anderen Verantwortlichen viel mehr um den guten Ruf der „beschaulichen“ Schleistadt, nicht aber primär um das Wohlergehen der hier lebenden Flüchtlinge! Richtig und bedeutsam wäre es gewesen, die unantastbare Würde und das Menschenrecht auf Unversehrtheit der Flüchtlinge in den Vordergrund zu stellen, und keinen Lokalpatriotismus.

Als Katalysator von rassistischen Pogromen und Hass-Verbrechen sind bei weitem nicht mehr alleine die nationalsozialistischen Mordbrenner der NPD beteiligt, sondern auch die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ und, mit ihr verbunden, die völkisch-rassistische PEGIDA-Bewegung, die als eine Art außerparlamentarischer Arm begriffen werden kann. Insbesondere der Kreisverband Flensburg-Schleswig der AfD macht aus seiner dreisten rechtspopulistischen und kulturrassistschen Grundhaltung keinen Hehl. So teilen sie auf ihrer Facebook-Seite unverblümt Artikel der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“, beziehen sich positiv auf das verschwörungstheoretische, antisemitische Magazin „Compact“ und hetzen in bester NPD-Manier gegen Flüchtlinge und nichtchristliche Glaubensbekenntnisse. Es verwundert nicht und passt sehr gut zu dem nach Rechtsaußen verorteten Selbstverständnis dieser Rassisten in Nadelstreifen, dass der Kreisverband der AfD zum Brandanschlag noch kein einziges Wort verloren hat.

Da dieser Angriff unmissverständlich aufgezeigt hat, dass auch Schleswig für die Flüchtlinge keinen sicheren Ort mehr darstellt, fordern wir für die Zukunft:

– Eine lückenlose Benennung und Aufklärung aller rassistischen Gewalttaten

– Die konsequente Bestrafung von rechten Gewalttätern – allerdings nicht im Sinne von sinnloser Zwangsarbeit und Wegsperren, sondern auch mittels einer direkten Konfrontation mit ehemaligen Opfern und migrantischen Kultur-Organisationen

– Ein nachhaltig wirkendes und effizientes Schutz-Konzept für Flüchtlinge im Kreis Schleswig-Flensburg, das sich durch eine bewusste Beteiligung aller Flüchtlingshelfer_innen, aber auch von antirassistischen Gruppen sowie natürlich der Flüchtlinge selbst auszeichnet, da sie die unmittelbar Betroffenen von rassistischer und nazistischer Gewalt sind! Dabei scheint es nicht zwingend notwendig zu sein, auf die staatliche Bürokratie und Exekutive zurückzugreifen, die durch die Verabschiedung immer neuer ausländerfeindlicher Gesetze und einem strukturell verankerten Rassismus in den Institutionen vielmehr als Teil des Problems anzusehen sind, als das sie dazu geeignet wären, den Schutz der Flüchtlinge glaubhaft zu gewährleisten.

Außerdem fordern wir die gesellschaftliche Akzeptanz und Entkriminalisierung gegenüber allen antifaschistischen Strukturen im Raum Schleswig-Flensburg ein, die unentwegt daran arbeiten, den Rassist_Innen und Faschist_Innen die gesellschaftliche Hegemonie zu entreißen, zivilgesellschaftlichen Widerstand zu organisieren und dem rechten Mob die Stirn zu bieten – das ist nicht zum bürokratischen Nulltarif zu erhalten!

Nationalismus ist kein Lösungsansatz für einen global entfesselten Kapitalismus!
Rassismus ist kein Standpunkt, sondern die Vorstufe zum Pogrom!
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

AG Antifa Schleswig, März 2016